Bollywood:Eine Liebe ohne Morgen

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Schreiend bunt und grotesk: Nikhil Advani hat mit "Indian Love Story" ein Melodram und Musical gedreht, das an beste Hollywood-Klassiker erinnert.

Von Fritz Göttler

Wie ein Käfig sieht die Brücke aus, mit ihrem weitausladenden Gestänge und ihren steinernen Aufbauten, wie der Eingang zu einem Gefängnis, aus dem es keine Entlassung geben wird für den jungen Mann davor. Ein Weg ohne Wiederkehr, die Pforte zu einem Jenseits.

(Foto: N/A)

Sie werfen einen dunklen Schatten über die Ereignisse dieses Films, die Brooklyn Bridge und die anderen Brücken von New York, über diese Stadt, die sich kräftig bemüht, einen Eindruck von Springtime zu vermitteln, von Frühling und all seinen Gefühlen. An allen Ecken und Enden der Stadt, on the town von Brooklyn bis Hoboken, haben Regisseur Nikhil Advani und Produzent Karan Johar gedreht, ohne Scheu vor spektakulären Effekten, drei Stunden ist ihre "Indian Love Story" lang, schreiend bunt und grotesk, mit einer Menge Tanz und Gesang. Feelgood wird das genannt, ein eigenes Genre, das sich da entwickelt hat in den letzten Jahren.

Ewiger Zwist

Es ist die Kombination von Melodram und Musical, die dieser Film glorreich reaktiviert - die mit dem klassischen Hollywood untergegangen war, als Vincente Minnelli, Stanley Donen, Charles Walters in den Studios regierten. Der Geist der guten alten MGM scheint wieder über der Stadt zu liegen, über dem Leben von Naina und ihrer indischstämmigen Familie und ihren zwei Boyfriends, dem eher braven, angepassten Rohit (Saif Ali Khan) und dem Supersonnyboy Aman (Shah Rukh Khan).

Naina hat alle Hände voll zu tun mit ihrem Studium und mit den Versuchen, den ewigen Zwist in der Punjabi-Verwandtschaft zu schlichten, die gespalten ist was die Religion angeht - Hindu-Religion versus Christentum - und die Pflege der Tradition - da gibt es eine Konfrontation zwischen der Mutter und der Großmutter, des toten Mannes/Sohnes wegen: er hat Selbstmord begangen, hat eine uneheliche Tochter hinterlassen.

Erholsam ist dagegen, was Nainas beiden Boys widerfährt - sie werden von der Haushälterin immer wieder in Situationen erwischt, aus denen die nur folgern kann, dass die beiden das schönste schwule Verhältnis miteinander haben.

Brücken ins Nichts

Preity Zinta ist wundervoll als Naina, erst mit Brille, beim Studium an der University of New York, gereizt und reizbar durch den familiären Stress, dann allmählich gelöst, durch die Liebe zu Aman, aber plötzlich wie ein begossener Pudel, schockiert und verzweifelt, als der nicht ihre Liebe erwidert, sondern sie mit Rohit verkuppeln will.

"Tomorrow May Never Come" müsste man den Originaltitel "Kal Ho Naa Ho" übersetzen, ein wunderbarer Melo-Titel. Gemeint ist vor allem Amans Morgen - er ist herzkrank und sein Leben kennt keine Zukunft, die Brücken, unter denen er sich immer wieder einfindet, führen ins Nichts. Der Superstar Shah Rukh Khan ist natürlich der Mittelpunkt des Films, singend und tanzend - sogar ein "PrettyWoman"! -, tröstend und heilend, er managt all die verkorksten Schicksale der Familie und der Nachbarschaft. Ein Erlöser, der als einziger nicht partizipiert an seinem Werk, ein Heiland, der ausgeschlossen bleibt vom Glück, das er schafft.

Der Film ist ein Erstlingswerk, aber natürlich hat Regisseur Nikhil Advani liebevolle Protektion gefunden bei seinem Produzenten Karan Johar und dessen Vater Yash, dem großen Mann von Bollywood, der vor wenigen Tagen gestorben ist. In all dem Aufwand spürt man eine Liebe zum intimen Moment, zur diskreten Geste - die Aura der MGM ist kombiniert mit der New Yorker Avantgarde um Mekas und Shirley Clarke zu einem neuen Bridges Go Round.

KAL HO NAA HO, Indien 2003 - Regie: Nikhil Advani. Buch: Karan Johar. Kamera: Anil Mehta. Musik: Shankar, Ehsaan, Loy. Schnitt: Sanjay Sankla. Mit: Shah Rukh Khan, Preity Zinta, Saif Ali Khan, Jaya Bachchan, Lilette Dubey, Sonali Bendre. Rapid Eye Movies, 187 Min.

© SZ vom 13.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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