Biographie über Axel Springer:Von Prinz Charming zum Buhmann

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Underworked und over-sexed in jungen Jahren, musste der Liebling der Götter 1968 lernen, dass ihn doch nicht alle liebten. Eine neue Biographie über den legendären Verleger Axel Cäsar Springer.

Caspar Busse

Der Fall Axel Cäsar Springer war erst vor wenigen Wochen aktuell. Das Hanseatische Oberlandesgericht musste sich mit dem Erbe des Verlegers und dem Streit zwischen Friede Springer und Verlegerenkel Axel Sven, kurz Aggi, befassen. Zeugen wurden vernommen, die im Gerichtssaal noch einmal detailliert die letzten Tage Springers schilderten. Schließlich sprach der Richter ein Urteil: Friede bekam Recht. Doch Aggi will nun wohl zum Bundesgerichtshof - der Erbfall Axel Cäsar Springer wird die Gerichte weiter beschäftigen.

Das Leben des legendären Verlegers aus Hamburg, der nach dem Zweiten Weltkrieg in kurzer Zeit aus dem kleinen Regionalverlag seines Vaters einen der größten Zeitungskonzerne Europas machte, lässt viele nicht los. An diesem Donnerstag erscheint, fast 23 Jahre nach seinem Tod, die bisher umfangreichste Biographie mit dem schlichten Titel: "Axel Springer" (Propyläen-Verlag, Berlin 2008).

Auf 734 Seiten schildert der bekannte Historiker Hans-Peter Schwarz, 73, die vielschichtige Persönlichkeit Springers und die Entwicklung seines Konzerns. Er geht dabei wissenschaftlich vor - alle Fakten werden mit Quellen belegt, alleine die Fußnoten machen mehr als 60 Seiten aus. Zudem wird immer wieder das zeithistorische Umfeld geschildert, die Person Springer eingeordnet.

Schwarz gelingt es aber trotz dieses nüchternen Blickwinkels lebhaft zu erzählen, insbesondere im weiteren Verlauf des Buches; die ersten 60 Seiten über Springers Jugend und sein Leben im Dritten Reich lesen sich noch etwas trocken.

Schwarz, der drei Jahre an dem Buch gearbeitet hat, kann mit vielen Einzelheiten und manchen neuen Einsichten aus der wechselvollen Geschichte des Verlages aufwarten. Aber die Geschichte Springers muss nicht umgeschrieben werden, am Ende ist auch keine Abrechnung mit der Person Springer entstanden, sondern ein differenziertes, in der Grundtendenz eher wohlwollendes Bild.

Schwarz, der unter anderem mit einer viel gelobten Biographie über Konrad Adenauer berühmt wurde, hatte nach Angaben aus dem Hause Axel Springer als erster bedingungslosen Zugang zu den Archiven des Pressekonzerns und führte viele Interviews - davon lebt das Buch. Die relevanten Dokumente seien ihm fast ausnahmslos und ohne jede Auflage zur Verfügung gestellt worden, berichtet Autor Schwarz.

Die Leichen aus dem Keller

Sowohl die Verlegerwitwe Friede Springer als auch Konzernchef Mathias Döpfner hätten ihn bei seinen Recherchen unterstützt. "Es ist ganz und gar nicht eine Auftragsproduktion. Es ist auch keine autorisierte Biographie", betont Schwarz, der zum Verleger Springer selbst in keiner Verbindung gestanden hatte. Es zeuge doch von einer Liberalität der Familie Springer, sagt Schwarz, dass er "die Leichen aus dem Keller holen durfte".

Dazu gehört die Geschichte, wie Springer Mitte der siebziger Jahre fast Die Welt an die Frankfurter Allgemeine Zeitung verkauft hätte. Der Verleger wollte das Blatt, das seit Ende der Fünfziger hohe Verluste produziert hatte, los werden. Lange wurde mit dem Management der FAZ verhandelt. Schließlich waren Anfang 1976 alle Einzelheiten geklärt, die Welt sollte eingestellt werden, in der FAZ aufgehen und nur noch im Untertitel der Frankfurter Allgemeinen weiterleben.

Am Abend vor der Vertragsunterzeichnung hat Springer eine Kehrtwende vollzogen und die Sache abgeblasen: "Wenn wir Die Welt nicht mehr haben, bin ich nichts weiteres als der Bild-Verleger, alles andere zählt nicht."

Schonungslos erzählt Schwarz, wie der Bild-Gründer idealistisch an die schnelle Wiedervereinigung glaubte und damit daneben lag. Schließlich reiste er nach Moskau zu Chruschtschow und scheiterte grandios. Interessant, wie Springer während der Studentenunruhen ("Enteignet Springer!") 1968 ernsthaft über einen Verkauf des Verlags nachgedacht hat.

Bis 1967 habe sich Springer ohnehin als "Liebling der Götter" begriffen, er habe nie die Sehnsüchte eines verwöhnten Kindes abgelegt, von allen geliebt und verhätschelt zu werden. Doch dann kam die Zäsur: "Auf einmal wurde Prinz Charming zum Buhmann erklärt."

Im Oktober 1969 habe es erste Gespräche mit dem Gütersloher Bertelsmann-Eigentümer Reinhard Mohn gegeben, schreibt Schwarz, die Verhandlungen gediehen weit. Ausgerechnet der Stern aus dem Hause Bertelsmann berichtete dann exklusiv über den Deal - die bereits geschlossenen Verkaufsverträge wurden wieder gelöst.

"Dieser Mann war eine Ansammlung von Widersprüchen", heißt es in der Biographie. Schwarz beschreibt den Lebemann Springer, seine Affären und seine fünf Ehen, die Probleme mit den Kindern, seine gesundheitlichen Schwierigkeiten, seinen Glauben an Astrologie.

An einer Stelle heißt es: "Der junge Axel Springer war ... ein Bruder Leichtfuß... Er war damals underworked und over-sexed." Was übrigens seine letzte Ehefrau Friede Springer von der Biographie hält, ist unbekannt. Es gebe noch keine Reaktion von ihr, berichtet Autor Schwarz.

© SZ vom 26.2.2008/rus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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