Bestsellerautorin Sue Townsend:"Monarchie ist out"

Lesezeit: 5 min

Das Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich: Die blinde Bestsellerautorin Sue Townsend schreibt böse Texte über die Royals - und erklärt, warum Komik wichtig ist, wenn es ernst wird.

Birgit Weidinger

Selbst zu Zeiten weltweiter Rezession: Die britische Königin scheint von Sparzwängen nicht viel zu halten. Sie hat die Regierung wissen lassen, dass sie einen Extra-Etat benötige für die Sanierung und Bewirtschaftung ihrer Schlösser. Gegner der Royals halten das nach Berichten der Zeitung Independent für obszön und plädieren wieder einmal für die Abschaffung der Monarchie.

Aus dem Amt entfernt: Zumindest in Sue Townsends Buch "The Queen and I" wird die Monarchie abgeschafft. (Foto: Foto: dpa)

Damit sprechen sie ganz im Sinn der Autorin Sue Townsend, 62, die sich in ihren Romanen seit Jahren satirisch-kritisch mit der Existenz des Königshauses auseinandersetzt. Townsend lebt in ihrer englischen Geburtstadt Leicester. Die Serienromane über den Teenager Adrian Mole und seinen Kampf gegen die Tücken des Daseins machten die Tochter einer Arbeiterfamilie international bekannt. Seit 2001 ist die Autorin blind, hat aber das Schreiben nie aufgegeben.

SZ: Mrs. Townsend, woher, glauben Sie, kommt Ihr eigenes Bedürfnis, zu provozieren?

Townsend: Ich glaube, es ist genauso Teil meines Naturells wie meiner Erziehung. Ich hatte nie Angst vor Respektspersonen und vor Autoritäten. Und wenn mich jemand bevormunden wollte, dachte ich immer daran, welch winzige Pünktchen im Universum wir sind - und nichts und niemand konnte mir etwas anhaben.

SZ: Sie schreiben, obwohl Sie blind sind.

Townsend: Seit 2001 bin ich als blind registriert. Das ist die Folge meiner Diabetes, die Blindheit war nicht aufzuhalten. Nun wollte ich aber keinesfalls zu einem professionellen Invaliden werden. Dagegen habe ich mich von Anfang an gewehrt. Schon gegen die Art und Weise, wie ich per Post die endgültige Mitteilung bekam. Auf einer Karte, die in einem billigen braunen Umschlag steckte. Schrecklich.

SZ: Ihre Gegenwehr hat Ihnen geholfen, mit der Blindheit besser umzugehen?

Townsend: Außerdem hat mir die Vertrautheit meiner Umgebung und meiner Leute geholfen. Leicester ist meine Heimat, hier bin ich vor 62 Jahren geboren und großgeworden, hier wohne ich mit meinem zweiten Mann, hier sind unsere Kinder aufgewachsen. Natürlich hat die Blindheit Auswirkungen auf meine Gemütsverfassung und meinen Alltag: Ich sitze viel im Rollstuhl, und das Leben spielt sich nun zwangsläufig mehr in meinem Kopf ab, in meinem Inneren. Ich war allerdings immer der Ansicht, Schriftsteller sollten im Hintergrund bleiben und beobachten. Sie sollten nicht als Teil des Show- und Leistungsbusiness auftreten.

SZ: Das sehen nicht alle so. Für alle die, die ihn nicht kennen: Erzählen Sie doch mal ein bisschen was über Ihren Helden, den Teenager Adrian Mole.

Townsend: Nun, Mole ist auch so ein Underdog, der sich aber nicht unterkriegen lassen will. Auf eine verschrobene Art pflegt er sein Durchsetzungsvermögen, er fühlt sich vom Leben herausgefordert. Als 1982 das erste Tagebuch erschien "The Secret Diary of Adrian Mole, Aged 13 3/4", und dann 1985 "The Growing Pains of Adrian Mole", wurde er zum Liebling der Leser. 1985 wurde auch die erste Fernsehserie produziert.

SZ: Ihre Mole-Charaktere sind sehr englisch.

Townsend: Das stimmt schon. Doch die Bücher verkauften sich auch anderswo recht gut, etwa in Deutschland.

SZ: Die Fernsehserie, die die BBC nach den Mole-Büchern drehte, wurde in der deutschen Fassung zwischen 1987 und 1994 mehrmals ausgestrahlt.

Townsend: Der neurotische, akne-gequälte Adrian kam deshalb so gut an, weil doch die Teenager überall die gleichen intensiven oder übersteigerten Gefühle kennen: Freude, Liebe, Trauer, Übermut, Spaß, sie haben soviel gemeinsam in diesem Alter.

SZ: Sie befassen sich auch gerne mit der königlichen Familie und deren Zukunft. Was reizt Sie an den Royals?

Townsend: Die sind für mich ein Reizgegenstand. 1992 habe ich die Royals in meinem Buch "The Queen and I" aus dem Amt entfernt und verbannt, die Monarchie ist out, wird abgeschafft. Nichts ist mehr wie früher für sie, mit dem Luxusleben ist es vorbei, die Königin muss auf den Markt gehen, sie ahnt ein wenig, was Not, Arbeit, Einschränkung bedeuten.

SZ: Sie lehnen die Monarchie ab?

Townsend: Das kann man wohl sagen - ich will Bürgerin sein, keine Untertanin.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, warum die Royals in Sue Townsends Büchern sprechende Hunde haben.

SZ: Sie akzeptieren auch nicht die Rolle, die die Windsors als Attraktion der Touristen-Industrie spielen.

Townsend: Nö, nicht mal das. So weit vorne stehen sie ja schließlich nicht auf der Liste der britischen Denkmäler und anderer Sehenswürdigkeiten. Als Diana starb, weinten sich alle die Augen aus. Und wenn ich nach den Gründen fragte, so kam oft die Antwort: Ach, ich musste an meine Mutter denken. Ist das nicht ziemlich absurd?

SZ: Diana ist tot. Wird Camilla sie je ersetzen können?

Townsend: Natürlich nicht, aber dass es eine Königin Camilla geben könnte, ist durchaus denkbar.

SZ: In Ihren Büchern haben die Royals sprechende Hunde. Was soll denn das?

Townsend: Die Hunde sind die einzigen, die nicht buckeln vor den Hoheiten und sich erniedrigen. Normalmenschen, die die Mitglieder der königlichen Familie treffen, sind meist verlegen, schwitzen, sind aufgeregt. Vor einer solchen Begegnung müssen sie neue Kleider, neue Hüte kaufen. Müssen sich in Ehrfurcht üben. Die Hunde dagegen behandeln die Königlichen wie ihresgleichen. Sie sind Anarchisten, haben keine Regeln. Ich habe es genossen, diese Hunde zu beschreiben.

SZ: Die Hunde sind so wie Sie?

Townsend: Vielleicht. Ich akzeptiere, dass die Royals ihre Pflichten erfüllen, aber ich kann das nicht harte Arbeit nennen. Prinz Charles' Diener soll ihm ja sogar die Zahnpasta von der Tube auf die Bürste drücken. Kein Vergleich mit dem, was meine Mutter und andere Frauen aus ihrer Umgebung an Schwerarbeit zu leisten hatten und wie schwierig ihr Leben war.

SZ: In Ihrem richtigen Leben: Waren Sie schon bei Hofe geladen?

Townsend: Ja, zweimal. Aber ich ging nicht hin, ich wollte mich nicht verbeugen und meine Prinzipien nicht verbiegen. Das wäre eine zu große Zumutung gewesen.

SZ: Mit der Zumutung Ihrer Blindheit müssen Sie täglich umgehen.

Townsend: Ja, aber das bedeutet nicht, dass ich besonders tapfer bin. Tapferkeit findet auf dem Schlachtfeld statt. Ich wollte keinesfalls eine Berufsinvalidin werden. Und wenn mich das Selbstmitleid überfällt, dann vergewissere ich mich, dass ich allein bin und damit fertig werde. Ich habe Phasen, in denen ich wie besessen arbeite, und dann wieder kommen Zeiten, in denen ich frage, was das alles soll.

SZ: Von Tag zu Tag müssen Sie fertig werden mit dem Blindsein - dabei hilft Ihnen Ihr Mann, Colin Broadway, dem Sie auch Ihre Bücher widmen.

Townsend: Ja. Er ist unentbehrlich. Ich diktiere ihm, er organisiert den Alltag, befasst sich mit Terminen und Lesehilfen, chauffiert mich, informiert mich. Und ich höre viel Radio, das ist unverzichtbar. Übrigens: Auch in meinen Büchern ist Blindheit ein Thema. Nigel, Adrian Moles Freund, wird blind und hat ähnliche Empfindungen wie ich. Ich will das Thema nicht unter den Tisch fallen lassen. Auf Adrians ungeschickte Frage, was denn das Schlimmste an der Blindheit sei, reagiert Nigel ausfallend und unfein: Das Schlimmste ist, dass ich nicht den geringsten Scheiß sehe, du Idiot!

SZ: Gibt es denn auch Reaktionen Ihrer Leser auf Ihre Krankheit?

Townsend: Nun, ich nehme keine Signiertermine mehr wahr. Das ist zu anstrengend. Und ich versuche, so ruhig wie möglich auf gutgemeinte, teilnahmsvolle Fragen zu reagieren. Ansonsten schreibe ich weiter. Nach dem jüngsten Mole-Roman, "Adrian Mole and the Weapons of Evil", der vor dem Hintergrund des Irakkriegs spielt und Mole als erbitterten Kriegsgegner zeigt, geht es in der Fortsetzung, an der ich gerade sitze, um Altwerden, Sterblichkeit und Selbstmitleid. Auch versucht Mole, sein Privatleben in den Griff zu bekommen.

SZ: Klingt pessimistisch.

Townsend: Die Perspektiven meiner Geschichten werden auf jeden Fall pessimistischer. Wie sollte das auch anders sein, wenn man sich in der Wirklichkeit umsieht. Wie da sagenhaft reiche Leute mit Geld um sich werfen, Riesensummen für alles mögliche ausgeben. Das große Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich provoziert mich, es ist ungerecht, macht mich wütend und traurig.

SZ: Haben Sie denn eine Lösung?

Townsend: Ich denke, wenn die Menschen lachen, und sie lachen gerne, achten sie auch auf das, was hinter dem Lachen steckt. Das Kunststück besteht also darin, auch ernste Themen mit Humor zu behandeln, Komik nicht außer Acht zu lassen, wenn es ernst wird - das soll die Leser herausfordern und sie sensibilisieren. Ich nenne diese Art der Schreibe "serious comedy". Darum geht es mir, dieses Genre liegt mir am Herzen.

© SZ vom 3.11.2008/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: