Berliner Akademie:Vampire der Kunst

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Zum ersten Mal in ihrer Geschichte stehen zwei Frauen an der Spitze der Berliner Akademie. Zur Präsidentin gewählt wurde die Regisseurin Jeanine Meerapfel. Vizepräsidentin wird die Schriftstellerin Kathrin Röggla.

Von Jens Bisky

Die Künste soll sie fördern und "die Sache der Kunst in der Gesellschaft" vertreten; das erwartet der Gesetzgeber von der Berliner Akademie der Künste. Seit Samstag hat die Einrichtung zum ersten Mal in ihrer über dreihundertjährigen Geschichte eine Präsidentin. Mit großer Mehrheit wählten die Mitglieder die Regisseurin Jeanine Meerapfel zur Nachfolgerin von Klaus Staeck, der nach neun Jahren im Amt nicht noch einmal kandidieren durfte. Neue Vizepräsidentin wird die österreichische Schriftstellerin Kathrin Röggla, die vor allem mit ihrem Roman aus der Welt der Unternehmensberater "wir schlafen nicht" (2004) bekannt geworden ist.

Wo Kunst und Künstler etwas zu sagen haben zum Zustand der Gesellschaft, wolle die Akademie weiterhin ihre Stimme erheben, sagte die 71-jährige Deutsch-Argentinierin Meerapfel am Sonntag in einem ersten Pressegespräch. Kunst und politischer Raum wie das kulturelle Gedächtnis sind ihr als Themen wichtig. Es wird also mit der neuen Präsidentin keinen Bruch geben. Die Akademie sei in einem sehr guten Zustande, die "wunderbare Arbeit" der letzten neun Jahre gelte es fortzuführen. Am Herzen liegt ihr die Internationalität der Künstlergesellschaft mit ihren rund 400 Mitgliedern. Für Verfolgte und Unbekannte will man sich einsetzen. "Politik der Kunst - Über Möglichkeiten, das Ästhetische politisch zu denken" heißt ein Akademie-Symposium, das am 11. Juni beginnen wird; geplant sind etwa Architekturgespräche zur "Demokratisierung des öffentlichen Raums", eine Ausstellung über "Vilém Flusser und die Künste" und ein deutsch-israelischer Dramatikerdialog. Es bleibt bei den bewährten Formaten des Einspruch-Formulierens.

Die Akademie lebt von interdisziplinären Positionen

Gewählt wurden auch neue Direktoren für die einzelnen Sektionen: Wulf Herzogenrath und Birgit Hein für die bildende Kunst, Michael Bräuer und Wilfried Wang für die Baukunst, Manos Tsangaris und Enno Poppe für die Sektion Musik, Rosa von Praunheim und Jutta Brückner für Film- und Medienkunst, Ulrich Peltzer und Kerstin Hensel für Literatur.

Als Künstlerin sei sie, so die 43 Jahre alte Schriftstellerin und Theaterautorin Röggla, ein "bisschen wie ein Vampir": Sie lebe von anderen künstlerischen Positionen, brauche das Medienüberschreitende. Gerade diese interdisziplinären Möglichkeiten biete die Akademie.

Begrüßt wurde die Wahl einer weiblichen Doppelspitze: ein "Meilenstein" , sagte Monika Grütters, die Kulturstaatsministerin. Ein "wichtiges Signal" für die Kulturhauptstadt Berlin, so Michael Müller, der Regierende Bürgermeister.

© SZ vom 01.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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