Berlinale-Nachwuchspreis:Shootingstar aus dem Trachtenverein

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Ein junger Blasmusikant aus Riedering brilliert in Rio de Janeiro als "Boandlkramer" und als jüngster Tatort-Kommissar Deutschlands in Saarbrücken: Jetzt erhält Maximilian Brückner bei der Berlinale den Schauspieler-Nachwuchspreis.

Julius Müller-Meiningen

Den Zuckerhut in Rio de Janeiro ist Maximilian Brückner in der Lederhose hinaufgeklettert. Es war November, und weil es da in Brasilien warm ist, waren der Maxi, der Seppi und der Niki schon in der Früh beim Wellenreiten an der Copacabana und später sind sie auf den Berg hinaufgestiegen.

(Foto: Foto: Julius Müller-Meinigen)

Oben - prächtige Aussicht - kam dann der Anruf seiner Agentur: "Maxi, du bist der Berlinale-Shootingstar!" Maximilian Brückner hat es erst nicht glauben können, dann ist er wieder runter vom Zuckerhut und heute sitzt er in einem Dorf im Chiemgau und spielt mit seinen Freunden Blasmusik.

Zuckerhut, Lederhose, Shootingstar und Tuba. Will man das öffentlich wahrgenommene Leben des Schauspielers Maximilian Brückner, gerade 28 Jahre alt geworden, in vier Worte fassen, sind es diese. Sie sind zugleich auch sein Problem.

Das Problem besteht darin, dass sich Brückner dem bayerischen Brauchtum sehr verbunden fühlt und sich darüber viele Menschen wundern. Weil er gerade ein bekannter Schauspieler wird, der in Kinofilmen wie "Sophie Scholl", "Wer früher stirbt, ist länger tot" und "Schwere Jungs" sowie als neuer Saarbrücker "Tatort"-Kommissar Franz Kappl Aufsehen erregt, hat eine Jury der Berliner Filmfestspiele Brückner zum deutschen "Shootingstar 2007" gewählt.

In der Schauspiel-Oberliga

Den Preis bekamen vor ihm schon Schauspieler wie Franka Potente, Jürgen Vogel und der James-Bond-Darsteller Daniel Craig. Am kommenden Montag wird Brückner den Preis in Berlin erhalten.

Ein Shootingstar in Lederhose? Maximilian Brückner selbst findet es kurios. Aber dann, als ob er sich verteidigen müsste, überlegt er sich Sätze wie die folgenden: "Ist doch ganz normal, dass ich hier draußen wohn'. Du tust dir ja auch Zahnpasta auf deine Zahnbürste."

Hier draußen, das ist Baierbach bei Riedering bei Rosenheim. Seit er ein Kind ist und seine Eltern von München in den Chiemgau zogen, lebt Brückner hier. Sieben Geschwister hat er noch und mit zwei Brüdern bewohnt er den ersten Stock eines alten Bauernhauses.

Es ist Sonntagfrüh und weil die Verabredung mit ihm vage ist und auf seinem Handy niemand antwortet, fragt man in dem noch schlaftrunkenen 5600-Einwohner-Dorf Riedering beim Gasthof "Alter Wirt" nach und wird von dort weiter zum Huagl Sepp am Salinweg geleitet.

Da kommen aus dem Bauernhof zwei junge Männer in Lederhosen und eine junge Frau im Janker, in den Händen Notenständer und Blasinstrumente. "Der Maxi? - Wart, mir fahrn di hi!"

Dann stellt sich heraus, dass einer der Burschen der Seppi vom Zuckerhut ist und dass es sich bei den Herren um zwei der zehn Engel handelt, die als "Junge Riederinger Musikanten" bei der Inszenierung des "Brandner Kaspar" im Münchner Volkstheater dem Boandlkramer den Marsch blasen. Den Boandlkramer spielt der Maxi bravourös, nicht zuletzt deswegen haben sie den "Brandner Kaspar" im vergangenen Herbst bis nach Rio exportiert.

Am Bauernhof in Baierbach macht dann ein paar Minuten später nicht das zottelige Rumpelstilzchen aus der Christian-Stückl-Inszenierung die Türe auf, sondern ein ausgeschlafener und freundlicher Bajuware. "Griaß di!", hallt es in die sonnige Baierbacher Sonntagsidylle hinaus.

Konzentrierte Blasmusik-Session

An Kajaks, Surfbrettern, Skiern und Helmen zum Gleitschirmfliegen vorbei, führt Brückner in die Küche, wo das aus ein paar Freunden und einer Schwester zusammengesetzte Hausmusik-Ensemble probt. "Geigenmusi mit Tuba - sehr untypisch", sagt Brückner. Gegenüber, an seiner Zimmertür hängt die abgewetzte Lederhose vom Zuckerhut und auf dem Kleiderschrank liegen ein paar Trachtenhüte.

Heute trägt Maximilian Brückner eine Baseball-Kappe, T-Shirt und Jeans, den Woll-Janker hat er über den Stuhl gehängt. Er sitzt da am Küchentisch, die Tuba in der Hand und bläst den Rhythmus mit geschlossenen Augen. Eins, zwei, eins, zwei. Jeder Einsatz muss sitzen.

"Drunt' im Wiesental, wo das Bacherl rinnt", singen die anderen vierstimmig dazu. Am Holzgestänge über dem knisternden Kachelofen, schräg gegenüber dem Kreuz im Herrgottswinkel, hängen eine angeschnittene Salami und ein Stück Speck.

"Danke für den Speck, Papa", sagt der Bayer Franz Kappl in der ersten Saarbrücker Tatort-Folge seinem Vater am Telefon. Vielleicht spielt Brückner den Kappl auch deshalb so authentisch, weil er schlicht besser in den Chiemgau als nach Saarbrücken passt.

Aber das wäre dann wieder das Klischee, das Brückner vermeiden will und das er in gewisser Weise doch bedient. "Ich will mich nicht als der Maxi vom Trachtenverein verkaufen", sagt er. Er ist aber der Maxi vom Trachtenverein, und dass er den Zuckerhut in Lederhose bestiegen hat, hätte er ja nicht erwähnen müssen.

Distanz zum Dialekt

Mit fünf Jahren haben die Eltern Maximilian in den Riederinger Trachtenverein gesteckt, und beim Dirndldrehen und Schuhplattln ging alles los. Hier hat er seine Freunde kennen gelernt und bald gründete der Huagl Sepp die "Jungen Riederinger Musikanten", bei denen Brückner jetzt nur noch selten mitspielen kann, weil er oft unterwegs ist.

Das Hirtenspiel, das die Riederinger als Kinder in ganz Süddeutschland aufführten, verhalf ihm dann sogar zu seinem Beruf. In breitem Dialekt trug er den Eingangsmonolog bei der Aufnahmeprüfung an der Otto-Falckenberg-Schule vor, an der er dann bis 2003 seine Bühnenausbildung erhielt.

Dass die bei seinem Auftritt zusehenden Schauspielschüler sich vor Lachen nicht mehr halten konnten, hat ihn wütend gemacht und nur noch mehr angestachelt. Dann mussten auch die Lehrer lachen und Brückner war richtig sauer.

Aber sie haben ihn genommen. Den Dialekt hat Brückner beruflich dann erst einmal auf Distanz gehalten, weil er nicht als Provinzmime festgelegt werden wollte. "Erst Hochdeutsch, dann Bairisch", lautete sein Plan, der offensichtlich funktioniert.

In Baierbach will er bleiben. "Da draußen", sagt er, und weist zum Küchenfenster hinaus in Richtung Simssee, "das ist einfach der schönste Flecken in Deutschland". Man sieht es an seinem Lachen, dass es ihm hier gefällt. Wenn das Handy von Maximilian Brückner klingelt, ertönt fröhliche bayerische Blasmusik.

© SZ vom 6.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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