Benicio del Toro in: Che - Revolución:Ideen gegen Armeen

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Keine Pop-Schablone für T-Shirts und Poster: Steven Soderberghs Kinoproduktion "Che - Revolución" will den ewigen Revolutionär zeigen, wie er wirklich war.

Susan Vahabzadeh

Die Figur des Che ist nicht nur ein romantischer Mythos und schon gar keine Popschablone für T-Shirts und Poster. Steven Soderberghs Film über Ernesto "Che" Guevara vergegenwärtigt einem das ein weiteres Mal. Ein Riesending ist "Che" geworden, im Ganzen 258 Minuten lang, so dass er in zwei Teilen in die Kinos kommt. In Cannes wurde er letztes Jahr uraufgeführt, was zu Kontroversen über Machart und Inhalt führte. Überfordert der Film sein Publikum, ist er Guevara zu nah? Man muss darauf antworten: Er fordert sein Publikum, und er ist Guevara so nah, wie es diese Geschichte erfordert.

Intermezzo der Macht: Benicio del Toro als Che Guevara bei seiner berühmten Rede vor den Vereinten Nationen in New York. (Foto: Foto: ddp)

"Che" ist ein tollkühner filmischer Stunt, Kriegsfilm und Essay gleichermaßen, ein Versuch, Besessenheit in Bildern sichtbar und spürbar zu machen. Es steckt ein politisches Bekenntnis darin - nicht zum Kuba-Kommunismus, aber zum unerschütterlichen Glauben an Inhalte und zur Idee einer Revolution. Soderberghs Che ist keine Lichtgestalt; aber er kämpft nicht für sich selbst, handelt nie aus Profitgier. Damit macht Soderbergh ihn zur Antithese zur Führungskaste, die die USA acht Jahre lang im Griff hatte.

Benicio Del Toro spielt Che Guevara, ist dafür in Cannes als bester Darsteller ausgezeichnet worden, hat in Spanien einen Goya bekommen. Er hat sich, über Jahre, in diese Rolle regelrecht hineingesteigert, produzierte den Film schließlich mit. Das Projekt hatte eine bewegte Vorgeschichte, ging durch verschiedene Drehbuchphasen - ursprünglich wollte Terrence Malick den Film machen, sich nur auf den Guerilla-Einsatz in Bolivien konzentrieren. Dann übernahm Soderbergh, und parallel entstand noch ein Film über Guevaras frühe Jahre, "The Motorcycle Diaries". Soderbergh entschied sich für eine Zweiteilung seines Films, in "Che - Revolución" und "Che - Guerrilla" (der am 23. Juli in die deutschen Kinos kommt).

Eine absolut sinnvolle Teilung, es sind tatsächlich zwei Filme daraus geworden, mit ganz unterschiedlicher Dynamik und Ästhetik: Erstens ein Mosaikstück zur Revolution in Kuba, dann, nach einem Zeitsprung, ein sehr stickiger Dschungel-Kampf in Bolivien, als Guevara, bis zu seinem Tod, mit ein paar Mann versuchte, auch dort eine Revolution zu entfachen. Die Teile gehören dennoch zusammen, bedingen einander - es ist fraglich, ob man mit dem emotionalen zweiten Teil viel anfangen kann ohne den ersten. Sie bilden eine helle und eine dunkle Erfahrung - einmal ein Siegeszug, voller Energie, dann das Scheitern, ein verzweifelter Leerlauf. Dass hier vieles fehlt, an historischen Fakten, Amouren und persönlichen Auseinandersetzungen, ist Teil des Plans.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, was den Film von einer klassischen Biografie unterscheidet.

Peter Buchman hat das Drehbuch geschrieben, nach den Tagebüchern des Arztes und Kämpfers Guevara. "Revolución" enthält eine schwarz-weiße nachrevolutionäre Ebene, der Comandante in seinem Haus in Havanna, bei den Vorbereitungen für seine Reise nach New York, ein Fernsehinterview in den USA vor dem Auftritt vor den Vereinten Nationen. In Rückblenden sieht man dann die verschiedenen Etappen der Revolution, von der Mini-Truppe im Exil bis zum Volkssturm in der Sierra Maestra. Ein Geflecht aus Zeitebenen und Filmmaterialien, verwoben mit einer Kunstfertigkeit, die Soderbergh seit "Traffic" perfektioniert. Was dabei herauskommt, ist keine klassische Biographie - wir treffen Ches zweite Frau Aleida, aber keiner sagt uns, dass er sie heiraten wird; wir sehen ihn die Revolution diskutieren, aber nicht, wie er zum Revolutionär wurde. Es geht hier nicht um historische Eckdaten und einfache Erklärungsversuche, es ist, formal und inhaltlich, ein Experiment der Annäherung: Wie viele Augenblicke ergeben das Bild eines Menschen?

Bolivien
:Wandern auf den Spuren von Che Guevara

Ruta del Che: Auf einem Wanderweg durch die bolivianischen Anden können Touristen die letzten Wochen des Revolutionsführers nachvollziehen.

In Bildern.

Schwer zu sagen, ob der Soderbergh-Che nun der einzig wahre ist. Er ist jedenfalls sehr nah an dem Bild, das Jon Lee Anderson entworfen hat in seiner 1997 erschienenen Biographie "Che" (deutsche TB-Ausgabe bei Econ) - näher als Walter Salles mit seinen "Motorcycle Diaries" beispielsweise. Andersons 700-seitiges Mammutwerk, spannend wie ein Krimi und rührend wie ein Melodram, ist tatsächlich der Maßstab - jahrelange Recherchen stecken darin, die sogar halfen, dreißig Jahre nach seinem Tod endlich Guevaras Leiche zu finden. Auf diesem Buch sollte der Film auch einmal basieren, Soderbergh hat sich Anderson dann als Berater geholt.

Das Ganze ist trotzdem keine Idealisierung des Idealisten Ernesto Che Guevara. Nicht das Buch und schon gar nicht Soderberghs Film. Ausgerechnet den großen Moment, den Auftritt vor den Vereinten Nationen in New York, hat Soderbergh mit Verurteilung und Hinrichtung zweier verräterischer Revolutionäre unterschnitten. Che wird hier nicht festgelegt, nicht auf die Rolle des Heiligen, nicht auf die des Terroristen. Er ist, was er ist. Was das bedeutet, muss jeder selbst entscheiden.

Revolution der Ideen

Was für ein beschwerlicher Weg. Der Film dauert schon deswegen so lang, weil man von einer solchen Bürde - Guevara, Asthmatiker, ist dauernd krank oder verletzt oder beides - gar nicht kurz erzählen kann. Was das sein mag, wollte Soderbergh wissen, was die Menschen diesem Mann in Scharen folgen ließ, selbst wenn es ihr Leben kostete. Zwei Jungs von einem Bauernhof, die sich unbewaffnet Castro anschließen wollen, schickt Guevara einmal weg. Sie hocken sich in den Schlamm und sagen: Lieber wollen wir sterben. Solche Szenen muss man für Guevara nicht erfinden, dem Mann sind nur ein paar Jahre später ein paar Gläubige in den bolivianischen Dschungel gefolgt, auf eine suizidale Mission.

Che Guevara hatte, das ist in Andersons Beschreibung eine ganz wichtige Charaktereigenschaft, eine echte Konsequenz-Macke, er neigte zu einem an Besessenheit grenzenden Dogmatismus. Das war es wohl, was ihn daran hinderte, die Macht zu genießen und ein beschauliches Leben in Kuba zu verbringen, als Fidel Castros verehrter Weggefährte. Es hat ihm vieles nicht gefallen an dem jungen neuen Staat; und die Art von kompromisslosem Idealismus, wie sie Che vorschwebte, ließ sich besser mit einer kleinen Gruppe von Kämpfern im Dschungel durchhalten als in einer sich entwickelnden Gesellschaft. Bei Anderson steht auch die Geschichte, wie Castro, als Guevara noch in Havanna war, an italienische Schuhe kam und Ches Frau Aleida ein Paar schickte. Unstatthafter Luxus, sie musste sie zurückgeben.

Ein Experiment ist dieser Film, und doch auch immer wieder Hollywood - manchmal hat "Revolución" die Züge eines modernen Actionfilms, in anderen Augenblicken scheint der Western durch - wenn beispielsweise die Revolutionäre bei Santa Clara einen Zug kapern, der voller Soldaten und Waffen ist... Dieser Pioniergeist passt natürlich gut zu diesem Abenteuer, zu dieser Geschichte der Eroberung, zu diesen Männern, die nichts haben und wild entschlossen sind, daraus etwas zu machen. Ein Film im Geiste eines Mannes, der überzeugt war, dass man mit einer Idee eine Armee besiegen kann, wenn man nur fest genug an sie glaubt. Einen Teil von sich selbst hat Soderbergh sicher in ihm wiedergefunden: Die Sturheit, die Gewissheit, dass es Momente für Kompromisse gibt - und solche, in der Politik wie im Kino, in denen man einfach sein Ding durchziehen muss. Koste es, was es wolle.

CHE - PART ONE, USA/F/Spanien 2008 - Regie: Steven Soderbergh. Buch: Peter Buchman. Kamera: Peter Andrews. Schnitt: Pablo Zummáraga. Mit: Benico Del Toro, Rodrigo Santoro, Demián Bechir. Central Film, 131 Minuten.

© SZ vom 9.6.2009/bey - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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