Barbara Clear im Alleingang:Schon wieder eine Halle voll

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Man mag es kaum glauben, aber das Konzept geht auf. Kein Marketing, keine Werbung, alles Eigeninitiative. Und doch kommen große Scharen an Fans zu den Konzerten des Folk-Stars. Die nächsten Hallen warten schon.

Joseph von Westphalen

Im April 2004 hat sich Barbara Clear in die Geschichte der Popmusik eingeschrieben. Die Sängerin aus Passau mit der Powerstimme war bis dahin erfolgreich, aber eher unauffällig durch die Republik getourt. Der Beifall von Hunderten von Zuhörern in der Provinz hatte sie dann auf die kühne Idee gebracht, auch einmal vor Tausenden aufzutreten. Sie riskierte es, ohne Plattenfirma, ohne Konzertveranstalter, die Münchner Olympiahalle zu mieten - und siehe, es war ausverkauft.

Virtuoser Country-Star mit Erfolgskonzept: Ohne Werbung und Marketing füllt Barbara Clear große Hallen wie die Olympiahalle. (Foto: Foto: SZ)

Dieser Erfolg hat sie bekannt und stolz gemacht und beflügelt, und wenn die Popkritiker ihr bislang nicht huldigen, dann vielleicht auch, weil ihnen das absolut Selbstgemachte dieses Erfolg unheimlich ist und sie das Publikum nicht einordnen können. Clears Publikum ist erwachsen und nicht hysterisch.

Ein liebenswerter weiblicher Kobold

Man kann es als bodenständig im allerbesten Sinn bezeichnen. Dabei sollte man nicht an die rätselhaften Menschen denken, die in Stadthallen strömen, wenn Thomas Gottschalk seine Wettshow abhält. Clear-Fans sehen aus wie Leute, die einem weiterhelfen, wenn man eine Autopanne hat, mit denen man dabei in ein Gespräch über den Irakeinsatz der Amerikaner kommt, rasch einig ist und dann ein bisschen über Bob Dylan oder einen anderen Heiligen fachsimpelt.

In der ersten Hälfte des Konzerts ist Barbara Clear beim Moderieren zwischen den Songs etwas schamanisch. Man verzeiht es ihr sofort. Im übrigen passt der Märchenton zu ihr. Sie hat etwas von einer gurrenden Fee, und wenn sie loslegt mit ihrer 1000-Volt-Stimme und in die Gitarrensaiten drischt, ist sie eine springende Elfe, ein liebenswerter weiblicher Kobold.

Es gibt zwischendurch auch Ermahnungen: Merkel soll sich ihr Flirten mit Bush gut überlegen. Dazu kommt tatsächlich "Sag mir, wo die Blumen sind". Dabei weiß sie sehr wohl, dass man mit diesem Lied etwas riskiert. Sie habe das singen müssen, auch wenn sie von einigen deswegen als spätberufene Hippietusse empfunden werden dürfte, sagte sie danach. Natürlich sang sie die alte Hymne so, dass man sich über das Ausdermodegeratensein des Pazifismus seine reumütigen Gedanken machte.

Weitere Hallen warten

Die Welt besteht aus Industrie und Medien. Die Riesen haben die Macht, auch in der Musikszene. Barbara Clear ist nicht durchgeknallt, sie hat den Riesen nicht den Kampf angesagt, aber sie will zeigen, dass es auch ohne sie geht. Deswegen hat sie die Tournee nicht ohne Selbstironie "Zwergenaufstand" genannt. Weitere Hallen warten - als nächstes ist Innsbruck dran.

Die Olympiahalle war nicht voll, aber es waren genügend Tausende Getreue gekommen, um die Atmosphäre dicht und feurig werden zu lassen. Mehr als 30 Songs hat sie herausgeschmettert, die eigenen mal deutsch, mal englisch. In beiden Sprachen geht es ganz natürlich hin und her. Ihre eigenen Songs sind zum Teil schön schmissig ("Love is a healer") und haben Witz ("Der Wurm").

Weil aber keine Plattenfirma Clear-CDs in die Radiosendungen drückt, sind diese Melodien nicht wirklich populär und haken sich nicht wiedererkennbar im Gedächtnis fest. Schade. Begeisterung bricht daher vor allem beim Nachspielen von klassischen Rocksongs aus. Mit ihrem mächtig-souligen Folksinger-Organ ist Barbara Clear die ideale Interpretin von Janis Joplin.

Hier gab es keine peinliche Imitation zu sehen und zu hören. Den berühmten Heuler "Smoke On The Water" von Deep Purple habe ich noch nie so leidenschaftlich gehört. Das Original kann man danach getrost vergessen. Wohlgemerkt: Das alles kommt mit nichts als einer robusten akustischen Gitarre.

Man muss ihr viel Glück wünschen. Sie hat eine große Stimme, die in einem großen Raum gut kommt. Ein Opernhaus wäre auch mal nicht schlecht. Wenn sie aufdreht, könnte allerdings der Stuck von der Decke fallen.

© SZ vom 23.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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