Auszeichnung:Literatur in Zeiten der Choleriker

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Der Schriftsteller, Regisseur und Journalist Thomas von Steinaecker, 1977 im oberbayerischen Traunstein geboren, ist mit dem Carl-Amery-Preis ausgezeichnet worden. (Foto: Jürgen Bauer)

Thomas von Steinaecker erhält den Carl-Amery-Preis

Von Sophie Garbe, München

"Das geht runter wie Butter", sagt Thomas von Steinaecker zu Beginn seiner Dankesrede und grinst spitzbübisch. Gemeint ist die überschwängliche Laudatio seines Kollegen und Freundes Fridolin Schley. Anlass für die Huldigung ist die Verleihung des mit 6000 Euro dotierten Carl-Amery-Literaturpreises, der seit 2007 alle zwei Jahre vergeben wird. Nun wurde der Autor und Filmemacher Thomas von Steinaecker, geboren 1977 in Traunstein, für sein Werk ausgezeichnet.

Schley (von Steinaecker liebevoll "Frido" genannt) findet an diesem Nachmittag im Literaturhaus viele Worte, um das Werk seines Kumpanen zu umschreiben und zu loben. Diesem attestiert er eine "wilde inhaltliche Angriffslust", ja sogar "Buchstabengier". Ebenso würdigt er Steinaeckers Mut zum Experiment und nennt das Scheitern als zentrales Moment im Gesamtwerk, vor dessen Hintergrund die Beobachtung menschlicher Realität erst möglich würde. Hier sieht Schley Parallelen zu Carl Amerys Arbeiten, ebenso in der Tatsache, dass sowohl Amery als auch Steinaecker die Erzählform der Dystopie wählen, um die Gegenwart zu hinterfragen.

Eben diese Parallelen waren wohl einer der Gründe für die Auswahl des Preisträgers. In der Begründung der Jury heißt es, Steinaecker verbinde "auf einzigartige Weise die Beobachtung von gesellschaftlicher Gegenwart und das Möglichkeitsdenken der Literatur". Carl Amery engagierte sich zeitlebens in der Politik, war unter anderem Gründungsmitglied der Partei "Die Grünen". Mit dem Preis sollen Autoren geehrt werden, die dieses Engagement auf ihre Weise fortführen. Es ist diese Figur des engagierten Schriftstellers, der Steinaecker in seiner eigenen Rede nachspürt. Auch ihn beschäftigt die Frage, was der gesellschaftspolitische Beitrag eines Autors sein kann - gerade in einer Zeit medialer Fragmentierung und einer cholerisch-hysterischen Diskussionskultur.

Für Thomas von Steinaecker liegt die Antwort offenbar nicht darin, wie ein Günter Grass den eigenen "zweifelhaften" Prominentenstatus für öffentlichen Aktivismus zu nutzen. Stattdessen muss für ihn Literatur auch in gesellschaftlichen Belangen die Waffe des Autors bleiben. "Literatur bietet die Möglichkeit, sich zu verwandeln" und gebe damit die Gelegenheit, sich in Andersdenkende hineinzufühlen. Eben darin liege ihr gesellschaftliches Potenzial.

Das Publikum spendet Thomas von Steinaecker und seiner Rede am Ende viel Beifall. Das mag am Inhalt liegen, vielleicht aber auch an der Dringlichkeit, mit der er über das Verhältnis von Politik und Kunst spricht. Da ist es dem Mann mit dem jungenhaften Charme plötzlich ganz ernst. Oder wie er selbst es in einem offenen Briefformulierte: "Ich will nicht als Schriftsteller vor einer Wirklichkeit kapitulieren, in der wir letztlich alle ein herrlich saturiertes Leben führen."

© SZ vom 11.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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