Ausstellung und Filmretrospektive:Brennende Fantasien

Lesezeit: 3 min

Eine Ausstellung in der Galerie Pfefferle und eine Retrospektive im Filmmuseum erhellen die düsteren Welten des Malers und Regisseurs David Lynch

Von Evelyn Vogel

Nein, das Mittagessen ist keinem Gast im Halse stecken geblieben. Dazu ist der Galerist Karl Pfefferle auch ein viel zu charmanter Gastgeber. Aber anlässlich der Ausstellungseröffnung von "Smiling Jack" inmitten David Lynchs bedrohlichem Kosmos voller angedeuteter Angstfantasien zu speisen, entbehrte nicht eines gewissen Nervenkitzels. Jedenfalls dann nicht, wenn man sensibel genug ist, tief in die Sujets einzutauchen, die der Regisseur und Maler so unvergleichlich auf Film- und Fotomaterial wie auf Leinwand und Papier zu bringen versteht.

David Lynchs Name ist unweigerlich mit Filmen wie "Blue Velvet", "Eraserhead" oder "Mulholland Drive" sowie der Neunzigerjahre-Fernsehserie "Twin Peaks" verbunden. Allesamt filmische Inszenierungen von albtraumhaftem Charakter, die man nicht vergessen kann. Auch deshalb, weil sie sich gängigen Mustern, vom Mainstream bis Arthouse, verweigern. Dennoch ist jeder Film - das ist ein Teil der Kunst des Regisseurs - als ein Werk David Lynchs erkennbar. Der Filmkritiker Georg Seeßlen schreibt aus Anlass der Retrospektive, die das Münchner Filmmuseum derzeit zeigt: "Das Kunststück von David Lynch besteht in einer Verbindung von Kunst und Film, die eindeutig von der Seite der Kunst her passiert. Hier hat die Kunst sich nicht ins Kino geschlichen, hier hat die Kunst das Kino gekapert."

"Smiling Jack" ist in etwa so lustig anzusehen wie der Joker in den "Batman"-Filmen

Hat sie das? In jedem Fall ist die Verbindung enorm eng. Denn Lynch, 1946 in Montana geboren, studierte zunächst Malerei an der Kunstakademie in Philadelphia, schuf schon in den Sechzigerjahren düster-dunkle Gemälde, bevor er zum Film fand. Bereits damals drang er in verborgene Innenwelten von Milieus und Menschen ein, überschritt die Grenzen zwischen Traum und Realität. Seine ersten filmischen Inszenierungen waren die Fortsetzung seiner Malerei mit erweiterten Mitteln. Denn was Lynch schon früh fehlte beim Malen, wie er später selbst sagte, waren Ton und Bewegung.

Düstere Kindheitserinnerung? David Lynchs "All I Want for Christmas is my Two Front Teeth". (Foto: Robert Wedemeyer)

Dennoch hat David Lynch nie vom Malen gelassen. Nachdem der Münchner Galerist Karl Pfefferle Lynch 2007 während einer Parisreise kennengelernt hatte, präsentierte er 2009 seine erste Ausstellung in München, zu der Lynch auch anreiste. Nun widmet Pfefferle ihm eine weitere Schau. Zu sehen sind Zeichnungen, Gemälde und Fotografien - letztere zum Teil ästhetisch nah an seinen Filmen, aber auch Digigrafien, die die ungebrochene Experimentierlust des mittlerweile 71-Jährigen zeigen.

Am spannendsten in der Ausstellung aber sind die Papierarbeiten - unter ihnen auch das titelgebende Aquarell "Smiling Jack", das in etwa so lustig anzusehen ist wie der Joker in den "Batman"-Filmen. Die mitunter wie Holzschnitte wirkenden Mischtechniken sind oft durch versatzstückartige Wortfetzen gekennzeichnet. Und immer wieder tauchen Motive auf, die Trauma-Erfahrungen widerzuspiegeln scheinen: Bäume in Flammen, ein Haus, an dem Flammen lechzen, ein Kopf, aus dem Flammen zu schlagen scheinen. Pure Albtraumfantasien aus einem Paralleluniversum. Wälder, das weiß man, spielten in Lynchs Jugend eine große Rolle. Sein Vater, ein Agrarwissenschaftler, machte häufig Experimente an Bäumen, um Baumkrankheiten zu erforschen. Die Erinnerung an diese verletzten Riesen müssen sich tief in sein Gedächtnis eingebrannt haben. Oft setzt er sie grau in grau um oder mit ein bisschen Sepiafarben und Gelb. Bei den Gemälden wird es noch düsterer, die Materialeinträge verleihen den Arbeiten zudem eine Körperlichkeit, die das Bewegungsmoment im Bild evozieren, das Lynch in der Malerei einst so vermisst hat.

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Im vergangenen Jahr kam der Dokumentarfilm "The Art Life" über David Lynch heraus und wurde bei der Film-Biennale in Venedig präsentiert. In diesem Jahr war er auf dem Filmfest in München zu sehen. Nun wird er im Filmmuseum im Rahmen der Retrospektive gezeigt, wo Karl Pfefferle auch eine Einführung halten wird. Wer Lynchs Kunst - die gemalte wie die gefilmte - besser verstehen will, sollte sich den Film nicht entgehen lassen. Lynch spricht darin über seine Kindheit und Jugend - ein Leben zwischen Idylle, Düsternis und Ängsten.

David Lynch: Smiling Jack , Galerie Karl Pfefferle, Reichenbachstraße 47-49 RGB, bis zum 4. November, Di. bis Fr. 13 bis 18 Uhr, Sa. 12 bis 16 Uhr; David Lynch: The Art Life , Donnerstag, 14. September, 19 Uhr, Filmmuseum, Sankt-Jakobs-Platz 1; David-Lynch-Retrospektive , noch bis zum 18. Oktober, Filmmuseum, Programm unter www.muenchner-stadtmuseum.de/filme.html

© SZ vom 13.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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