Art Directors Club:Nicole Kidman im Opel Vectra? Geht nicht.

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Warenästhetik: Eine Ausstellung im Berliner Kunstgewerbemuseum zeigt die beste Werbung der letzten vierzig Jahre

Von Tobias TImm

Der Preis ist ein Nagel. Zwar ein goldener und nicht ganz kleiner Nagel, aber doch nur ein Nagel. Mit ihm zeichnet der Art Directors Club in Deutschland alljährlich die bestgestaltete Werbung aus. Mit dem Nagel können sich die Gewinner dann ihre Urkunde an die Wand schlagen.

Die kennt man ja - diese lila Kuh ist auf einer Werbeanzeige aus dem Jahr 1973 zu sehen. (Foto: Foto: AP)

Seit 40 Jahren verleiht der Art Directors Club (ADC) diesen Preis, und aus Anlass des Jubiläums kann man nun in einer Ausstellung im Berliner Kunstgewerbemuseum ausgewählte Sieger-Entwürfe begutachten.

Dabei kann man sich auch reichlich Gedanken darüber machen, was uns die Werbung über die Zeit und die Gesellschaft erzählt, in der sie entstand.

Aus dem ersten Jahr der Preisverleihung, 1965, fällt einem sogleich die Opel-Werbung für die Modelle "Kapitän","Admiral" und "Diplomat" auf.

Damals steckte Opel in keiner Krise, und ein Grund dafür dürfte sein, dass die Autos noch wie amerikanische Straßenkreuzer aussahen. Auf der Anzeige winkt eine Dame, die stark an Audrey Hepburn erinnert, mit langen schwarzen Handschuhen aus dem Fond eines "Kapitäns".

Dort ist sie bei weitem nicht so deplatziert, wie es Nicole Kidman heute in einem Opel Vectra wäre.

Traut nie einem Foto allein

Ganz allein auf Fotos vertraute man damals in den Sechzigern noch nicht, zu den Anzeigen gehörten oft lange Texte. Etwa über die Damenbinden von Mimosept.

Hier wird ausführlich aufgeklärt und auch mal ein halbverklemmtes Witzchen gerissen - das Ganze ist umfangreicher als ein längerer Focus-Artikel.

Wie eine Gebrauchsanweisung kommt auch die Werbung für den klaren Korn mit dem schönen Namen "Schinkenhäger" daher: Obwohl 1969 entworfen, erinnert diese Anzeige mit ausführlichen Partytipps für einen Sol-Eier-Abend - "Für Ihre Gäste das Beste" - an die spießigsten Auswüchse muffiger Geselligkeit in den fünfziger Jahren.

Avantgardistisch hingegen die Arbeiten von Willy Fleckhaus, der gleich mehrfach für seine Arbeit am Magazin Twen, 1965 aber auch für die Gestaltung der Edition Suhrkamp prämiert wurde.

Pilzkopfschachtel: Gewinner aus dem Jahre 1967 (Foto: Foto: AP)

Der grüne Buchrücken von Wolfgang Fritz Haugs "Kritik der Warenästhetik", 1971 erschienen, gehört zu diesem Suhrkamp-Regenbogen. Dem Design komme im Kapitalismus eine Funktion zu, schreibt Haug dort, die sich mit der Funktion des Roten Kreuzes im Krieg vergleichen ließe: "Es pflegt einige wenige - niemals die schlimmsten - Wunden, die der Kapitalismus schlägt."

Politische Plakate wurden vom ADC fast nie prämiert, zu den wenigen Ausnahmen gehört ein Abrüstungsplakat der SPD von 1984: Ein Sackgasse-Schild, auf dem der weiße, die Straße symbolisierende Balken durch eine Rakete ersetzt wurde.

Und dann ist da auch noch das DB-Plakat, auf dem ein Zug durch eine Winterlandschaft fährt: "Alle reden vom Wetter. Wir nicht." In einem Vorgriff auf das Spiel, auf das sich heute die Anti-Kommerz-Guerilleros um das Magazin Adbuster spezialisiert haben, übernahm der SDS 1968 einfach den Wetter-Spruch und ersetzte den Zug durch die Köpfe von Marx, Engels und Lenin.

"Die meisten Frauen haben mehr Brüste als BHs"

Das SDS-Plakat befindet sich heute in der Sammlung des Deutschen Historischen Museums. Anfang der siebziger Jahre werden die Anzeigen deutlich frecher, mit einem entblößten Busen wirbt 1972 die Marke "Exquisite Form" für ihre Unterwäsche: "Die meisten Frauen haben mehr Brüste als BHs".

Aus demselben Jahr stammt auch die Werbung eines Reifenherstellers: Bremsspuren auf einer nassen Straße, sie enden an einer durchbrochenen Leitplanke und führen dann ins Nichts: "Die Leute, die bei Regen die falschen Reifen fahren, werden immer weniger."

Langweilig dagegen das Jahr 1978. Was war da los? Der Burda Verlag wirbt für eine Teenagerzeitschrift mit einer Zeile, die wohl an die unter Präpubertierenden beliebte Kulturtechnik der Anti-Witze anknüpfen soll: "Wer Rocky nicht kennt, der pennt."

Lustig gemeint auch die Anzeigen-Kampagne der Zeitschrift Konkret von 1982: Auf roten Seiten stehen fett gedruckte Zitate des damaligen Chefredakteurs Manfred Bissinger: "Für Rechte habe ich rechte Anzeigenseiten, für Linke linke, für die Ausgewogenheit im Heft Doppelseiten."

Ausgedacht hatte sich das Michael Schirner, der meistprämierte unter den deutschen Gestaltern. Etwas übermütig hatte Schirner, der auch "Zimbo ist keine Sexualpraktik, sondern Wurst" textete, in den Achtzigern behauptet, dass Werbung Kunst sei.

Gebt Anti-Witzen eine Chance

Außer Werbung ehrte der ADC auch alljährlich die Gestaltung von Printmedien. Traurig stimmt, dass der Großteil der prämierten Zeitschriften heute nicht mehr existiert: Twen, Transatlantik, Tempo, das Zeit- und das FAZ-Magazin, Woche und Jetzt. Das mehrfach ausgezeichnete SZ-Magazin gehört zu den wenigen Überlebenden.

Einen kulturgeschichtlich repräsentativen Blick auf deutsche Werbung bietet die Schau nicht, denn sie verschont den Besucher vor der breiten Masse an schlechter Werbung, der man tagtäglich ausgesetzt ist.

Gezeigt wird das Beste vom Besten, doch leider sind viele der historischen Entwürfe nur als - zum Teil schlechte - Reproduktionen auf ärmlichen Pappen zu sehen.

Der Werbebranche ging es in den letzten Jahren wirtschaftlich so gut wie dem Opel-Konzern heute. Ideen, so scheint es, sind nicht nur das wichtigste, sondern derzeit auch das einzige Kapital der Branche.

Bis 9. Januar 2005. Der Katalog kostet - trotz zahlreicher Anzeigen - 69 Euro.

© SZ vom 26.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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