ARD probt "Fernsehen auf Abruf":Eine schwere Geburt

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Die ARD Mediathek steht online - allerdings zunächst in einer seltsamen Testphase und in bescheidener Qualität: Das "Fernsehen auf Abruf" bekommt die Konkurrenz vorläufig besser hin.

Simon Feldmer

Zur Internationalen Funkausstellung in Berlin im Sommer des vergangenen Jahres wurde sie in einer ersten Betaversion vorgestellt. Über sieben Monate haben die vielen Verantwortlichen der föderal organisierten Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) nun noch gebraucht, um am vergangenen Samstag zumindest mal eine erste Testversion ihres neuen Abruf-Fernsehens ins Netz zu stellen.

Man muss es so sagen: Die ARD Mediathek war eine schwere Geburt. Und wie es aussieht, wird das in der Eigenwerbung so genannte "Wunschprogramm zum Mitnehmen" auch keine leichte Kindheit haben.

Dann, wenn der Zuschauer klickt

Als letzter großer Senderverbund strahlt nun also auch die ARD einen Teil ihrer Programme - Hörfunk und TV - meist zeitversetzt, selten als Livestream im Internet aus. "Mediathek" nennen die Öffentlich-Rechtlichen ihre Online-Portale, die im Internet klassisches Fernsehen bieten sollen - und zwar dann, wenn der Zuschauer es anklickt.

Auch die privaten Sendergruppen RTL oder Pro Sieben Sat 1 forcieren das Abruf-Fernsehen, stellen Quotenträchtiges wie Deutschland sucht den Superstar, Germany's next Topmodel oder Formel 1-Rennen auf ihre jeweiligen Onlineseiten.

Allen Sendern ist dabei eines gemein: Das traditionelle Medium Fernsehen will im Internet junge Zielgruppen an sich binden, die für das klassische Fernsehen verloren gehen.

Bindungsinstrument für Jüngere

"Das Internet ist ein junges Medium mit überwiegend jüngeren Nutzern", sagt auch ARD-Programmdirektor Günter Struve. Natürlich sei es das Ziel, mit der Programmbegleitung im Internet die Jüngeren besser zu bedienen und stärker an das Medium Fernsehen zu binden.

Die ZDF-Mediathek, seit 2005 online, wächst. An die 50 Prozent des Programms, rechnet man im ZDF vor, sei mittlerweile eingestellt. Zwischen 8,5 und neun Millionen Sichtungen zählen die ZDF-Online-Verantwortlichen mittlerweile im Monat.

Auch die Abrufzahlen der Privaten steigen. Die Mediathek lade zum Stöbern in ARD-Programmen ein, meint ARD-Manager Struve. So richtig einladend ist die Variante der ARD aber nicht geworden.

Technische Probleme

Es könnten vor allem technische Probleme gewesen sein, die den Start des Abruf-Fernsehens der ARD verzögerten. So soll es zunächst angeblich nicht gelungen sein, die einzelnen Programminhalte der neun Landes-Rundfunkanstalten, die ja Teile ihres Programms bereits seit längerem online zur Verfügung stellen, ruckelfrei in einem neuen Portal zu bündeln.

In der ARD verweist man darauf, dass es der "Drei-Stufen-Test" gewesen sei, der den Start der Mediathek verzögert habe. Mit dem sogenannten "Drei-Stufen-Test" versuchen die Öffentlich-Rechtlichen, ihre umstrittene, mit Gebührengeldern finanzierte Online-Expansion abzusichern.

In einem komplizierten Verfahren soll nachgewiesen werden, dass "neue oder grundlegend veränderte digitale Angebote einen Mehrwert für die Gesellschaft im Sinne des öffentlich-rechtlichen Auftrags bringen". Eine Frage, die auch in einem "Zehn-Stufen-Test" oft schwer zu beantworten wäre.

Aktuell arbeiten die Vertreter der Rundfunkkommission der Länder den 12. Rundfunkstaatsvertrag aus. Um seinen Inhalt, besonders um das, was gebührenfinanziertes Fernsehen im Internet künftig darf oder nicht, wird gestritten.

Bis späten Nachmittag tut sich nichts

An diesem Dienstag sollte die vorläufige Endfassung der ARD Mediathek mit verbesserter Navigation online gehen. Bis zum späten Nachmittag tat sich: nichts. Ob es eine gute Idee war, zuerst ein paar Tage auf eine Testversion zu setzen? In der ARD verweist man darauf, dass der Test "aus Sicherheitsgründen" notwendig gewesen sei. Außerdem habe man so die Nutzer bitten können, sich mit Anregungen und Vorschlägen einzubringen.

Da dürfte einiges eingegangen sein. Am Pfingstwochenende war die ARD Mediathek nur ein schwer zu durchschauender Wust aus Clips, Videos, Podcasts und TV-Schnipseln.

Ob die Suche nach Programminhalten nach dem Abschalten der Testversion leichter wird? Baustellen gibt es viele: Eine große Zahl der Sendungen ist nur in Schnipseln verfügbar, die Politmagazine der ARD sind es oft nur in Auszügen, vieles gar nicht.

Eigenproduzierte Filme oder den ARD-"Tatort" sucht man vergeblich. Die Ausstrahlung fiktionaler Inhalte scheitert bisher an rechtlichen Fragen. "Hier laufen noch Klärungsprozesse", sagt ARD-Online-Koordinatorin Heidi Schmidt.

Sendung vom 30.4.

Auch zum Thema Aktualität besteht Klärungsbedarf: Wer Dienstagmittag Frank Plasbergs Talkshow Hart aber fair suchte, bekam als ersten Treffer einen Ausschnitt der Sendung vom 30.4. Die Beckmann-Ausgabe vom Montag, in der Schauspieler Götz George über seinen nahenden 70. Geburtstag sprach, war ebenfalls nicht auffindbar.

Wer allerdings noch mal die gesammelten Interviews mit Spielern- und Präsidenten der Ersten und Zweiten Fußball-Bundesliga aus den Sportsendungen der Regionalprogramme vom Wochenende anschauen möchte, der wird bei der ARD Mediathek, darin eine Art Panini-Fernsehen, bestens bedient.

Auf den ersten Blick ist die ARD Mediathek umfangreich, sucht man konkret nach Inhalten, die man im Fernsehen verpasst hat, wird man enttäuscht werden.

Das ZDF hat es seit dem Relaunch ihrer Mediathek im Herbst 2007 geschafft, einen Großteil der Formate in einem fernsehbildvergleichbaren Vollbildmodus auf der Webseite anzubieten.

Auf der ARD Mediathek ( mediathek.daserste.de) ist der Vollbildmodus, sofern es ihn gibt, in schlechterer Qualität verfügbar, und insgesamt kommt sie daher wie eine neu programmierte Webseite mit angeschlossener Video- und Podcast-Funktion. So eine öffentliche Testphase kann einen auch abschrecken.

© SZ vom 14.05.2008/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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