ARD antwortet auf Schirrmacher:Verkehrte Online-Welt

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Der Online-Chef der ARD antwortet auf FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher, der vor "staatlich finanzierten Aufschreibesystemen" im Internet warnt, und bietet die Kooperation mit Verlagen an.

Peter Boudgoust

ARD und ZDF finanzieren ihre Programme mit dem Geld der Gebührenzahler. Mehr als sieben Milliarden Euro erhält der öffentlich-rechtliche Rundfunk derzeit jährlich. Um in der digitalen Zukunft eine wichtige Rolle spielen zu können, investiert er immer mehr in die eigenen Internet-Plattformen. Doch wie viel Geld dürfen ARD und ZDF für ihre Online-Aktivitäten ausgeben? Betroffen sind die privatwirtschaftlichen Konkurrenten im Online-Markt. Die Kritik wächst. Bedroht sind auch die Portale der Tageszeitungen.

Seit dem 1. Mai 2007 Intendant des Südwestrundfunks (SWR): Peter Boudgoust. (Foto: Foto: AP)

Peter Boudgoust, 52, Intendant des Südwestrundfunks und innerhalb der ARD für Online zuständig, verteidigt den Ausbau im Netz. Boudgoust antwortet auf einen Gastbeitrag des FAZ-Mitherausgebers Frank Schirrmacher, der vor "quasi staatlich finanzierten Aufschreibesystemen" im Internet warnte.

203 Zeilen umfasst die Dankesrede Frank Schirrmachers für den Jacob-Grimm-Preis, die am Montag in Auszügen Stelle von der Süddeutschen Zeitung abgedruckt wurde. Im Internet hätte der Text keine Chance. Dafür ist er zu lang. Online-Nutzer, das stellen alle Medienanbieter fest, lesen nicht gerne lange Texte. Das heißt nicht, dass sie es nicht könnten - der typische "Onliner" ist sogar überdurchschnittlich gebildet. Doch er will die schnelle Information, den leicht konsumierbaren Inhalt.

Internet ist nicht Zeitung. Das World Wide Web ist ein Multi-Medium, das Text und Bild, Ton und Film in sich vereint. Und deshalb ist dieses Medium für uns alle, für Zeitungen ebenso wie für Rundfunksender, eine Herausforderung. Es lohnt sich, genau hinzuschauen, womit wir es im Internet zu tun haben: Am Anfang bestanden die Online-Angebote aus verknüpften Texten.

Dann wurden die Leitungskapazitäten größer, zu den Texten kamen Bilder hinzu, später Töne, und heute ist es kein Problem mehr, über das Internet auch Filme in hoher Qualität zu übertragen. Und genau so sehen heute gut gemachte Online-Angebote aus, ob sie nun von Fernsehsendern oder Zeitungsverlagen stammen: Eben keine "Texte", sondern ein neues Medium aus Texten, Bildern, Audio- und Videosequenzen. Auf jeden Fall keine Zeitung auf dem Bildschirm, sondern ein audiovisuelles Medium. Audiovisuell - sind das nicht Radio und Fernsehen?

Ganz recht. Was die Verleger mit Onlinezeitung meinen (und machen), ist Rundfunk im Internet. Darin liegt kein Vorwurf. Warum sollen wir etwas dagegen haben, dass auch die Zeitungen Videos ins Netz stellen? Sie gehen dorthin, wo jugendliche Nutzer sind - nicht anders als wir. Aber nun umgekehrt den Rundfunkveranstaltern vorzuhalten, dass sie, den Mediennutzungsgewohnheiten der jüngeren Generation folgend, auch im Internet weiterhin ihren Auftrag erfüllen, ist nicht nur verkehrte Welt, sondern - mit Verlaub - Chuzpe.

Richtig ist: Qualitätszeitungen und öffentlich-rechtliche Sender haben ein gemeinsames Problem: Die junge Generation liest kaum noch Zeitung, hört und sieht kaum noch Nachrichtensendungen. Medienforscher sprechen von einem Generationenabriss. Den zu verhindern, ist unsere gemeinsame Aufgabe, sie ist eine gesellschaftliche. Deshalb bietet die ARD verständliche Nachrichten auf tagesschau.de. Deshalb betreibt die Süddeutsche Zeitung ihr Jugendmagazin jetzt im Internet.

Statt uns medienpolitisch zu bekriegen, sollten wir uns eher miteinander vernetzen, z. B. könnte die ARD Nachrichten- und Magazinbeiträge für die Online-Angebote der Zeitungen zur Verfügung stellen. Über die Details muss man reden, klar aber ist: ARD und ZDF wollen im Internet kein Geld verdienen, sie sind ja durch Gebühren finanziert. Wir sind also keine wirtschaftliche Konkurrenz der Zeitungen, wir sind ihre Partner - wenn sie es wollen.

Jetzt wird sich zeigen, ob die Zeitungen unsere Internetangebote aus inhaltlichen Gründen kritisieren. Oder einfach nur, weil wir ein leichterer Gegner sind als Microsoft oder Google. Das sind wir auch - gleichwohl läge darin eine tragische Fehleinschätzung der wirklichen Gefahren für den Qualitätsjournalismus.

© SZ vom 31.10./1.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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