Architektur-Boom in Abu Dhabi:Premiere auf der Insel des Glücks

Abu Dhabi soll Kulturhauptstadt von Weltrang werden. Dafür haben die Scheichs gleich vier Superstars der Architektur engagiert: Frank Gehry, Zaha Hadid, Jean Nouvel und Tadao Ando. Heute stellten sie ihre Pläne vor.

Christiane Schlötzer

Irgendwo da draußen ist die Wüste, mit ihrer Stille und ihrer Schönheit. Hier ist nur schimmerndes Glas und kühler Beton, aufeinandergestapelt, zehn Stockwerke hoch, oder 15, oder 25. "Industrielle Architektur ", sagt Hoda Kanoo. "Alles schnell gebaut." Für Ästhetik keine Zeit, soll das heißen.

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Entwurf für Zaha Hadids "Performing Arts Centre" in Abu Dhabi.

(Foto: Fotos: TDIC)

Hoda Kanoo hält eine feine Mokkatasse zwischen den Fingern, der Cafe ist so schwarz wie ihre hochhackigen Pumps. Frau Kanoos winziges Büro füllt ein Schreibtisch mit orientalischem Dekor fast ganz. Durch die halb geöffnete Jalousie fällt der Blick in die Straßenschluchten von Abu Dhabi, eine Metropole, die in die Höhe strebt. Wolkenkratzer baut man hier, in der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, im Dutzendpack.

"Dieser Staat ist erst 35 Jahre alt", sagt Frau Kanoo, und es klingt, als wolle sie sich dafür entschuldigen, dass beim märchenhafte Aufstieg der kleinen Scheichtümer am Arabischen Golf ein paar Maßstäbe ins Rutschen geraten sind oder etwas vergessen wurde - inmitten immer neuer Shopping Malls, wuchernder Villenkolonien im Meer und Vergnügungsparks mit Hallen-Ski. Für Frau Kanoo war es nur eine Frage der Zeit, bis die Herren über die viertgrößten Öl- und die fünfgrößten Gasreserven der Welt entdecken würden, dass ihnen etwas fehlt - der Louvre zum Beispiel, oder Richard Wagner.

Hoda Kanoo empfängt ihre Besucher in kurzärmliger Robe, die langen Haare fallen offen auf die Schultern. Frauen in den Emiraten verstecken ihr Haar gewöhnlich vor Fremden unter dünnen schwarzen Schals und den Körper in der bodenlangen schwarzen Abaya. Kleiderfragen sind Zeichen in der arabischen Welt. Frau Kanoo stammt aus einer saudisch-syrischen Familie und ist in Abu Dhabi zu Hause. Sie ist eine Pionierin. Schon vor zehn Jahren gründete sie die Abu Dhabi Music & Arts Foundation, unter dem Schutz eines Scheichs, Nahyan Mubarak Al Nahyan, Minister für Bildung und Erziehung.

Für Hoda Kanoo ist es daher eine Genugtuung, wenn ihr Land nun in der ganzen westlichen Welt berühmte Museen umwirbt, sich am Golf ein zweites Domizil bauen zu lassen. Nur die Besten würden gefragt, natürlich, man kann es sich ja leisten. Frau Kanoo schwärmt: "Das Guggenheim, der Louvre, die Sorbonne und viele mehr, sie werden alle zu uns kommen."

Der Louvre, das größte Museum der Welt, nationales Kulturerbe Frankreichs, ist schon fast da. Die Bereitschaft der französischen Regierung, in Abu Dhabi ein Museum unter dem prestigeträchtigen Namen zu gestatten, hat in Paris schon Proteststürme ausgelöst. Die Kritiker, 90 Museumsleiter darunter, spotten über den "Louvre im Sand". Sie fürchten, wertvolle Werke würden Paris entzogen und kommerzialisiert, und dies für ein Publikum, das womöglich an der Freizügigkeit eines Toulouse Lautrec Anstoß nimmt und mit Picasso überfordert ist. Louvre-Leiter Henri Loyrette leugnet nicht, dass das Geld der Scheichs ihn lockt, lieber aber spricht er von einer Chance für einen "Dialog der Zivilisationen".

Museen als globale Marken

Malerei und Bildhauerei sind keine üblichen Ausdrucksmittel der arabischen Kultur. Das islamische Darstellungsverbot für Mensch und Tier gilt zwar eigentlich nur für den religiösen Kontext, aber es hat Einfluss darüber hinaus. Dazu gibt es andere Tabus: Nacktheit zum Beispiel.

Scheich Sultan Bin Tahnoon Al Nahyan kennt sie schon, die Fragen nach den unverhüllten Körpern in der Kunst. "Das Guggenheim Museum hat versprochen, unsere lokale Kultur zu respektieren", sagt der Scheich, ohne näher zu erläutern, was das Wort "Respekt" in diesem Fall zu bedeuten hat. Das New Yorker Guggenheim hat bereits Dependancen in Berlin, Venedig, Bilbao und Las Vegas, wo spezielle Rücksichten nicht nötig waren.

Sultan Bin Tahnoon Al Nahyan, eingehüllt in eine blütenweiße Dischdascha, das traditionelle bodenlange Männerhemd, ist Chef der Tourismusbehörde von Abu Dhabi, aber auch zuständig für Kultur, und er hat Großes mit den neuen Golf-Museen vor. Sie sollten "das Kulturzentrum des Nahen Ostens" werden, sagt der Scheich, "eine Brücke bilden zwischen Ost und West". Und selbstverständlich sollten sie noch mehr Touristen ins Land locken, auch dann noch, wenn das Öl irgendwann nicht mehr so üppig fließt.

Museen, als globalisierte Marken - für Seine Hoheit ist das eine naheliegende Idee. Mit Markennamen kennt man sich aus am Golf. Bei Ferrari hat man sich schon eingekauft, und baut demnächst einen Ferrari-Vergnügungspark im Sand. Der Scheich verteilt Broschüren aus schwerem Glanzpapier mit dem Plan für die "Insel des Glücks". Auf Arabisch heißt sie Saadiyat, liegt nur 500 Meter vor der Küste Abu Dhabis und sieht aus wie ein riesiger Rochenflügel. Der soll sich bald füllen mit Vielsterne-Hotels, Luxuswohnburgen, Parks und natürlich: Shopping-Malls. Am linken Saum des Rochens ist die Museums-Meile geplant.

Sehen Sie auf der nächsten Seite Frank Gehrys spektakulären Entwurf für die Dependance des Guggenheim-Museums in Abu Dhabi.

Premiere auf der Insel des Glücks

Am Mittwoch stellten Scheich Al Nahyan und Guggenheim-Chef Thomas Krens die Pläne für die Insel, die mit den Kulturhauptstädten der Welt in Konkurrenz treten soll, der Weltöffentlichkeit vor. Die Superstars der Architektur haben sie engagiert. Frank Gehry wird ein Guggenheim Museum gestalten, Zaha Hadid eine Konzert- und Theaterhalle, Jean Nouvel ein klassisches Kunstmuseum bauen und Tadao Ando ein Marinemuseum. Die Dimensionen sind gewaltig. Alleine Gehrys Bau soll mit fast 30 000 Quadratmetern das größte Guggenheim der Welt werden.

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Frank Gehrys Entwurf für die Dependance des Guggenheim-Museums in Abu Dhabi.

"Nur Sonne, Sand und vielleicht Sex", das ist eben nicht genug", meint Mohamed Kanoo. Der Mann ist Künstler, verheiratet mit Hoda Kanoo, der Pionierin, und nebenbei noch ein erfolgreicher Unternehmer. Letzteres reicht ihm nicht mehr. "Wir leben in einem goldenen Zeitalter", sagt Kanoo. "Schneller als Guggenheim" will er sein und eine Galerie eröffnen. Die Guthra, das weiße Kopftuch, flattert, wenn Mohamed Kanoo auf seinem Drehstuhl zwischen Grafikcomputer und Schreibtisch hin- und herwirbelt. Gerhard Schröder hat er schon portraitiert. Das Bild hing im Kanzleramt in Berlin, bis Angela Merkel einzog.

Am Montag wird die Kanzlerin in Abu Dhabi sein, für einen Atelierbesuch bei Herrn Kanoo wird sie keine Zeit haben. Und für das erste Konzert der Richard Wagner Gesellschaft von Abu Dhabi kommt sie zu spät - wenn auch nur wenige Stunden.

"Wagner", sagt Mohammed Nasser Ali, während im Hintergrund Takte aus Tannhäuser erklingen, "warum nicht Wagner? Das ist etwas Neues." Ali, ein junger Computerspezialist, ist einer der ersten Wagnerianer im Wüstenstaat, Mitschöpfer der Wagner-Gesellschaft von Abu Dhabi. Die wird am Sonntag gegründet, mit einem Konzert im Kultursaal der Stadt, der den Charme einer deutschen Stadthalle aus den siebziger Jahren hat.

Wagner-Vereine gibt es bereits in Peking und Australien, aber der von Abu Dhabi wird der erste in der arabischen Welt sein. Sechs Sänger aus Europa bestreiten das erste Konzert, mit Auszügen aus dem Fliegenden Holländer und anderen Wagner-Opern. Mit Klavierbegleitung. Ein Orchester gibt es in den Emiraten nicht. Josef Lienhart, den Präsidenten des Internationalen Wagner-Verbandes, hat das Interesse aus Abu Dhabi überrascht. Er will deshalb mit 70 Wagner-Fans aus Deutschland anreisen.

Nach den Regeln der Scheichs

Man könnte es spielerische Neugier nennen, die plötzliche Begeisterung für europäische Kultur am Golf. Ein deutscher Professor in Abu Dhabi sieht es grundsätzlicher. "Ich habe hier eine Gesellschaft gefunden, die Europa im 19. Jahrhundert nicht unähnlich ist", sagt Ronald Perlwitz, der an der Sorbonne Abu Dhabi lehrt. Das ist noch so ein europäischer Satellit, die erste Expansion in der 750-jährigen Geschichte der Pariser Universität. Im Oktober 2006 begann der Lehrbetrieb für die ersten 70 Studenten aus 29 Nationen.

Perlwitz kam aus Paris. Der Wagner-Fan führte seinen Studenten Lohengrin vor und staunte. "In Deutschland träumt doch kein 18-jähriges Mädchen mehr davon, dass ein Ritter in schimmernder weißer Rüstung vor ihr steht, aber hier leuchten die Augen, wenn Lohengrin auftritt." Tristan und Isolde, das Konzept der romantischen Liebe, all das, findet der 36-jährige, passe gut zu einem Land "mit einer Unzahl von Liebesverboten". Perlwitz regte die Wagner-Gründung an, die Schirmherrschaft übernahm wiederum schnell ein Scheich.

Wenn es den Herrschern gefällt, dann wird auch das Volk nicht protestieren. Dann werden sie den Louvre akzeptieren, und Wagner, meint Herr Kanoo, der Maler. "Wir sind nur eine Minderheit", sagt Frau Kanoo und denkt dabei nicht nur an die Kulturinteressierten und die Gebildeten, die sich für Matisse und Gauguin, Wagner und Mahler begeistern könnten. Frau Kanoo spricht das Wort "Minderheit" sehr leise aus, als sollte man davon lieber kein Aufhebens machen.

Weil es einem Schauder über den Rücken jagen kann. Denn alle Staatsbürger der Emirate sind im eigenen Land längst Minderheit. Um ihren Wohlstand zu mehren - und für all die Jobs, die keiner macht, der mit Öl, Finanzgeschäften oder Immobilien Millionen verdient - haben sie Menschen aus über 150 Staaten ins Land geholt. Die Taxis fahren Pakistanis, die Polizisten sind Marokkaner, die Putzfrauen kommen von den Philippinen, die Computer warten Inder.

So lebt in den Emiraten eine globalisierte Gesellschaft, und doch jeder in seiner Welt. Die Scheichs haben Regeln aufgestellt, damit die Mehrheit nicht die Macht übernimmt. Einheimische, die Bürger anderer Nationalitäten heiraten, verlieren ihre Staatsbürgerschaft. Es gibt keine Parteien, aber eine überaus wachsame Polizei, die man nicht sieht, weil sie meist ohne Uniformen auskommt, und freie Wahlen sind nur ein Zukunftversprechen. Es gibt aber auch keine Islamisten und keine Anschläge.

Sorbonne in der Wüste

Herr Kanoo sagt, man sollte "vorsichtig sein mit der Demokratie", erst bräuchten die Menschen mehr Bildung, dann eventuell könne man ernst machen mit echten Wahlen. "Bildung ist Reichtum" verheißen Plakate, die man überall in Abu Dhabi sieht. Der Staat am Golf investiert inzwischen mehr in Schulen und Universitäten als andere arabische Nationen. Man braucht Ingenieure und Ökonomen für die vielen neuen Firmen im Land.

Auf Schwarz-Weiß-Fotos aus den sechziger Jahren ist die Corniche, Abu Dhabis Prachtstraße am Meer, nur ein Streifen Sand. Im Schwung des Aufbaus wurden auch kulturelle Zeugnisse geschleift. In Dubai, der glamourösen Schwester Abu Dhabis in der Familie der Vereinigten Emirate, haben sie ein paar Meter gekrümmte Stadtmauer bewahrt. Schulkinder halten die Steinreste gern für einen Dinosaurier-Rücken. Die arabische Welt dürfe auch ihre eigene Geschichte nicht vergessen, mahnt die in Paris ausgebildete Kunsthistorikerin Kanoo.

Auf den alten Bildern gibt es Palmblatthütten. Nun haben die Wolkenkratzer an der Corniche dunkel getönte Scheiben, und hinter den Glasfassaden sorgt sich so mancher um den eigenen Nachwuchs. "Unsere Kinder studieren in Kalifornien, im Zeitalter des Hip-Hop", sagt Achmed Ali Al Sayegh, ein Mann in dezent dunkelblauer Dischdascha. Al Sayegh ist Chef einer Baufirma, die es gerade mal seit zwei Jahren gibt, die aber bereits Aufträge für 14 Milliarden Euro eingesammelt hat.

Auch für Ferrari baut Al Sayegh - und fürchtet um die traditionellen Werte der Wüstensöhne, seit sie klimatisierte Rennwagen fahren, als wären es Seifenkisten, und nicht mehr barfuß gehen wie ihre Großväter. Und seit 80 Prozent der Wüsten-Töchter studieren. Tun sie dies an der Sorbonne Abu Dhabi, werden sie bald für ein paar Semester nach Paris gehen. "Früher war es schon ein großer Schritt, wenn ein Mädchen nur über die Straße ging", sagt Al Sayegh. Neben ihm sitzt seine Pressesprecherin. Sie hat das Kopftuch ganz weit nach hinten geschoben, auf dem dunklen Haar davor sitzt die Sonnenbrille. Der Wandel ist sichtbar, überall.

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