Ärger um "Walküre"-Film:Die Stunde der Besserwisser

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Ein "Lügendrehbuch" und ein mehrfach verschobener Filmstart: Tom Cruises Stauffenberg-Film hat mit Vorverurteilungen zu kämpfen.

Tobias Kniebe

Das Drehbuch ist seit einem dreiviertel Jahr bekannt, der Trailer seit Anfang November. Seitdem weiß niemand etwas Neues über die Qualität von Bryan Singers Film "Valkyrie", in dem Tom Cruise die Rolle des Widerstandskämpfers Claus Graf Stauffenberg spielt. Man könnte sich also zurücklehnen und in Ruhe die Fertigstellung des Projekts abwarten, der bis dato nicht einmal vollständig abgedreht ist: Die Wüstenszenen, die Stauffenberg im Jahr 1943 am Kriegsschauplatz Tunesien zeigen, stehen laut Drehplan immer noch aus.

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Doch Abwarten reicht einigen Kommentatoren in Deutschland und Hollywood, die den Scientology-Star Cruise und besonders seinen Einsatz in "Valkyrie" mit Argwohn betrachten, offenbar nicht aus. Die Nachricht von Anfang April, dass der Filmstart zum zweiten Mal verschoben wurde, von einem Termin im Oktober auf Anfang Februar 2009, löste eine Welle von Vorverurteilungen und Spekulationen aus, die seitdem nicht abreißt.

Die Wortmeldungen in den USA sind dabei größtenteils so simpel und banal wie jene des Kritikers Roger Friedman, der für den rechtsgerichteten Fox-News-Kanal einen Hollywood-Blog betreibt: Ein Film über "heroische Nazis, die von Hitler ermordet werden", das sei doch eine der schlechtesten Filmideen aller Zeiten. Lauter Männer über dreißig, die keine Frau ins Kino locken werden, keinerlei jüdisches Publikum zu erwarten, und am Allerschlimmsten - kein Happy End mit Sieg des Helden. Cruise solle doch bitteschön schnell wieder einen amerikanischen Wohlfühl-Film wie "Jerry Maguire" drehen, rät Friedman, sonst sei seine Karriere ernsthaft in Gefahr.

Auch andere Blogger erklärten "Valkyrie" für tot, wobei das Klatschnetzwerk defamer.com am weitesten ging. Nicht nur Cruise und der Film, auch das kürzlich erst vom ihm und seiner Produktions-Partnerin Paula Wagner wiederbelebte Ministudio United Artists sei durch die Verschiebung im Grunde erledigt. Nach dem Flop mit Robert Redfords "Von Löwen und Lämmern", der ersten Produktion unter Cruise/Wagner, müsse ein zweiter Film, der in Schwierigkeiten stecke, unweigerlich schon das Ende von United Artists bedeuten.

Transatlantische Hysterie

Diese Hysterie wiederum gleicht auf merkwürdige Weise den Bemühungen des heimischen Axel Springer Verlags, Tom Cruise und "Valkyrie" schon mal vorab scheitern zu lassen - allerdings aus ganz anderen Gründen. "BamS enthüllt das Lügen-Drehbuch" hieß es Anfang April in Bild am Sonntag, wo sich ein Historiker noch einmal über das längst bekannte Script hermachen durfte und dabei offenbar wild entschlossen war, echte oder vermeintliche Fehler und Ungenauigkeiten des Films wichtiger zu nehmen als die großen Linien der Erzählung.

Als "Lüge Nummer 2" wurde beispielsweise eine Szene angeprangert, die man im Trailer schon sieht, wo die Geheimbefehle für den Staatsstreich am 20. Juli in einem nächtlichen Wald auf einer Schreibmaschine getippt werden. "Absurd, als wenn hier Räuber und Gendarm gespielt würde", urteilte der Bild-Experte - verschwieg aber geflissentlich, dass es tatsächlich glaubwürdige Zeugen des 20. Juli gibt, die von "Geheimtreffen im Grunewald" berichtet haben. Zu den Historikern, die sich in ihren Werken auf diese Aussagen stützen, gehörte unter anderen Joachim Fest.

Showdown im Februar

Zwischen aufgebrachten Amerikanern, denen die ganze Geschichte viel zu deutsch und historisch korrekt ist (Musste Tom Cruise wirklich diese dämliche Augenklappe tragen?) und aufgebrachten Deutschen, die auch da bereits "Lüge" sehen, wo vielleicht nur die historische Quellenlage unsicher ist, hat "Valkyrie" derzeit keine leichten Stand. Der Regisseur Bryan Singer, wegen all der Aufregung von der New York Times befragt, bleibt aber demonstrativ gelassen: "Spekulation macht doch teilweise den Reiz des Geschäfts aus," sagt er. "Der Film wird überraschen. Er wird ganz anders sein als die Leute erwarten."

Wirklich ernstzunehmen sind momentan nur jene Analysten, die genauer nach den Gründen für die Verschiebung des Starttermins fragen. David Poland zählt auf seiner Hollywood-Website The Hot Blog zum Beispiel die Filme der jüngsten Vergangenheit auf, die das Spiel einer mehrmaligen Verschiebung nicht gut überstanden haben, und schaut in den Statistiken nach, welche großen Erfolge Hollywood bisher überhaupt im Monat Februar starten konnte. Er findet ein paar romantische Komödien, Comic-Verfilmungen und einen sehr blutiges Epos über die Kreuzigung Christi, Mel Gibsons "The Passion of the Christ". All das, folgert er, seien schlechte Vorzeichen für das filmische Schicksal des Claus Graf Stauffenberg in den USA.

Dann aber weiß auch jeder, dass sich dieses Spiel der Spekulationen und Vorverurteilungen in Hollywood ständig wiederholt, und dass nichts so viel Spaß macht wie der Sport, bei Budget-Überschreitungen, Terminverschiebungen und anderen Unwägbarkeiten sofort das nächste Desaster zu prophezeien. Das krasseste Beispiel dafür bleibt James Camerons "Titanic", dem in tausend Vorab-Analysen schon der Untergang prophezeit wurde, bis er endlich im Kino anlief und zum erfolgreichsten Film aller Zeiten wurde.

© SZ vom 24.4.2008/ehr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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