350. Folge: "The Simpsons":Ganz ohne Bart, Mann!

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Gelb ist der White Trash Amerikas. Seit 17 Jahren beglücken die Simpsons den Fernsehzuschauer. Oder auch nicht. Jedenfalls ist nicht "in", wer nicht drin war. Ein Ende des erfolgreichen Zeichentrick-Wahnsinns ist nicht in Sicht - oder doch?

Jürgen Schmieder

Das eigene Gesicht auf dem Titelblatt des Magazins "Time"? Der eigene Name auf einer Liste der 100 wichtigsten Menschen des Wirtschaftsblattes Forbes? Alles belanglos. Vergiss es!

Einen Donut darauf: Letzten Sonntag wurde in den Vereinigten Staaten die 350. Folge der erfolgreichsten Zeichentrickserie der Welt ausgestrahlt. (Foto: N/A)

"Erst wenn Du gelb bist", sagt Gillian Anderson, "weißt Du, dass Du es geschafft hast und berühmt bist."

Gelb, das ist die Farbe der deutschen Bundespost - und die der Simpsons. Und Gillian Anderson aus der Serie "The X-Files" wurde 1997, in der 185. Folge der Simpsons mit der Ehre bedacht, dort parodiert zu werden. Und ab da war sie richtig berühmt.

"The Simpsons" aus Springfield waren dann aber selber auch schon auf dem Time-Titel und auf einer Forbes-Liste.

Gelb sind sie ja sowieso, Woche für Woche, seit 17 Jahren.

Letzten Sonntag wurde in den Vereinigten Staaten die 350. Folge der erfolgreichsten Zeichentrickserie der Welt ausgestrahlt.

Die Comic-Familie - einst als Symbol des kulturellen Niederganges bezeichnet - sind damit eine beruhigende Konstante in der sich so schnell ändernden Welt des Fernsehens.

Dabei hätte die Show ursprünglich schnell wieder verschwinden sollen oder gar nicht in Serie. Der Fernsehsender Fox suchte nach einer kurzen Einlage für die "Tracy Ullman Show" - Matt Groening war zur Stelle und dachte sich innerhalb von 15 Minuten die "Simpsons" aus.

Er benutzte Namen aus seiner Familie und gab sie den fiktiven Figuren: Homer war geboren und mit ihm Marge, Bart, Lisa und Maggie.

Für den Namen der Stadt wählte Groening kurz den häufigsten Städtenamen in Amerika - Springfield.

Die "Simpsons" bekamen einen 15-Minuten-Auftritt in der Show - der Rest ist Fernseh-Geschichte.

"Ich habe damals schon gedacht, dass die Serie ein Hit werden könnte", sagte Matt Groening vor der Party zum Jubiläum. "Wir haben es der Experimentierfreude von Fox zu verdanken, dass wir eine Chance bekommen haben."

Der damals neue Sender beschränkte das Produzententeam Matt Groening, Al Jean und James L. Brooks nicht durch Regeln und gab nur wenige Richtlinien.

Sie durften ihre Serie frei entwickeln, mit Konventionen brechen und unangenehm sein. Frech sollte die Sendung sein, das sollte den Reiz ausmachen.

Die Figuren einer Sitcom entwickeln sich für gewöhnlich weiter. Sie werden älter, ändern ihren Kleidungsstil oder beobachten, wie ihre Kinder erwachsen werden. Nicht so "The Simpsons".

Selbst in der 17. Staffel sind immer noch alle Mitglieder gleich alt und sehen gleich aus, nicht einmal der Donut fressende Homer - mit Ausnahme weniger Folgen - hat ein Gramm zu- oder abgenommen.

"Durch das Nicht-Entwickeln der Figuren haben wir die Möglichkeit, den Aspekt auf andere Dinge zu legen", erklärt Hank Azaria, Sprecher von zahlreichen Figuren wie Barbesitzer Moe oder des "Comic Book Guy".

"Die Familie ist die Konstante in einem sich rasend weiter entwickelnden Amerika."

Dieses Amerika nehmen die Autoren der Sendung besonders gerne auf die Schippe. Der stinkfaule und ignorante Polizist Wiggum, der intrigante und notorisch fremdgehende Bürgermeister Quimby, der grinsende Gastarbeiter und Supermarktbesitzer Apu: Das sind die Vereinigten Staaten, wie sie tief in ihrem Innersten erscheinen.

Ganz klar, dass die Serie konservativen Vertretern ein Dorn im Auge ist - auch in Deutschland.

So war das ZDF nicht wirklich unglücklich darüber, dass die "Simpsons" 1994 nach drei Jahren von Pro Sieben übernommen wurden.

Für den öffentlich-rechtlichen Kanal war die Serie zu liberal, der neue Privatsender trat die Nachfolge gerne an und sendet im elften Jahr - allerdings am Vorabend und nicht zur Hauptsendezeit, wie in den USA üblich. Dort sind "The Simpsons" die langlebigste Prime-Time-Serie.

Sie halten auch den Rekord für die erfolgreichste Zeichentrickserie aller Zeiten. Bereits 1997 überflügelte die Sendung die andere beliebte Familie, die "Feuersteins" - acht Jahre später ist zu erwarten, dass diese Marke kein anderes Format mehr erreichen wird.

Somit ist es klar, dass Prominente darauf lauern, in der Serie parodiert zu werden. Sie sprechen ihre Figuren dann meist selbst, ohne Einfluss auf den Inhalt zu haben - nur für amerikanische Präsidenten, auch lebende, müssen Synchronsprecher gefunden werden.

Die Liste der "guest appearences" ist lang: Die Rock-Band Red Hot Chili Peppers nahm Homer mit auf Tournee, Playboy-Besitzer Hugh Heffner präsentiert sich gewohnt im Bademantel und das Familienoberhaupt darf sich sogar mit dem ehemaligen Präsidenten George Bush prügeln.

Nur wenige Personen bringen es auf mehrere Auftritte. Stephen Hawking zum Beispiel, der geniale Physiker, erscheint auch in der 350. Folge, die den Namen "Don't fear the Roofer" trägt.

Auf den Homepages zahlreicher Hollywood-Größen steht unter der Rubrik "Auszeichnungen" nicht selten: "Appearence in an episode of 'The Simpsons'."

An Auszeichnungen mangelt es auch der Serie nicht. 50 Awards haben die "Simpsons" mittlerweile gewonnen, darunter den begehrten Emmy. In 60 Ländern wird die Sendung ausgestrahlt, der Sender Fox hat nach einem Bericht der New York Times bereits über eine Milliarde Dollar allein durch die Ausstrahlung verdient.

Doch damit nicht genug: Der Episoden-Führer kam auf Platz Drei der amerikanischen Bestsellerlisten, der Song "Do the Bartman" erreichte die Top Ten der Charts, Comic-Hefte stehen nicht lange in den Regalen.

Das Magazin Forbes schätzt, dass diese Merchandising-Aktionen bisher weitere 20 Milliarden Dollar in die Kassen spülten.

Auf diese Berichte reagiert Matt Groening in der Art, die seine Fans an ihm lieben. Er widmete eine Folge dem Erfolg seiner Serie.

Die "Behind the Scenes"-Episode parodiert nicht nur andere Serien, die sich in ähnlichen Specials gerne selbst feiern, sondern vor allem sich selbst. Dieses Understatement kommt gut an.

Groening ist mittlerweile mehrfacher Millionär und hat andere Erfolgsshows wie "Futurama" konzipiert. Dennoch sieht er mit seinen langen Haaren, Hawaii-Hemd und dicken Brillengläsern aus wie ein Spät-68er auf Urlaub.

Dabei ist er voller Tatendrang wie nie zuvor, entgegen aller Gerüchte.

Zum Jubiläum wurden Stimmen laut, die das Ende der Serie propagieren. Zu lange laufe die Sendung schon, neue Ideen seien rar und die 20 Autoren hätten es schwer, noch interessante Geschichten zu finden. "Tatsächlich haben wir schon oft darüber nachgedacht, einfach aufzuhören", sagt Al Jean. "Es könnte aber auch sein, dass wir nach 17 Jahren erst Halbzeit haben."

Das wird die 10 Millionen Zuschauer pro Folge in Amerika freuen. Das am weitesten verbreitete Gerücht ist, dass die Serie zur 500. Folge mit einem Kino-Film enden wird. Das würde bedeuten, dass noch 150 Episoden mit Reverend Lovejoy, Linkshänder "Ned-elidu" Flanders und Barnie Gumble folgen.

Sechs weitere Jahre "Moe's Taverne", Rektor Skinner und Troy McLure und dann ein rauschendes Abschiedsfest im Kino. Das wäre ein Ende, das man nur mit dem Lieblinswort von Montgomery C. Burns umschreiben kann: "Exzellent!"

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