US-Steuerreform:Wilder Westen

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Die Reichen werden besser gestellt, die Armen schauen in die Röhre: Donald Trumps Steuerreform kommt einem Leser vor wie ein Rückfall ins 19. Jahrhundert. Ein anderer Leser fordert, das Mantra der Globalisierung zu hinterfragen.

SZ-Zeichnung: Denis Metz (Foto: N/A)

Zu den Artikeln "Trump stellt eine Aufgabe" vom 22. Dezember und "Trumps größter Trumpf" vom 21. Dezember über die US-Steuerreform:

Der Staat als "Biest"

Natürlich hat US-Präsident Donald Trump die Steuerreform in seinem narzisstischen Größenwahn als die beste, größte und historischste Reform aller Zeiten bezeichnet, aber abgesehen von dieser Selbstbeweihräucherung, was bedeutet sie wirklich? Trump hat ein weiteres Mal Amerika in die Vergangenheit zurückversetzt, nämlich in die Zeit um die Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert, in der Robber Barons (Räuberbarone) das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben Amerikas bestimmten, in der die Philosophie des "Rugged Individualism" vorherrschte und in der der Selfmademan, der erfolgreiche Entrepeneur wie er selbst, der Held des Tages war.

Mit seiner Steuerreform erfüllt Trump die Erwartungen seiner konservativen Wählerschaft, für die der Staat ein "Biest" ist, dem die Lebensgrundlagen entzogen werden müssen. Der "Rugged Individualist" braucht keinen Staat, schon gar keinen Sozialstaat. Damit vereinnahmt Trump zugleich auch den Western Hero für sich, der an der Frontier, der Grenze im Westen, sein krudes Leben führte.

Das Weltbild Trumps ist der Vergangenheit verpflichtet. Es ist eine unzivilisierte Welt, in der er lebt, in der Geld Macht bedeutet, eine Welt ohne Moral, Sitte und Anstand, ohne internationale Verpflichtungen und Verträge, eine Welt, in der Staaten Konkurrenten und Rivalen sind.

Mit seiner Art zu denken und zu handeln gefährdet er in unserer Epoche, in der angesichts der Krisen in der Welt durch Umweltzerstörung, Kriege, Globalisierung etc. eigentlich Solidarität und Kooperation unter den Menschen und Völkern gefragt sind, nicht nur die Lebensgrundlagen für zukünftige Generationen, sondern wie Russlands Präsident Wladimir Putin auch das zerbrechliche Netzwerk des Völkerrechts, das den Weltfrieden sichert, und isoliert Amerika zu seinem Nachteil. Wann bereiten die Amerikaner diesem selbstverliebten Egomanen und destruktiven Narzissten endlich ein Ende? Jürgen Einhoff, Hildesheim

Globalisierung hinterfragen

Seit mindestens dreißig Jahren stellt uns die wirtschaftliche Globalisierung vor die Frage: Wie lässt sich angesichts der Globalisierungsfolgen unsere soziale Marktwirtschaft retten? Wie kann das Primat der Politik gegenüber wirtschaftlichen Zwängen zurückgewonnen werden - ein Primat, von der die Glaubwürdigkeit unserer Demokratie abhängt? Diese Fragen ergeben sich aus der Analyse: Der nicht regulierbare globale Standortwettbewerb führt dazu, dass die Unternehmen sich dort ansiedeln, wo sie die betriebswirtschaftlich günstigsten Bedingungen vorfinden - völlig unabhängig davon, was die gewählten Politiker dazu sagen.

Die Folgen der Globalisierung sind also nicht neu, sondern erfahren nur neue mediale Aufmerksamkeit, nachdem Donald Trump entschieden hat, die Unternehmensteuern drastisch zu senken. Er hat es getan, um dem Wirtschaftsstandort USA gegenüber anderen Standorten Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Ähnliche Entscheidungen hat es in Europa und in der übrigen Welt schon viele Male gegeben. Eines der bekanntesten Beispiele für Steuerdumping ist Irland.

Die Politik auf nationaler Ebene ist überall dort durch die Öffnung der Märkte entmachtet worden, wo es um Entscheidungen geht, die sich auf die Wettbewerbsfähigkeit der Global Players auswirken. Denn keine Regierung kann es sich leisten, steuerpolitische, sozial- oder umweltpolitische Gesetze zu beschließen, die für diese Konzerne zu nennenswerten Wettbewerbsnachteilen auf dem Weltmarkt führen. Sobald in einem wirtschaftlich starken Land (wie etwa in den USA) günstigere Bedingungen geschaffen werden, geraten aus Gründen des Wettbewerbs die in anderen Ländern schon beschlossenen Gesetze unter Druck, sofern diese den Unternehmen kostenrelevante Rücksichten auf Arbeitnehmerrechte, Gesundheit und Umwelt abverlangen.

Diese der wirtschaftlichen Globalisierung immanente Logik ist unbestreitbar - und trotzdem wird an dem streng gehüteten Dogma festgehalten, die wirtschaftliche Globalisierung mehre den Wohlstand überall auf der Welt. Wenn wir dieser Sackgasse entkommen wollen, müssen wir die wirtschaftliche Globalisierung und ihre Logik des Standortwettbewerbs hinterfragen, um dem Dumpingzwang wirksam entgegentreten zu können. Das geht nicht auf nationaler, sondern nur auf europäischer Ebene.

Es wäre eine lohnende Aufgabe der Wissenschaft, sich darüber Gedanken zu machen, anstatt weiter dem Glauben an die segensreiche Selbstregulierung des globalen Marktes anzuhängen. Dr. Hans-Joachim Schemel, München

© SZ vom 30.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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