Citymaut:Ablasshandel oder intelligente Steuerung

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Ein Leser ist eher für Verbote, ein anderer will zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

In den Städten sind zu viele Autos unterwegs. Aber ist eine Citymaut die geeignete Maßnahme, die Zahl der Fahrzeuge zu reduzieren? (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

"Wer in die Stadt fährt, soll zahlen" vom 26. Februar:

Es geht nur durch Verbote

Plädiert wird für eine "Stadtfahrtmaut" statt eines Dieselfahrverbots. So argumentieren reflexartig Ökonomen, die für ein Mengenproblem, hier das Zuviel an Autos in Städten und die so produzierte Umweltbelastung, der Politik das Drehen an der Preisschraube empfehlen. Das lernt man im ersten Semester in der Preistheorie.

Erzählt wird dort die Geschichte für den allenthalben bekannten Wochenmarkt. Wenn die Nachfrage nach Kartoffeln über die vorhandene Menge hinausgeht, schnellt der Preis nach oben. Nur wer dann kaufkräftig genug ist, kann sich noch Kartoffeln leisten, die Übrigen haben das Nachsehen, müssen sich preiswerter versorgen. Der Preis räumt den Markt, sagen die Ökonomen dann zufrieden. Die Verteilungswirkungen sind hinzunehmen. Finden Politiker, meist Nichtökonomen, aber nicht. Aus ihrer Sicht besteht das tatsächliche Leben nicht aus idyllischen Kartoffelmärkten. Sie müssen Konflikte lösen. Wenn es "negative externe Effekte" gibt, hier die verkehrlich bedingte städtische Umweltbelastung, dann soll das Portemonnaie des Fahrers weiter darüber entscheiden dürfen, ob dieser emittieren darf oder nicht? Weil "der Nutzen für den Fahrer höher ist als die Maut und damit ist auch der Nutzen höher als die verursachten negativen Effekte".

Dieser Satz verrät noch einmal viel über das Denken von Ökonomen, die politikberatend wirken wollen. Sie empfehlen den Ablasshandel: Wenn du es dir leisten kannst, darfst du weiterhin sündigen. Die Allgemeinheit wird den Schaden, hier die Emission, ertragen, wenn du bereit bist, für deinen Eigennutz zu zahlen. Solche dem Nutzen frönende Spielregel ist politikfern.

Die politische Problemlage ist schon komplizierter, als dass man sie mit dem Wissen nur der Preistheorie lösen könnte. Aktuell geht es darum, Emissionen, hier vor allem dieselbedingte Stickoxide, zum Schutz der Gesundheit zu vermeiden. Eigentlich geht es nur durch Verbote. Belastungsgrenzen aufzuerlegen, war bisher nur ein Kompromiss, schädliche Auswirkungen zumindest halbwegs zu limitieren. Was in vielen hochverdichteten Städten nicht mehr gelingt. Die Notbremse wird in Brüssel gezogen, bezeichnenderweise nicht in Berlin, das zu lange gewartet hat und nun vom höchsten Gericht auf Trab gebracht wird. Martin Luther hat den Ablasshandel decouvriert. Es folgte die Reformation. Auch der großstädtische und zumindest dieselgetriebene Autoverkehr könnte in der Revolution enden. Dr. August Ortmeyer, Kleinmachnow

Nur mit Ticket in die Stadt

Die Einführung einer Maut wäre für Umwelt, Bürger und Haushalte besser als ein Dieselfahrverbot. Diese Meinung vertritt David Stadelmann in dem oben genannten Beitrag mit sehr überzeugenden Argumenten. Wenn schon Maßnahmen zur Luftreinhaltung unumgänglich sind, dann sollte vor dem Erlass von äußerst problematischen Fahrverboten die Wirkung einer Maut nach Schaffung der entsprechenden Rechtsgrundlagen auch bei uns praktisch erprobt werden.

Dabei kann die Maut so ausgestaltet werden, dass sie den Autofahrern trotz der Mehrbelastung auch Vorteile bietet. In München wäre das möglich, wenn ein gültiger Fahrausweis des MVV zur Benutzung der künftig mautpflichtigen Straßen im Stadtgebiet berechtigen würde. Dafür spricht schon, dass die Infrastruktur für die Ausgabe der Fahrausweise bereits vorhanden ist. Die Kontrolle könnte sich wie beim MVV auf Stichproben beschränken. Münchner Autofahrer könnten Monatskarten im Abo erwerben. Sie würden sicher häufig statt des Autos den öffentlichen Nahverkehr nutzen, wenn dies nicht mit weiteren Mehrkosten verbunden wäre. Autofahrer von auswärts würden noch mehr auf Park+Ride umsteigen, wenn für die Einfahrt in die Stadt mit dem Pkw ohnehin ein Ticket zu lösen wäre. Mit den Mehreinnahmen könnte das Leistungsangebot des MVV deutlich verbessert und der Nahverkehr attraktiver gemacht werden. Durch ein solches System könnte die verkehrbedingte Schadstoffbelastung wirksamer reduziert werden als durch einen nicht finanzierbaren kostenlosen Nahverkehr. Franz Grünewald, München

© SZ vom 08.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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