Asylkompromiss:Was am Ende rauskommt

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Der Asylstreit zwischen CDU und CSU sowie der folgende Asylkompromiss, dem die SPD aus Sicht vieler Leser unnötigerweise sehr schnell zustimmte, ist weiter ein großes Thema. Leserinnen und Leser sehen nur einen Gewinner - die AfD.

SZ-Zeichnung: Michael Holtschulte (Foto: Michael Holtschulte)

" Die Entfremdung" vom 7./8. Juli, " Koalition einigt sich auf Asylpaket" vom 6. Juli und "Union kommt SPD im Asylstreit entgegen" vom 5. Juli:

SPD schadet sich selbst

Länger als eine Woche hat die SPD dem Treiben der beiden Unionsparteien zugeschaut, als ginge sie das alles nichts an. Dass der Streit die Ausgestaltung der zukünftigen Asyl-Politik der Groko zum Gegenstand hatte, merkte die SPD spätestens, als ihr der Unions-Kompromiss zur baldigen Zustimmung vorgelegt wurde. Hatte SPD-Chefin Andrea Nahles zuvor schon die Einrichtung "geschlossener Transitzentren" an der Grenze im Namen der SPD rundweg abgelehnt, schwenkte sie nun sehr schnell auf die CSU-Linie ein, nachdem der Name in "Einrichtungen der Bundespolizei an der Grenze" verändert wurde, inhaltlich aber alles beim Alten blieb. Vermutlich aus Angst, ein Auseinanderbrechen der Bundesregierung könnte der SPD zur Last gelegt werden, stimmte Nahles selbst der möglichen Abweisung an der Grenze von bereits in einem anderen EU-Land registrierten Flüchtlingen zu. Ja, in Umfragen äußert sich eine große Zahl von Bundesbürgern gegen weitere Zuwanderung. Glaubt der SPD-Vorstand im Ernst, mit der fast vollständigen Übernahme der CSU-Vorschläge neue Wähler zu gewinnen? Im Gegenteil: Die SPD wird aufgrund der weitgehenden Aufgabe ihrer Grundsätze in der Flüchtlingspolitik weitere treue SPD-Wähler verlieren - zu Recht! Auch das zeigen die Umfragen.

Manfred Arnold, Regensburg

Graue Maus

Die Einigung im Asylstreit zwischen CDU und CSU ist, gemessen an den betroffenen Flüchtlingszahlen, größtenteils bis gar komplett irrelevant. Und doch hat die CSU, die kleinste der drei Regierungsparteien, es mal wieder geschafft, die komplette Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Ob es der Partei für die anstehende Bayern-Wahl nützt, wird sich noch zeigen. Doch wer mal wieder als "graue Maus" aus diesem Konflikt herausgeht, ist der Dritte im Bunde: die SPD. Klare Kante für sozialdemokratische Politik sieht anders aus.

Mathis Brinkmann, Münster

Es handelt sich um Lager

Ich bin schockiert, dass die SPD dem "Asylkompromiss" zustimmt. Neben der Angst vor Neuwahlen will man vielleicht dem Teil der SPD-Anhänger Rechnung tragen, die die Einrichtung sogenannter Transitzentren gutheißen. Die Prozentzahlen der Anhänger dieser Idee werden immer wieder explizit erwähnt, so als spielten sie eine größere Rolle als Anhänger mit anderen Ansichten. So als wären diese anderen ohne Meinung oder gleichgültig. Ich denke, das ist mitnichten der Fall. Ich bin zum Beispiel im Gegenteil ganz entsetzt und sprachlos, dass in Deutschland ernsthaft die Einrichtung von Lagern, in denen Asylbewerber zusammengeführt (= konzentriert) werden sollen, geplant wird. Denn allen Wortneuschöpfungen wie "Transitzentren", "Ankerzentren" oder "Ausschiffungszentren" zum Trotz handelt es sich um Lager. Ich kann nicht verstehen, dass diese verharmlosenden Euphemismen in der öffentlichen Diskussion so bereitwillig übernommen werden, dadurch wird eine Gewöhnung an Tatbestände erreicht, die von vielen so doch nicht gewünscht sind. Lager? Aber nein, es sind doch nur Zentren!

Nadja Rogler, München

Kompass verloren

CDU und CSU plus nun auch SPD - dank deren willfährigem Meinungswandel auf Basis verabreichter, einfältiger Euphemismen - propagieren den gefundenen, obgleich doch wohl eher de facto fiktiven Kompromiss als entscheidenden Schritt zur Lösung im Asylstreit. Tatsächlich aber verlieren alle Regierungsparteien vielmehr zunehmend rechtsstaatlich und moralisch Kompass, Maß und Mitte.

Allen voran CSU-Chef Horst Seehofer, der auch als Bundesminister ganz offensichtlich in einer überaus provinziellen Denk-, Informations- und Rhetorikblase verharrt; damit genügt er weder den diplomatischen noch sachpolitischen Ansprüchen seines exponierten demokratischen Amtes. Ohne den (endlich tatsächlichen) Rücktritt von Seehofer ist daher eine weitere Spaltung und Vertrauenskrise innerhalb der deutschen Regierung, aber ebenso in der gesamteuropäischen Asylpolitik absehbar.

Matthias Bartsch, Lichtenau-Herbram

SPD soll Alternativen liefern

Kanzlerin Angela Merkel versichert der SPD - Horst Seehofer gegenüber ist das nach meinem Eindruck nicht so deutlich gemacht geworden -, dass die Rechtslage beachtet werden wird. Ist das, zusammen mit der Ankündigung des im Koalitionsvertrag vereinbarten "Fachkräfteeinwanderungsgesetzes", die Lockspeise für SPD-Chefin Andrea Nahles?

Reicht der das oder besinnen sie und die SPD sich darauf, dass sie zum einen als Partei ohnehin politisch im Rahmen des Rechtsstaats arbeiten, was gegenüber Dritten ab und zu betont werden sollte, und dass zum anderen sich erneuern zu wollen bedeutet, alternative politische Konzepte vorzulegen, damit der Eindruck aus der vorangegangenen Koalition, lieber konfliktscheu und anpassungsbereit als partiell widerspenstig zu sein, sich unter der neuen Führung nicht wieder verfestigt?

Dr. Gero Neugebauer, Berlin

Nichts erreicht außer Unfrieden

Der "Masterplan" und das ganze Drumherum ist für mich unchristlich, unsozial und unmenschlich. Die bayerischen Heiligen Drei Könige haben jede Menge zerstört, Unfrieden gestiftet und letztendlich so gut wie nichts erreicht. Dieser nationalkonservative Aufbruch ist zerstörerisch und sieht das Risiko inhärenter Konflikte nicht, wie sich jetzt direkt mit Österreich zeigt. Es ist nicht möglich, "Ich zuerst" zu sagen und gleichzeitig international zu sein. Nur im europäischen Gedanken entwickelt sich das friedliche Nebeneinander und wird zum Miteinander. Vor dieser Zeit war Gewalt ein ständiger Begleiter der Menschen in Europa. Deshalb wird es Zeit, dass auch die Ursachen der Vertreibung angegangen werden. Durch die EU subventionierte Lebensmittel zerstören die Landwirtschaften, und Fangflotten fischen die Meere vor Afrika leer. An der Ausbeutung der Rohstoffe verdienen nur wenige, und der Profit wird blutig verteidigt. Aus diesen Ländern kommen keine Touristen, es kommen Verzweifelte und Hungernde. Schaffen wir ein friedliches Europa, von dem ein Signal ausgeht!

Jochen Renfordt, Hagen

EU wird aufs Spiel gesetzt

Angesichts des Seehofer'schen Furors der letzten Wochen stellt sich doch allmählich die Frage, was das Trio Seehofer, Söder, Dobrindt eigentlich antreibt. Würde ein vernünftiger Mensch wegen täglich fünf Flüchtlingen an der bayerischen Grenze den Fortbestand der deutschen Regierung und als Folge die Existenz der EU aufs Spiel setzen? Kaum vorstellbar. Was also ist es?

Kann es sein, dass das Ziel dieses Trios doch in Wahrheit nicht die Lösung eines vorgeblichen und maßlos aufgeblasenen Problems an Bayerns Grenzen ist, sondern die Zerstörung der EU?

Eine grenzenlose EU, in der wir 70 Jahre lang in Frieden und Wohlstand gelebt haben - beispiellos in der Geschichte Europas - soll abgeschafft werden für 27 zwar lächerliche, aber souveräne Winzigstaaten mit eigenen Grenzen? Die dann genüsslich von Trump und Putin unter tätiger Mithilfe Chinas einzeln dominiert oder gleich zerrieben werden können. Wer kann so etwas wollen?

Burkhard Flachmann, Ottobrunn

© SZ vom 14.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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