Zurück aus Illinois:"Enormes Potenzial unter den Studenten"

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Ralf Koetter übernimmt zum Oktober den Lehrstuhl für Nachrichtentechnik an der Technischen Universität (TU) München. Derzeit forscht er noch an der University of Illinois in Urbana/Champaign.

Christine Burtscheidt

SZ: Fiel Ihnen die Entscheidung schwer, aus den USA zurückzukehren?

Koetter: Ja, wir haben lange nachgedacht, als die Berufungskommission an mich herantrat. Seit 16 Jahren lebe ich im Ausland und dachte nicht, dass ich jemals zurückkommen würde. Hinzu kommt: Meine Frau ist aus Irland und spricht Deutsch nicht als Muttersprache. Sie hat selbst eine strahlende Karriere als Professorin an der Bibliothek in Illinois gemacht, bekommt aber hier keine Stelle. Das hat uns großes Kopfzerbrechen gemacht. Außerdem gefällt es mir in den USA, meine Stelle ist gut und die University of Illinois ausgezeichnet.

SZ: Was gab dann den Ausschlag?

Koetter: Dass ich an Deutschland glaube. Hier gibt es ein enormes Potenzial unter den Studenten. Viele sind clever, motiviert und voller wissenschaftlicher Neugier. Die wollen gute Arbeit machen. Ich denke, dass diese wissenschaftliche Neugier zu enormen akademischen Leistungen führen kann, wenn man die richtigen beruflichen Voraussetzungen schafft.

SZ: Was läuft in Amerika besser?

Koetter: Die deutlichsten Unterschiede gibt es wahrscheinlich im akademischen Mittelbau. Als ich damals Assistant Professor wurde, war ich bereits ein vollwertiges Mitglied der Forschergruppe in Illinois. In meinem Fachgebiet allein waren wir sieben Professoren, und wir waren alle gleich. Wir verbringen bis heute viel Zeit miteinander und denken über Ideen und Probleme nach. Letztlich geht es nur darum, welche Arbeit man macht und wie gut man sie macht. Die Forschung läuft eher in Gruppen. Titel oder Status zählen hier nicht. Finanziell ist das möglich, weil im Prinzip jeder Professor ein eigener Start-up ist. Die Grundausstattung eines Professors hier ist minimal, aber wenn ich gute Forschungsanträge schreibe, werden die auch genehmigt und relativ gut ausgestattet.

SZ: Wird der deutsche Nachwuchs zu sehr gegängelt?

Koetter: Der deutsche Assistent ist einerseits Student, der an seiner Promotion arbeitet, andererseits ein voller Mitarbeiter. Die Leute machen also einen Teil des Jobs, den ich auch einst als Assistant Professor gemacht habe. Zugleich aber sind sie noch Studenten und damit nicht gleichwertige Mitglieder der Forschergruppe. Im Vergleich dazu haben die PhD-Studenten in den USA viel weniger Pflichten als die Mitarbeiter eines Instituts in Deutschland. Die Institutsarbeit wird auf mehr Professoren verteilt, die aber auch frei sind, ihre eigenen Forschungsinhalte zu bestimmen.

SZ: Warum kommen Sie zur TU?

Koetter: Der Lehrstuhl, um den es geht, ist in meinem Fachgebiet wahrscheinlich der renommierteste in Deutschland und international bekannt. Ich glaube, dass man hier prima forschen kann und dass das eine Chance ist. Ich bin in dem System groß geworden und es ist vielleicht auch ein Stück Idealismus dabei, nun zurückzukommen. Ich hoffe, hier einen Beitrag leisten zu können. Ich lebe jetzt seit zehn Jahren in den USA und habe vom amerikanischen Optimismus gelernt. Packen wir es einfach an und schauen. In drei, bis vier Jahren werde ich in der Lage sein zu bewerten.

SZ: Hätten Sie auch in Deutschland eine solche Karriere gemacht?

Koetter: Schwer zu sagen. Die Chance, nach meinem Postdoc als Assistant Professor als gleichberechtigtes Mitglied einer Forschergruppe anzufangen, das wäre wohl in Deutschland nicht möglich gewesen. Ich glaube übrigens auch nicht, dass die Juniorprofessur funktionieren kann ohne ein Tenure-Track-System, ohne die Perspektive also, bei positiver Begutachtung übernommen zu werden. Ein Assistant Professor ohne echtes Tenure Track wäre auch in den USA Karriere-Selbstmord. Ich kenne viele junge Forscher aus Deutschland, und ich glaube nicht, dass man die mit der Juniorprofessur zurückholen kann.

© SZ vom 30.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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