Wissensmanagement:Die Nadel im Heuhaufen finden

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Datenbanken allein garantieren noch kein erfolgreiches Wissensmanagement: Nur was sich gut handhaben lässt, wird auch genutzt.

Sabine Hense-Ferch

(SZ vom 29.9.2001) "Die Vernachlässigung von Wissensmanagement kostete eine Firma im Jahr 2000 rund 5000 Dollar pro Mitarbeiter. Im Jahr 2003 werden es schon 5800 Dollar sein", prophezeit Stefan Krüger, Marketing Manager beim Softwarehersteller Lotus. Dies wollen Untersuchungen der International Data Corporation herausgefunden haben.

Balance finden

Wie aber schafft man es, Wissen auf Knopfdruck abrufbar zu machen? Wie können Unternehmen die Datenberge, die sie täglich produzieren, bewältigen - und damit profitabel machen? Und: Wer entscheidet überhaupt, was wissenswert für andere ist? Und wenn etwas als wissenswert gilt, wer hat die Zeit, all das zu sortieren, zusammenzufassen, zu systematisieren, damit man es auch wiederfindet? Wenn Datenbanken nicht gepflegt werden, verkommen sie zu Datenfriedhöfen, in die keiner mehr reinschaut.

"Viele Datenbank-Konzepte scheitern beim Versuch, eine sinnvolle Struktur der Datenaufbereitung aufzubauen", sagt Professor Heinz Mandl, Lehrstuhlinhaber für pädagogische Psychologie an der Universität München, und Experte in Fragen des Knowledge Managements. "Datenbanken und Intranets werden häufig nicht genutzt, weil sie kein relevantes und wenig aktuelles Wissen enthalten. Oder weil man es nicht schnell genug finden kann."

Hinzu kommt ein weiteres Problem: Expertenwissen ist häufig nur sehr beschränkt auf Dritte übertragbar. Das Know-how eines Mitarbeiters hat sich entwickelt, ist gereift und durch einen einmaligen Erfahrungsprozess in dessen Person verankert.

Die Kunst besteht darin, eine Balance zwischen übertragbarem und nicht übertragbarem Wissen zu finden, das an besondere Kontexte und Personen gebunden ist. "Der Blick in die Datenbank kann eigentlich nur der erste Schritt sein. Datenbanken können nur die faktischen Grundlagen schaffen. Dann muss da irgendwo eine Telefonnummer stehen: Wenn ihr mehr wissen wollt, dann ruft den Experten xy an", so Professor Mandl.

Streuverluste vermeiden

Bei den meisten Unternehmen setzt man auf die Mitarbeit aller Datenbank-User. So auch bei IBM Global Services. Seit sechs Jahren arbeitet das Unternehmen mit einem zentralen System zum Wissensmanagement, das firmenrelevante aktuelle Informationen per Mausklick weltweit zur Verfügung stellt. "Unsere Datenbank besteht aus den Beiträgen von rund 60 Teams, so genannten Wissensnetzwerken, die von ihren Projekten berichten. Autoren sind die Experten selbst. So wollen wir Streuverluste vermeiden", erzählt Bettina Nerbel, bei IBM Global Services zuständig für Knowledge Management und Intellectual Property.

Anreiz mitzumachen ist allein, dass der Name des Autors unter dem jeweiligen Beitrag steht und man sich so unter Kollegen bekannt macht. "Diese Vorbildfunktion ist ab einem bestimmten Karriere-Level ein wichtiges Motiv, mitzumachen", so Bettina Nerbel. "Man kann schließlich nicht jede Zusatzleistung honorieren." Immerhin kürt ein vierteljährliches Preisausschreiben die besten Beiträge zum Wissensnetzwerk.

Input abladen

Auf die direkte Mitarbeit der virtuellen Teams setzt auch das Sharenet: Die Erfindung des ehemaligen Siemens-Managers Christian Kurtzke nutzen heuten neben Siemens auch andere Unternehmen wie Rheinmetall und Funworld. Vor knapp einem Jahr gründete Kurtzke zusammen mit dem Ex-Xerox-Manager Olivier Raiman die Firma Agiliance.

"Sharenet ist eine gemeinsame Plattform für virtuelle Teams", erklärt er. "Man kann damit kommunizieren, Dokumente lesen und mehr. Zwischendurch wird der Nutzer gebeten, etwas Input abzuladen, aus dem sich der Wissensspeicher speist. Wissensmanagement ist wie ein Abfallprodukt des Systems. So ist kein zusätzlicher Aufwand nötig, Sharenet arbeitet selbstständig."

Prozesse verkürzen

Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig: Durch Sharenet können Mitarbeiter weltweit Hintergrundwissen über Kunden, Partnerfirmen, Konkurrenten und Märkte abrufen. Die Suche nach Informationen, das Erstellen eines Konzepts und die Vermarktung gehen damit erheblich schneller. "Mit Sharenet lassen sich auch Vorgänge im Unternehmen vereinfachen. Eine Reklamationsabwicklung und Auftragsanfragen beispielsweise. Kommt der Anruf eines Kunden, wird die entsprechende Mitteilung automatisch an fünf Stellen weitergeleitet. Die Zeit der gesamten Lieferkette verkürzt sich, der Service gewinnt dadurch."

Auch das Lotus Discovery System, erst seit zwei Monaten auf dem Markt, wirbt damit, pflegeleicht zu sein: "Das System kategorisiert alle Arten von Dokumenten: Ob Mails, Berichte, Beiträge in Newsforen oder Faxe. Sie werden durchsucht und automatisch einem Bereich zugeordnet", sagt Lotus-Manager Stefan Krüger. Von der oft kritisierten reinen Technik-Fixierung glaubt man sich bei Lotus auf elegante Weise gelöst zu haben: "In das System integriert ist ein Expertenfinder" erklärt Krüger, "der ermittelt, welche Kollegen zu welchen Themen Fachkenntnis besitzen."

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