Weiterbildung:Büffeln nach Dienstschluss

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Weiterbildung verbessert die Job-Chancen - doch der Markt ist unübersichtlich.

Jutta Göricke

Stefan Kremer kann stolz sein. Der Berliner hat sein Abitur in der Tasche. In den letzten Jahren hat der 28-Jährige tagsüber diszipliniert seinen Job als Schadenssachbearbeiter bei einer Versicherung erledigt, abends hat er die Schulbank gedrückt.

In Deutschland werden jährlich mindestens 720.000 Abschlüsse und Zertifikate in der Weiterbildung vergeben. Weiterbildung ist nützlich beim nachträglichen Erwerb von schulischen Abschlüssen, sattelt auf früher erworbene Qualifikationen und Kompetenzen auf und hilft dabei, in Phasen des Umbruchs Nachweise zu erwerben, um sich neuen Rahmenbedingungen besser anpassen zu können.

Doch wer behält angesichts der unüberschaubaren Vielfalt den Überblick? Wie lässt sich der tatsächliche Nutzen einschätzen? Immerhin: Eine Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) in Bonn belegt, dass es viele Abschlüsse und Zertifikate in der Weiterbildung gibt, die die Nachfrage der Arbeitswelt punktgenau bedienen.

Abitur per zweitem Bildungsweg boomt

Etwa 70 Prozent der Inhaber eines IHK-Zertifikats berichten von einem beruflichen Aufstieg oder einer Einkommensverbesserung. 67 Prozent der Arbeitslosen fanden spätestens sechs Monate nach dem Erwerb eines staatlichen Abschlusses wieder Arbeit.

Bundesweit boomt das Abitur per zweitem Bildungsweg trotz stagnierender oder rückläufiger öffentlicher Förderung. Was laut Studie aber fehlt, sind stärkere Bemühungen um eine Strukturierung des sowohl für Laien als auch für Experten wenig überschaubaren Marktes der Weiterbildungsabschlüsse. Den Lernenden falle es schwer, Qualität und Akzeptanz der zahlreichen Nachweise einzuschätzen.

Um diese Situation zu verbessern, regt das BIBB an, eine staatliche Weiterbildungsstatistik aufzubauen, die trägerübergreifend die abschlussbezogene Weiterbildung erfasst. Es sollten Zertifikatssysteme in Baukastenform eingeführt werden, die einrichtungsübergreifend von Flensburg bis Füssen gelten und das europäische Umland berücksichtigen.

Gerade der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR) und das Europäische Credit System für die berufliche Bildung (ECVET) könnten Vorbilder sein. Warum sollten sich die Weiterbildner nicht für Europa öffnen - so wie die Hochschulen im Rahmen des Bologna-Prozesses?

Wer weiß, vielleicht sattelt Stefan Kremer dann noch ein Aufbaustudium in Paris drauf, um später eine Führungsaufgabe im französischen Sitz seines Unternehmens zu übernehmen.

© SZ vom 1.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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