USA:Der mächtige Zauderer

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Präsident Bush regiert druckvoll, doch vor einer Rentenreform schreckt er weiter zurück.

Marc Hujer

(SZ vom 19.11.2002) Von der großen Rentenreform, der Privatisierung der alten Social Security, reden Amerikas Konservative seit vielen Jahren. Sie haben Kommissionen bestellt, Modelle entworfen, und nur noch auf den geeigneten Moment gewartet, endlich einmal eine Reform ohne die Demokraten verabschieden zu können. Jetzt aber, da es soweit ist, da der konservative Präsident George W. Bush mehr Macht hat als die meisten seiner Vorgänger, da er als erster Präsident seit den sechziger Jahren die Zwischenwahlen gewann und die eher linke New York Times spekuliert, mit den Bushs reife vielleicht die größte Politikerdynastie Amerikas heran, ist es vorbei mit den mutigen Rentenplänen.

Andrew Card, Stabschef im Weißen Haus, sagt, die Reform ist wichtig, sie wird kommen, aber vielleicht nicht im nächsten Jahr - und 2004 ist wieder Präsidentschaftswahl. Es sieht also so aus, als werde die Rentenreform nicht kommen - und das obwohl Bushs Berater, vor allem auch der konservative Karl Rove, auf eine schnelle Rentenreform gedrängt haben sollen. Aber auch sie wissen, dass die Popularität von Bushs Rentenplänen seit den Bilanzskandalen und Börsencrashs extrem gelitten hat. Die jüngsten Umfragetrends sind eindeutig: Die Zustimmung zu Bushs Reform ist um ein Drittel gefallen, die Mehrheit der Amerikaner hält inzwischen eine Privatisierung des staatlichen Rentensystems für riskant, nur noch 42 Prozent fürchten den Fortbestand des alten Systems. Im Juni 2000, als der Dow Jones noch über 10.000 Punkten schloss, war noch eine Mehrheit der Amerikaner der Meinung, das alte System dürfe nicht beibehalten werden.

Bushs Pläne haben sich seit seinem Amtsantritt kaum geändert. Im Wahlkampf vertrat er ein Modell, dass ihm sein heutiger Chefökonom Laurence Lindsey entwarf: eine Teilprivatisierung der Rente. Danach sollten alle Versicherten die Möglichkeit bekommen, bis zu zwei Prozentpunkte ihrer bisherigen Beiträge zur staatlichen Social Security (insgesamt 12,4 Prozent des Bruttoverdienstes) in privat gemanagte Aktien- und Vermögensfonds umzuleiten. Eine von Bush im vergangenen Jahr einberufene Rentenreformkommission legte drei Alternativkonzepte vor, die Bushs Rentenkontenmodell in unterschiedlicher Ausprägung berücksichtigten. Die Kommission diskutierte eine Teilprivatisierung von bis zu vier Prozentpunkten, was ein Drittel der derzeitigen Rentenbeiträge betreffen würde.

Der wirtschaftsliberale Flügel der Partei hat die Hoffnung auf eine Rentenreform nicht aufgegeben und insbesondere an der Wall Street hofft man, von der Reform bald profitieren zu können. Immerhin, so argumentieren die Befürworter der Reform, könnte Bush so die Gunst vieler Amerikaner gewinnen, denn 47 Prozent der US-Bürger haben einen privaten Pensionsplan. Würde Bush Geld aus der Rentenkasse an die Wall Street umleiten, profitierten sie alle davon.

In anderem Zusammenhang hatte Bush schon einmal eine Steuervergünstigung für Aktiengeschäfte in Aussicht gestellt, um die vielen Millionen Anleger für die herben Verluste der letzten Monate ein wenig zu entschädigen. Seine Rentenreform hätte noch deutlich mehr Wirkung. Doch sie bedeutet auch, dass die Rentner auf einen Teil ihrer sicheren Renteneinnahmen aus der staatlichen Kasse verzichten müssen, denn anders wäre die Umstellung nicht zu finanzieren. Und das fällt in Zeiten der Wirtschaftsskandale um Enron auch den Amerikanern nicht leicht.

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