Universität Hamburg:Forschung unter rostigen Rohren

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Die Hamburger Universität ist in einem erbarmungswürdigen Zustand. Manche Gebäude sind so verfallen, dass man sie fast evakuieren muss. Jetzt wird über einen kompletten Neubau am Hafen nachgedacht.

Jens Schneider

Schon der Eingangsbereich des früheren Bunkers schreit nach dem Warnschild "Betreten der Baustelle verboten, Eltern haften für ihre Kinder". Die Tür zum Institut für Bodenkunde auf dem Campus der Hamburger Universität lässt sich nur schwer bewegen.

Der "Wiwi-Bunker" aus den 70er Jahren: Vielen Hörsäle haben weder Fenster noch Lüftung, häufig fällt der Strom aus. (Foto: Foto: Dirk Ingo Franke)

Drinnen sind die Decken bedrückend niedrig, dass sie einen Fluchtinstinkt provozieren. Alte Leitungen liegen über Putz. In die Labors dringt wenig Licht. Im obersten Stockwerk präsentiert Monika Auweter-Kurtz, die Präsidenten der Universität, eine abenteuerliche Installation.

Unter der Decke hängt eine defekte, unappetitlich vergilbte Rohrleitung. Um Wasser aufzufangen, ist darunter eine Dachrinne in die Wand geschraubt.

Ein Parlamentarier aus der kleinen Besuchergruppe fühlt sich an ein Entwicklungsland erinnert, in dem prächtige Gebäude über Jahre vernachlässigt worden sind. Das klingt klischeehaft und ist doch eine genaue Beschreibung des Zustands der Hochschule an der Alster in der Wirtschafts-Boomtown Hamburg.

Im Flur des Instituts beginnt die Rektorin fast zu flüstern. Das Haus hat etwas unsagbar Beschämendes. "Hier arbeiten Mitglieder der bundesweiten Exzellenzinitiative'", sagt die Physikerin und betont dass sie wirklich Elite sind: Spitzenleute von internationalem Rang. Sie bekommen oft Besuch renommierter Kollegen. "Aber hier kann man doch niemanden empfangen, das ist peinlich."

Keine Ausnahme

Das Institut für Bodenkunde in einem früheren Bunker ist mit seinem erbarmungswürdigen Zustand keine Ausnahme. Neben wenigen feinen Neubauten prägen Zeichen des Verfalls den Campus der fünftgrößten deutschen Hochschule.

Im passenderweise Wiwi-Bunker genannten Komplex der Wirtschaftswissenschaften gibt es in vielen Hörsälen keine Fenster, keine Lüftung, häufig fällt der Strom aus. Die Narben an der Fassade des Geomatikums erinnern an zerschossene Hochhäuser, gelegentlich stürzen Teile ab. Der Plattenbau der Psychologen sieht so beklemmend aus, dass sein Zustand zu Witzen über die Bestimmung der dortigen Studenten einlädt.

Dennoch wirkt die Rektorin froh, dass die Öffentlichkeit endlich den maroden Zustand und die Platznot wahrnimmt. Offen führt sie die hochschulpolitischen Sprecher von CDU und GAL - Fachpolitiker der Fraktionen in Hamburgs schwarz-grüner Koalition - über den Campus. Ein Vorschlag der Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach (CDU) hat eine aufgeregte Debatte entfacht.

Eines von vier Szenarien einer schwarz-grünen Arbeitsgruppe sieht den kompletten Umzug vom Rothenbaum an der Alster an den Hafen an der Elbe vor. Sogar einen Standort für den neuen Campus kennt Gundelach: Gedacht ist an ein citynahes Gelände am Kleinen Grasbrook südlich der neuen Hafen-City, einem der spannendsten Bauprojekte Europas.

Es wäre ein gewaltiges Vorhaben: 38000 Studenten lernen und forschen heute an der Uni, davon 25000 auf dem Campus, der sich links der Alster im Stadtteil Eimsbüttel weit ausdehnt.

"Fast schon evakuieren"

"Die Idee ist erst mal nur eine von vieren", betont Gundelach. Auch eine Sanierung am Standort und zwei kleinere Mischlösungen sollen geprüft werden.

Fest stehe aber, dass dringend Handlungsbedarf bestehe. Manche Gebäude seien so verfallen, "die muss man fast schon evakuieren". Für den angestrebten Aufstieg der Hochschule aus dem Mittelmaß an die deutsche Spitze werde eine neue, moderne Struktur gebraucht.

Die Idee eines kompletten Neuanfangs wirkt auf manche Hamburger arg radikal. Zwar ist Hamburgs Universität nicht das, was man altehrwürdig nennt. Die geschäftssinnigen Bürger legten lange wenig Wert auf eine Hochschule, so ist die Universität erst 1919 gegründet worden.

Auch war die Hansestadt nie so innig mit ihren Studenten verbunden wie Heidelberg, Freiburg oder München. Aber der Campus hat seine Geschichte, vor allem aus 68er-Zeiten. Durch ihn war Eimsbüttel lange eins der lebendigsten Viertel. Das Leben in Restaurants wie dem Arkadasch oder rund ums Abaton-Kino am Campus haben Studentengenerationen geprägt. Schon regt sich im Quartier Widerstand, obwohl sich für die Flächen der Universität gewiss schnell Interessenten finden würden.

An den Stadtteil denken

"Wir müssen auch an den Stadtteil denken", sagt der CDU-Hochschulpolitiker Wolfgang Beuß, der aus dem Viertel kommt. Die GAL-Politikerin Eva Gümbel mahnt, in Ruhe nachzudenken und alle Optionen zu prüfen.

Auch sie sieht dringenden Handlungsbedarf, weist aber auf die klamme Finanzlage Hamburgs hin. Mindestens eine Milliarde Euro könnte der Neubau am Hafen kosten, lautet die grobe Schätzung von Senatorin Gundelach.

Für die Studentenvertretung an der Uni wie auch die Hochschulrektorin steht fest, dass eine kleine Sanierung nicht ausreicht. Auch wenn man auf dem Campus bleibe, müsse vieles grundsätzlich neu gebaut werden.

Während der Führung bleibt Auweter-Kurtz für einen Augenblick auf dem Campus stehen und zeigt auf einige Gebäude: "Die müssten weg, dort müsste alles neu gemacht werden." Sie wünscht eine "Generalentscheidung" und warnt doch: Es dürfe nicht der Bau am Hafen beschlossen werden, "und dann passiert zehn Jahre nichts."

Auch die Senatorin glaubt kaum, dass eine reine Sanierung ausreicht. Mit einer Richtungsentscheidung sei aber, sagt sie, nicht vor nächstem Frühjahr zu rechnen.

© SZ vom 17.07.2008/mei - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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