Uni Erfurt:Polit-Elite aus Erfurt

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Ein neuer Studiengang will Nachwuchs für Europa ausbilden.

Gregor Schmitz

(SZ vom 12.3.2002) Ein Politikstudium ist ein Wechselbad der Gefühle. Im ersten Semester liest der angehende Politologe vielleicht Max Weber und kann begeistert nachschlagen, dass die Politik, sein Studienobjekt, nicht nur ein Bohren dicker Bretter, sondern auch Betätigungsfeld für Helden ist, die einen "Nervenstrang historisch wichtigen Geschehens" in Händen halten. Nur: Im Uni-Alltag ist die Politikwissenschaft an Deutschlands Unis für die Nähe zu Heldentaten nicht unbedingt bekannt, eher schon als Steilvorlage für Podiumsdiskussionen zum Thema "Wozu braucht man eigentlich Politologen?"

Strategie und Ethik

Eine Antwort darauf will man an der Uni Erfurt geben. Dort startet im kommenden Wintersemester eine "Professional School", deren Jungfernstudiengang ein zweijähriges Master-Programm in "Public Policy" sein wird. Laut Broschüre können Studenten mit erstem Abschluss eine praxisnahe Ausbildung erwarten, um später Führungspositionen auf deutscher und europäischer Ebene in Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Verbänden zu übernehmen. Geplant sind Kurse in strategischem Management, Theorie und Praxis politischer Entscheidungsfindung, ethischen Fragen politischen Handelns und empirischer und quantitativer Methoden.

"Mit diesem Angebot betreten wir Neuland", sagt Dietmar Herz, Professor an der Staatswissenschaftlichen Fakultät in Erfurt und Koordinator des Studiengangs. Das stimmt insofern, als es europaweit lediglich in England vergleichbare Programme gibt. In Frankreich existieren zwar die "Grandes Ecoles", aus denen der staatliche Führungsnachwuchs hervorgeht, doch die Eliten-Rekrutierung verläuft anders.

Mit amerikanischen Vorbildern lässt sich Erfurt am ehesten vergleichen, etwa mit der Kennedy School of Government in Harvard, die auch Herz absolvierte.

Herz allerdings will "nicht einfach das amerikanische Modell übernehmen". Ihm geht es eher darum, deutschen und stärker noch europäischen Bedürfnissen entgegenzukommen. Das bedeutet, dass auch Veranstaltungen in europäischer Geschichte, Politik und Integration wichtiger Teil des Lehrplans sind. Vorlesungen und Seminare werden in Deutsch und Englisch abgehalten, jedem Studenten stehen zwei Mentoren zur Seite.

Soviel Betreuung hat ihren Preis. Herz rechnet mit Studiengebühren von mehreren tausend Mark pro Jahr, ist jedoch optimistisch, dass über die eingeworbenen Drittmittel jeder bedürftige Student ein Stipendium erhalten wird.

Und nach dem Studium?

Die spannendste Frage ist aber freilich, was aus den Absolventen werden soll. Peter Glotz, einst Gründungsrektor von Erfurt, hat einmal gesagt, die deutsche Ministerialbürokratie sei so statisch, dass der ordentliche Volljurist lieber eingestellt werde als der brillante Absolvent einer Kennedy School of Government.

Auch Dietmar Herz sieht die Gefahr, eher für Unternehmensberatungen als die politische Administration auszubilden. Er glaubt dennoch an einen Wandel: "Das politische Umfeld in Beratung und Wahlkampf wird ja immer professioneller und damit offener für Absolventen von Professional Schools."

Besonders interessant sei jedoch die Option einer Europa-Karriere. "Auf den Concours zum Eintritt in die EU-Verwaltung bereitet unser Curriculum glänzend vor", sagt der Professor. So könnten beispielsweise die europäischen Politiker und Verwaltungsbeamten, die als Lehrbeauftragte nach Erfurt kommen, wertvolle Hinweise geben.

Nicht überraschend ist also, dass die Anfragen für den neuen Studiengang aus ganz Europa kommen, insbesondere auch aus Osteuropa. Höchstens dreißig bis vierzig Studenten werden im kommenden Herbst den Public Policy-Studiengang beginnen können. Bei einem Bewerber-Überschuss soll es rigide Auswahlverfahren geben. "Das Ganze hat schon elitären Charakter", sagt Herz.

Kontakt: dietmar.herz@uni-erfurt.de

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