TU München:Die Wachstums-Branche

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Wie eine kleine Firma Studenten unternehmerisches Denken nahebringt.

Von Martin Thurau

"Wir leben vor, was wir predigen." Ein smarter Satz ist das, einer wie aus dem Lehrbuch für Unternehmenskommunikation. Helmut Schönenberger sagt ihn mit einem Anflug von Ironie, den Inhalt meint er ernst. Denn der Ingenieur und Wirtschaftsingenieur ist einer der Geschäftsführer einer kleinen Firma an der Technischen Universität (TU) München, die sich zum Ziel gesetzt hat, das unternehmerische Denken an der Hochschule zu fördern, um die Absolventen auf das Berufsleben und womöglich die Selbstständigkeit vorzubereiten. Wer also wie Schönenberger mit Seminar, Coaching und Beratung Business-Mentalität und Gründergeist in die Studentenköpfe pflanzen will, muss davon selbst eine gute Portion unter Beweis stellen: Wachstum als Wille und Vorstellung sozusagen.

Vor gut zweieinhalb Jahren ist die UnternehmerTUM GmbH - so heißt Schönenbergers Firma - gegründet worden, im letzten Jahr erreichte sie mit ihren Angeboten bereits gut 500 Studenten und vornehmlich jüngere Wissenschaftler an der TU. "Aus dem Nichts heraus" entstanden, betreue sie somit heute schon rund 20 Prozent der Absolventen eines Jahrgangs, rechnet Schönenberger vor. In den kommenden beiden Semestern könnten es sogar 1000 sein: "Wir durchleben eine Phase extremen Wachstums."

Studium als Investment

Es klingt nach Halbzeitbilanz: Schließlich bekommt die UnternehmerTUM GmbH fünf Jahre lang eine Anschubfinanzierung von 2,8 Millionen Euro. Das Geld stammt von Susanne Klatten, Quandt-Erbin und Unternehmerin, die auch im TU-Kuratorium sitzt. Anfangs waren sie in der Firma zu dritt: Bernward Jopen, ein Ex-Unternehmer und Business-Angel, und Schönenberger als Geschäftsführer sowie Gunda Opitz für die Öffentlichkeitsarbeit. Heute arbeiten "im inneren Kern" etwa 15 Personen.

Insgesamt, so hoffen Luft- und Raumfahrtingenieur Schönenberger und Architektin Opitz, die in ihren Abschlussarbeiten zum "Master of Business Administration (MBA)" an der TU das Konzept der Firma skizziert haben, solle die kleine GmbH entscheidend dazu beitragen, dass aus der TU einmal eine "unternehmerische Hightech-Universität" wird. Eine Ingenieursschmiede dürfe nicht nur technisch versierte Absolventen auf den Arbeitsmarkt entlassen, sondern müsse ihnen auch das wirtschaftliche Rüstzeug und wenn möglich erste Erfahrungen im Projektmanagement mitgeben.

Eine notwendige Hilfestellung, meint Schönenberger: "Das Studium ist wohl das größte Investment, das man in der Regel in seinem Leben macht. Aber komischerweise planen die meisten nicht sauber, sondern gehen ziemlich orientierungslos daran." Viele Studenten fingen erst ein halbes Jahr vor dem Abschluss an zu überlegen, wie es danach mit ihnen weitergeht, ergänzt Opitz. "Wir sagen: Es gibt ein Leben nach dem Studium." Es gebe außerdem "so viel Kreativität und Energie unter Studenten", schwärmen die beiden. Die gelte es freizusetzen. Ein gewaltiges "Innovationspotenzial", schließlich verfüge die TU über einen "Pool von 20.000 Studenten".

Als eine Art Teaser im Business-Lehrprogramm an der TU sehen die beiden eine Vorlesungsreihe, in der erfolgreiche Unternehmer und Firmengründer von ihren Erfahrungen und ihrer Arbeit berichten. Oft seien die Vortragenden Alumni; das erhöhe durchaus die Identifikation, so Opitz: "Die Studenten können erkennen, dass der Redner da vorn am Pult vor Jahren auch mal in den Bankreihen saß." Zum Beispiel Stefan Vilsmeier, der die Firma Brainlab, die computergesteuerte Medizintechnik entwickelt, in der Nähe von München aufgebaut hat und nun allenthalben als Vorzeige-Unternehmer herumgereicht wird. Nun ja, Vilsmeier saß damals angeblich nur 22 Tage im Hörsaal, dann schmiss er das Informatikstudium hin, "um wirklich etwas zu bewegen". Heute besitzt er 60 Prozent an einem Unternehmen mit mehr als 450 überwiegend hochqualifizierten Beschäftigten, schreiben die Wirtschaftsblätter. Die Firma hielt sich auch gut, als der Neue Markt abschmierte.

Ein zweiter Baustein des Programms sind Seminare, die Studenten und junge Wissenschaftler auf den Münchner Businessplan-Wettbewerb (MBPW) vorbereiten, in dem die besten und durchdachtesten Ideen für Firmengründungen gesucht werden. Über drei Stufen geht das Auswahlverfahren, die erste davon, in der die Geschäftsideen entwickelt werden, läuft komplett an den Hochschulen. Für die TU hat die UnternehmerTUM die Betreuung übernommen.

Allem Anschein nach ziemlich erfolgreich: Im vergangenen Jahr reichten gut 100 Teams ihre Businesspläne zum MBPW ein; 32 kamen von der TU und wiederum 30 davon aus den Seminaren der UnternehmerTUM, rechnet Schönenberger vor, der als Student selbst schon bei der Gründung der TUMorrow GmbH dabei war, einer studentischen Unternehmensberatung. Auch bei den Business-Kursen stehen die Indikatoren auf Wachstum: Im kommenden Wintersemester sollen zehn parallele Veranstaltungen stattfinden, im letzten Winter waren es vier. Dazu kommen Seminare in "unternehmerischer Medienkompetenz".

Über jeweils drei Semester läuft das Förderprogramm "Manage & More" an der UnternehmerTUM GmbH. Mittlerweile bewerben sich mehr als 80 Studenten dafür, einen Platz bekommen nach einem dreistufigen Auswahlverfahren 20. "Das sind Leute mit Drive", sagt Schönenberger. Am letzten Kurs hätten zum Beispiel vier Studenten teilgenommen, die schon einmal ein Unternehmen gegründet haben. Zum Programm gehört neben den Business-Seminaren eine Betreuung durch Mentoren aus der Wirtschaft. Die meisten kommen von den Partnerunternehmen Altana (Chemie/Pharma; die Aktienmehrheit hält Susanne Klatten), BMW, Brainlab, General Electric und vom Garchinger Technologie- und Gründerzentrum (Gate).

Hilfe für die Provinz

Im Mittelpunkt stehen so genannte Innovationsprojekte, mit denen die Studenten in Firmen an realen Vorhaben beteiligt werden. In den drei Monaten im Unternehmen sollen sie, so Schönenberger, einen "wertschöpfenden Beitrag" leisten. In einem der derzeit geplanten Projekte beispielsweise geht es darum, einen Traditionsbetrieb wiederzubeleben und so Arbeitsplätze in einer strukturschwachen Region zu schaffen.

Nicht eine Generation alerter Start-up-Unternehmer ist das unbedingte Ziel solcher Schulungsprogramme, beteuern Helmut Schönenberger und Gunda Opitz: "Wir drängen niemanden in die Firmengründung." Nicht aus jeder Idee müsse ein Start up werden, "da würden wir viele ins Verderben schicken". Aber es habe einen großen Lerneffekt, schon einmal einen Businessplan geschrieben zu haben. Und wer wie die 40 Teilnehmer eines Studentenprojekts an der TU bei der Jobsuche bei einem Autohersteller sagen könne, er habe schon einmal im Team einen Rennwagen entwickelt, einen, der immerhin 180 fährt und in drei Sekunden von null auf hundert beschleunigt, der sei kein schlechter Kandidat für einen gut dotierten Angestelltenposten.

© SZ vom 22.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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