Telefonieren in der Öffentlichkeit:Ruhe bitte!

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Geschmacklose Klingeltöne und die Wort gewordene Schmierseife eines Kundengesprächs sind die wahre Pest: Geschäftstelefonate kontaminieren den öffentlichen Raum.

J. Göricke

Es gibt Leute, die haben ihr Büro in die S-Bahn verlegt. Das ist in Ordnung und auch sozialverträglich, solange sie friedlich vor sich hin exceln und keine Geräusche dabei machen. Dass man als Sitznachbar angestrengt darauf achten muss, überall hinzugucken, nur nicht auf den Bildschirm mit den vertraulichen Firmendaten: geschenkt.

Das öffentliche Büro: Der Geschäftsmann bellt im rüden Befehlston seiner Sekretärin ihre Aufgaben für den Tag durch. (Foto: Foto: iStock)

Schließlich ist der Blick aus dem Fenster ohnehin schöner. Dass man sich fragt, was der Kollege denn in den 20 Minuten, die der Zug zum Flughafen braucht, Wichtiges zu erledigen vermag, wo doch der Rechner allein zum Hoch- und Runterfahren zehn Minuten braucht: was soll's.

Unausweichlicher Ohrenmüll

Die wirkliche Pest ist diese Kakophonie aus sehr geschmacklosen Bushido-Schlümpfe-Kaiserwalzer-Klingeltönen und überlaut geführten Telefonaten. Unausweichlich, Ohrenmüll. Da muss man auf der Wort gewordenen Schmierseife eines Kundengesprächs herumrutschen, sich dem rüden Befehlston eines Geschäftsmannes mit Mittelmaßanzug stellen, der seiner Sekretärin ihre Aufgaben für den Tag durchbellt.

Ganz oft werden auch - selbstverständlich unter öffentlicher Nennung von Ross und Reiter - Verhandlungsergebnisse durchgekaut und die Punkte besprochen, die noch der Nachbesserung bedürfen. Und da hat der Doktor Schneider doch nicht so ganz geschickt agiert, nicht wahr?

Der Workflow kann nicht warten

(Hier kommt eine Warnung an alle Plappermäuler: Man könnte, wenn man gemein und auf Rache aus wäre, sehr leicht an dieser Stelle ein solches Telefonat mit allen Einzelheiten wiedergeben. Im Zusammenhang mit Datum, Wegstrecke, Firmennamen und ein, zwei anderen namentlich genannten Personen, wäre der Telefonierer jederzeit zu identifizieren, böse, böse. Aber man ist ja weder gemein noch rachedurstig.)

Die Frage ist: Sind solche Telefonate nötig? Die Antwort ist leider: oft genug ja. Manche Beiträge zum Workflow können einfach nicht warten. In Zeiten, in denen jeder weiß - Kunde, Chef, Assistent -, dass man immer und überall erreichbar ist (tiefe Tunnel und die Zeit im Flieger mal ausgenommen), könnte es leicht als mangelnde Flexibilität, Desinteresse, Unhöflichkeit ausgelegt werden, wenn man längere Gesprächspausen einlegt und sich damit aus der Geschäftswelt ausklinkt.

Auf der nächsten Seite: Warum der mobile Mensch tatsächlich nur wenige Rückzugsorte hat, an denen es sich in Ruhe telefonieren lässt - und wie man Dampfplauderern begegnen sollte.

Dampfplauderer, der den Lärmpegel hochtreibt

Hinzu kommt, dass der mobile Mensch tatsächlich nur wenige Rückzugsorte hat, an denen es sich in Ruhe telefonieren lässt, mal ist es eine Business-Lounge, mal eine Hotellobby, mal die ausgewiesene Handyzone im ICE.

Andererseits: Oft genug kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Telefonate, zum Teil wenigstens, für die Galerie geführt werden. Für die Fahrgäste einer S-Bahn, die ungefragt zu Zuhörern eines selbsternannten Performers werden, der wichtige Leute kennt, die Wichtiges bewegen.

Genötigte Zuhörerschaft

Da er aber niemanden zu kennen scheint, der ihm seine eigene Wichtigkeit spiegelt, erzählt er es einem anonymen Publikum und imaginiert: Bewunderung, oh, ah, Neugier, Neid. - Nun, das ist eine falsche Vorstellung. Denn dieser Telefonierer ist aus Sicht der genötigten Zuhörerschaft nur ein weiterer Dampfplauderer, der den Lärmpegel hochtreibt und nervt.

Es wäre so schön, wenn alle Handybenutzer darauf achteten, nur wirklich notwendige Gespräche zu führen und dies möglichst leise und möglichst kurz und möglichst wenig vertraulich. Das wäre ein Akt der Höflichkeit gegenüber anderen Menschen im öffentlichen Raum. Und diesen anderen, genervten Wesen seien Ohrstöpsel empfohlen.

© SZ vom 2.5.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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