Teilzeitarbeit:Geteilter Chefsessel

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Der Teilzeitjob gilt als Karrierebremse: Teilzeit-Führungskräfte sind nach wie vor rar.

Jan Friedmann

"Teilzeit hat kein gutes Image", sagt Joachim Zweig vom Bundesarbeitsministerium. "Teilzeit wird entweder in Verbindung mit einem 630-Mark-Job wahrgenommen oder mit einer halben Stelle. Dass es auch für Führungs- und Fachkräfte Alternativen zur Vollzeitstelle gibt, wird nicht bedacht."

Der geteilte Chefsessel: für viele Führungskräfte undenkbar. (Foto: Quelle: photodisc)

Als Chef um eins zu gehen ist immer noch ein Problem - für die Führungskraft selbst und meist auch für das Unternehmen. Zu groß ist die Befürchtung, von den eigenen Mitarbeitern nicht für voll genommen zu werden. Zudem gilt eine Teilzeitstelle als Sackgasse auf dem Weg nach oben: Wer wichtige Meetings verpasst, befürchtet, sich nicht für Führungsaufgaben zu profilieren.

Der Führungsethos, als erster zu kommen und als letzter zu gehen, ist tief verankert. Viele Führungskräfte können sich nicht vorstellen, ihren Chefsessel zu teilen oder Aufgaben zu delegieren. Grund ist der Glaube, dass die eigene Aufgabe so wichtig ist, dass sie nicht in Teilzeit gelöst werden kann. "Gerade bei der älteren Generation gibt es eher noch eine Kultur der Anwesenheitspflicht", erzählt Stephanie Coleman, Leiterin der arbeitsrechtlichen Personalberatung bei der HypoVereinsbank. "Wir versuchen ihr entgegenzuwirken, indem wir auch bei der Vergütung Leistung vor Anwesensheitszeit stellen."

Eine Frage der Planung

Es gibt jedoch Ausnahmen. Gerade unter jüngeren Führungskräften gewinnen Teilzeitmodelle an Beliebtheit. Zum Beispiel im Öffentlichen Dienst: Martin Ruoff, Leiter des Amtes für Ausbildungsförderung des Studentenwerkes Konstanz, nimmt seine Aufgabe als Personalverantwortlicher für 20 Mitarbeiter in Teilzeit wahr. Der 42-jährige Jurist teilt sich den Erziehungsurlaub mit seiner Frau, die als Psychologin eine Suchtberatungsstelle leitet. Grundlage ist eine genaue Wochenplanung, privat und bei der Arbeit: "Montags arbeite ich den ganzen Tag, dienstags habe ich frei, von Mittwoch bis Freitag bin ich halbtags im Büro. Meine Frau arbeitet 70 Prozent, wir wechseln uns bei der Betreuung unserer kleinen Tochter ab."

Oder Beate Offenberg, Leiterin der Commerzbank-Filiale in Mayen. Die 38-jährige Mutter von zwei Kindern ist verantwortlich für zehn Mitarbeiter. Teilzeit-Chefin ist sie seit 1995, zunächst mit einer Arbeitszeit von 90 Prozent zur Probe, seit 1997 mit einer halben Stelle, verteilt auf vier Tage. Ihre Aufgabe als Kundenbetreuerin hat sie zu 50 Prozent an eine Kollegin weitergegeben, die ebenfalls in Teilzeit arbeitet. "Das setzt eine gute Absprache voraus", sagt die Filialleiterin.

Zuhause erreichbar

Sein Modell funktioniere, weil er ein gutes Team habe, das mitspiele, betont Amtsleiter Ruoff. "Ich kann viel Arbeit delegieren, bleibe aber dennoch für meine Mitarbeiter auch zuhause erreichbar." Ein anderes Modell kennt Ruoff von Kollegen: "Im Standesamt Konstanz teilen sich zwei Frauen die leitende Stelle." Aber er kennt auch die Befürchtungen: "Andere Kollegen scheuen sich vor einem Antrag auf Teilzeit, weil sie einen Karriereknick befürchten oder in ihrer Personalakte nicht als 'Weichei' oder als 'Exot' dastehen wollen."

Filialleiterin Offenberg hatte keine Probleme, ihrem Arbeitgeber die Vorteile der Teilzeitregelung schmackhaft zu machen: "Das Arbeitsergebnis war genauso gut wie vorher." Sie habe mit der Einführung weiterer Teilzeitstellen in ihrer Filiale positive Erfahrungen gemacht: "Wir sind mehr Leute, haben dadurch ein größeres Know-How und können Ausfälle besser abfedern."

Freiwillige Mehrarbeit

Auch im privaten Bereich überwögen die Vorteile der Teilzeitregelung, meinen die beiden Führungskräfte. "Ich kann mein Kind aufwachsen sehen", sagt Martin Ruoff. "Das ist eine tolle Erfahrung. Außerdem organisiert man sich besser, wenn nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung steht." Beate Offenberg hebt hervor: "Ich kann trotz Kinderbetreuung weiter einer qualifizierten Arbeit nachgehen."

Nachteile? "Tatsächlich arbeite ich mehr Stunden als ich muss, und das trotz Leistungsverdichtung", sagt Ruoff. Auch das Abschalten falle ihm mitunter schwer: "Ich nehme schon öfters mal Unterlagen mit nach Hause."

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