Studium mit Tchibo:BWL zum Spartarif

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Sportklamotten, Handytarife oder sogar Möbel hat Tchibo schon länger im Angebot. Jetzt bietet der Kaffeeröster auch Bildung zum Schnäppchenpreis: ein BWL-Studium an der privaten FH Göttingen.

Julia Bönisch

Kurze Studiendauer, Vereinbarkeit mit Beruf und Familie, ein staatlich anerkannter Abschluss - und besonders niedrige Studiengebühren: Mit diesen Vorteilen wirbt Tchibo für sein Bildungs-Sonderangebot. An der privaten Fachhochschule Göttingen kann man sich als Tchibo-Kunde noch bis zum 31. Dezember dieses Jahres für ein Fernstudium zum Diplom-Betriebswirt (FH) einschreiben und zahlt für die komplette Ausbildung pro Monat statt 298 nur 248 Euro. Außerdem entfällt die Prüfungsgebühr von 650 Euro - insgesamt ist das Studium so bis zu 3378 Euro billiger als üblich.

Eine Zusammenarbeit von Bildung und Wirtschaft gibt es schon länger: Das Schul-Sponsoring ist in Zeiten leerer öffentlicher Kassen populär geworden. Software-Unternehmen stiften Computer, ein Hersteller von Frühstücksflocken kümmert sich um den Sportunterricht, und Fast-Food-Konzerne verteilen Unterrichtsmaterialien zu gesunder Ernährung.

EasyCredit- und Aldi-Süd-Hörsäle

Auch nach dem Abitur werden Lernende in eine schöne neue Markenwelt entlassen: An der Uni Nürnberg gibt es einen EasyCredit-Hörsaal, der Spaß kostete die Bank 13.000 Euro. Auch Aldi-Süd legte eine fünfstellige Summe hin, damit einige Vorlesungen an der FH Würzburg-Schweinfurt im gleichnamigen Raum abgehalten werden können.

Eine Kooperation zwischen der privaten FH Göttingen und Tchibo gibt es ebenfalls schon länger: Die Kaffeekette entsendet regelmäßig Referenten an die Hochschule, die dort zum Beispiel über die Marketing-Strategien des Unternehmen sprechen. Studenten der FH erhalten Praktikumsplätze, viele Absolventen sind in der Hamburger Konzernzentrale beschäftigt.

Doch dass gleich ein ganzer Studiengang verschleudert wird, ist neu. "Mit dem Angebot geht es uns nicht um den großen Gewinn, sondern um den Versuch, etwas Neues zu starten", sagt Tchibo-Sprecherin Janna Dreher. "Auf Bildungsangebote bekommen wir immer eine gute Resonanz. So machen wir auf unsere Marke aufmerksam."

3000 Interessenten

Bereits im Frühjahr hatte Tchibo Nachhilfestunden für Schüler vermarktet. Die Offerte kam offenbar so gut an, dass man sich jetzt zu der Uni-Aktion entschloss. Bisher gibt es laut Tchibo etwa 3000 Interessenten, die sich die Informationsunterlagen aus dem Internet heruntergeladen oder in den Filialen besorgt haben.

Das BWL-Studium zum Sonderpreis wird im übrigen nur von Tchibo vermarktet, das Unternehmen trägt nicht die Kosten der Sonderaktion. Die FH selbst erlässt die Gebühren. Wie viel Tchibo an solchen Bildungsaktionen verdient, darüber schweigt sich der Konzern aus.

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Auch die erst 1995 gegründete FH Göttingen ist äußerst findig, wenn es um Sponsoring und Selbstvermarktung geht: Auf der Hochschul-Website prangen die Logos zahlreicher Unternehmen, für die die FH Auftragsforschung betreibt und die im Kuratorium vertreten sind. Zudem lockt die FH mit einer Geld-zurück-Garantie: Wer nach seinem Abschluss keinen Job findet, erhält die Studiengebühren eines Jahres zurück. Werbespots dafür laufen unter anderem auf MTV.

Mit dem vergünstigten BWL-Studium leiste man einen Beitrag zur Demokratisierung der Bildung, heißt es. In Zeiten von Studiengebühren und Elite-Unis könne das nicht schaden.

Ökonomisierung der Bildung

Darüber kann Richard Lauenstein nur lachen. Der Sekretär für Bildungspolitik der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Niedersachsen hält überhaupt nichts von der Vermarktungsidee. Zunächst sei die GEW grundsätzlich der Meinung, dass Privat-Unis nicht die Lösung für Probleme im Bildungsbereich sein könnten. "Bildung ist doch von so fundamentaler Bedeutung, dass der Zugang zu ihr grundsätzlich allen gewährt werden muss. Dem stehen private Institutionen entgegen."

Außerdem transferiere die Tchibo-Aktion Bildung in Ware. "Alle anderen Tchibo-Artikel mögen als Handelsartikel ihre Berechtigung haben, aber es gibt doch einen qualitativen Unterschied zwischen Bildung und Handtüchern", sagt Lauenstein. Auch die Art der Präsentation stört ihn. "Ein Studium ist doch nichts, wofür ich mich im Vorbeigehen entscheide. Das nimmt man nicht einfach so aus einem Laden mit."

Der Präsident der PFH Göttingen, Bernt Sierke, wehrt sich gegen die Kritik an seiner Marketingstrategie. "Bildung ist ein Produkt, dass Menschen offen stehen muss, mit dem sie leicht und ohne Schranken in Berührung kommen müssen", so Sierke. "Wir gehen dort hin, wo wir die Menschen treffen können, zum Beispiel beim Einkaufen, und sitzen nicht im Elfenbeinturm, was Hochschulen ja häufig vorgeworfen wird."

Doch GEW-Vertreter Lauenstein befürchtet, dass das Sonderangebot nur die erste Stufe einer weiteren Ökonomisierung der Bildung ist. "Irgendwann denken und handeln alle nach dem Grundsatz 'Was nichts kostet, ist nichts wert'. Und dann werden auch die Studiengebühren weiter erhöht."

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