Studieren im Ausland:"Erst in der Ferne fand ich meine Identität"

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Trinationales Studium: Anna Santacroce besuchte Unis in Deutschland, Frankreich und Italien.

Merle Schmalenbach

Anna Santacroce ist eine Pionierin: Als eine der ersten Studenten in Mainz hat sie sich für ein trinationales Studium entschieden. Dadurch konnte die 25-Jährige gleich in drei Ländern Italienisch und Französisch studieren, ohne Zeit zu verlieren. Sie begann in Mainz, dann wechselte sie jeweils für ein Jahr nach Dijon und Bologna.

Ein Studium, drei Abschlüsse: Anna Santacroce. (Foto: Foto: privat)

SZ: Sie sind in drei Ländern zur Uni gegangen. Wozu der Aufwand?

Anna Santacroce: Mich hat es schon immer in die Ferne gezogen. Meine Eltern sind italienische Einwanderer, und ich wusste nie so recht, wo ich einmal leben will. Deshalb wollte ich in die Kulturen eintauchen, Menschen treffen und natürlich mehr über Frankreich und Italien erfahren. Das ist geglückt.

SZ: Fühlt man sich nicht manchmal einsam?

Santacroce: Klar, aber mit mir studierten ja noch einige Italiener und Franzosen. Wir waren eine eingeschworene Gemeinschaft und halfen uns gegenseitig.

SZ: Wie sind Sie auf diesen Studiengang gekommen?

Santacroce: Eine Freundin hat mir davon erzählt. Mir war sofort klar, dass ich das machen will. Meine Fächer haben genau gepasst. Im Idealfall habe ich am Ende drei Abschlüsse: das Staatsexamen für Lehramt, die Maîtrise in Frankreich und die Laurea in Italien. Gut war auch, dass es von der Deutsch-Französischen Hochschule Stipendien gab: 250 Euro monatlich. Ich konnte schnell studieren, mir wurden alle Scheine anerkannt. Das Studium war für mich ein Glücksfall.

SZ: Klingt nach einer tollen Zeit.

Santacroce: Ja, im Nachhinein sehe ich das alles sehr positiv. Aber zwischendrin gibt es auch harte Momente. Ich musste ja ständig umziehen, kam nie zur Ruhe. Das hat an mir gezehrt. Hinzu kam der ganze Papierkram. Manchmal hatte ich es richtig satt. Nach dem Jahr in Frankreich überlegte ich sogar, das Programm abzubrechen. Aber das Gute überwog letztlich.

SZ: Wie kamen Sie mit den unterschiedlichen Systemen zurecht?

Santacroce: Ich musste mich anstrengen, um das Level meiner Kommilitonen zu erreichen. In Frankreich gab es auch keine studentische Atmosphäre. Ich fand das Studium dort schon sehr autoritär. Das war ein Schock für mich.

SZ: Autoritär?

Santacroce: Ja, leider. Der Professor diktiert, die Studenten schreiben mit. Dabei waren die Themen durchaus spannend. Mein Fazit: Am schönsten studiert es sich in Deutschland.

SZ: Sie sind froh, wieder hier zu sein?

Santacroce: Ja, hier können Studenten ihren Geist entfalten, mit den Professoren diskutieren. Ich merke auch, dass ich eine andere Bildung habe. Ich kenne viele Literaturtheorien in Deutschland nicht. Außerdem arbeiten die Studenten hier sehr wissenschaftlich, schreiben Hausarbeiten. Das bin ich nicht gewohnt. In Italien und Frankreich gibt es vor allem Prüfungen. Manchmal denke ich: In jedem Land habe ich etwas gelernt, aber ich muss insgesamt noch viel aufholen.

SZ: Würden Sie denn nochmal in drei Ländern studieren?

Santacroce: Auf jeden Fall. Erst in der Ferne fand ich meine Identität. Im Ausland habe ich gemerkt: Deutschland ist mein Zuhause. Obwohl mir jetzt auch Frankreich und Italien offenstehen, möchte ich hier leben und arbeiten.

© SZ vom 30.06.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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