Studienabschluss:Gütesiegel-Bewahrung

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Die Technischen Universitäten zeigen sich gegenüber dem Bachelor skeptisch.

Von Christine Burtscheidt

Gelegentlich lässt sich die Tragweite eines Beschlusses erst Monate später ermessen. Ein solches Schicksal könnte die Vereinbarung des "TU 9-Consortium of German Institutes of Technology", der neun traditionsreichen deutschen Technischen Universitäten, ereilen. Das sind die RWTH Aachen, die TUs in Berlin, Braunschweig, Darmstadt, Dresden, Hannover, Karlsruhe, München und Stuttgart. Auf ihrer Sitzung in der vergangenen Woche in Berlin haben sie klammheimlich beschlossen, den Bachelor als Regelabschluss nicht anzuerkennen. Schönredend heißt es: "Der Bachelor öffnet alle Türen, der Master ist das Ziel." Tatsächlich wird der Bachelor damit auf ein inneruniversitäres Zertifikat herabgestuft, ähnlich einem Vordiplom. Es soll lediglich eine "Drehscheibenfunktion" haben, also schon während des Studiums einen Fachwechsel oder einen Aufenthalt im Ausland ermöglichen. TU-Abschluss aber wird künftig anstelle des Diploms der Master sein. Wenn schon nicht das Siegel, so hoffen die neun Universitäten, ließe sich damit zumindest der hohe Qualitätsstandard des Diploms halten.

Die Kultusministerkonferenz dürfte das in ihrer Haltung ziemlich ins Schwanken bringen. Setzt sie doch gemeinsam mit Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) bislang alles daran, mit den neuen internationalen Abschlüssen Bachelor und Master den deutschen Hochschulraum zu modernisieren. Dass dies nicht ohne kompatible Studienstrukturen gelingen kann, darauf verständigten sich im Juni 1999 die europäischen Bildungsminister in Bologna. Genau genommen empfahl man damals zwei Studien-Zyklen, die aufeinander aufbauen: den Undergraduate- und GraduateZyklus nach amerikanischen Vorbild. Seitdem sind die deutschen Hochschulen aufgefordert, die neuen Grade als Regelabschluss einzuführen: den Bachelor - nach sechs Semestern - und den Master - nach weiteren vier Semestern. Trotz Zeitdrucks - bis 2011 soll die europäische Hochschullandschaft harmonisiert sein - zögern die Hochschulen. Erst 2000 von 11.000 Studiengängen sind umgestellt.

Die KMK habe die Bologna-Erklärung viel zu eng ausgelegt, heißt es nun von Seiten der TUs. Niemand habe verlangt, ein Bachelor-Studium als berufsbefähigenden Regelabschluss einer Universität festzusetzen. Naturwissenschaftler und Ingenieure ließen sich nicht in drei Jahren ausbilden. Die Universitäten wollen vor allem dem Typus des Schmalspur-Akademikers vorbeugen, der später auf dem Markt keine Arbeit findet. Bislang sind die neuen akademischen Grade für viele Unternehmer noch ein Buch mit sieben Siegeln; zumal sich dadurch auch Studiengänge an den Fachhochschulen von jenen an Universitäten nicht mehr abgrenzen lassen. Tief sitzt aber auch noch der Schock vom Vorjahr, als England signalisierte, den deutschen Bachelor nicht anzuerkennen.

Immerhin sind die Technischen Universitäten bereit, für Europa das Diplom zu opfern und durch einen Master auszuwechseln. In den großen deutschen Massenfächern, die mit Staatsexamen enden - das Lehramt, Medizin oder Pharmazie - ist selbst diese Bewegung nicht in Sicht. Fast alle Länder wollen an der Staatsprüfung festhalten. Der Beschluss der TU 9 dürfte sie darin wohl noch bestärken.

(SZ vom 25.10.2004)

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