Sicherheitsberater:In geheimer Mission

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Wo Entführung zum Berufsrisiko gehört, greifen Sicherheitsberater ein.

Von Chris Löwer

An diesem Tag wurde es spät für den Filialleiter eines multinationalen Konzerns in Kolumbien. Wie so oft. Aber die Täter warteten geduldig. Auf dem kurzen Weg zum Auto überfielen und entführten ihn die vier maskierten Männer. Kurze Zeit später fand die Ehefrau des Entführten die Lösegeldforderung im Briefkasten: 1,5 Millionen US-Dollar. Keine Polizei, sonst sehe sie ihren Mann als Leiche wieder. Das Unternehmen schaltete die Münchner Result Group ein, eine Firma, die auf solche Fälle und alle Fragen rund um die Sicherheit von Mitarbeitern spezialisiert ist. Krisenexperten reisten nach Kolumbien, verhandelten mit den Kidnappern, forderten eindeutige Lebensbeweise und einigten sich schließlich auf die Zahlung eines deutlich geringeren Lösegeldes. Der Manager kam nach 16 Tagen Geiselhaft unversehrt davon.

Helfen, wenn die Krise da ist

Kolumbien, Mexiko, Brasilien, Philippinen, Pakistan - die Top-Five-Entführungsländer laut Kriminalstatistik. Aber auch zu Hause in Deutschland lauern Gefahren: Produkterpressung, Briefbomben, Wirtschaftsbetrug, Bandendiebstahl, organisierte Kriminalität, Produktpiraterie, IT-Attacken - und das manchmal aus den eigenen Reihen, wenn frustrierte oder entlassene Mitarbeiter auf Rache sinnen. Die Welt ist nicht sicherer geworden. Und im Gleichschritt mit der gewachsenen Gefahr wächst der Markt von Sicherheitsberatern und Krisenmanagern, die Unternehmen auf den Ernstfall vorbereiten, Prävention predigen oder helfen, wenn die Krise da ist.

"Insbesondere seit dem 11. September verzeichnen wir eine deutliche Sensibilisierung von Unternehmen im Bereich Krisenmanagement", sagt Walfried Sauer, Geschäftsführer der Result Group. "Nach unserer Einschätzung gibt es immer mehr Möglichkeiten, mit relativ geringem Aufwand großen Schaden anzurichten."

Wie die Sicherheitslage auf der Welt aussieht, bringt die Londoner Control Risk Group täglich in ihrer "Risk Map" auf den neuesten Stand. Das Unternehmen in der Victoria Street Nr. 83, schräg gegenüber von New Scotland Yard gelegen, ist mit 420 festen und 1300 freien Mitarbeitern sowie 18 Büros in 14 Ländern der Branchenprimus. Diskretion ist alles. Daher spricht hier auch niemand über Kunden und Umsätze. Nur so viel: 80 Prozent der weltweit größten Unternehmen nutzen die diskreten Dienste, und in der fast 30-jährigen Firmengeschichte sollen 1200 Entführungen erfolgreich beendet worden sein. Die Mitarbeiterliste liest sich wie das Who is who ehemaliger Geheimdienstler. "Wichtig sind aber auch investigative Journalisten oder Informanten, die in Regierungsstellen arbeiten", sagt Maxim Worcester, Geschäftsführer der Berliner Filiale von Control Risks.

Vom 25. Stock der Treptowers aus hat er die Stadt so gut im Blick wie die Gefahrenherde weltweit auf seiner Krisenkarte. Worcester stemmt sich gegen den Eindruck, hier sei ein Trupp ungehobelter Söldner versammelt. Recherche, Beratung und Workshops machen einen großen Teil der Arbeit aus. Und das hat seinen Preis: Eine Beratung kostet pro Tag und Mitarbeiter 1750 Euro, ohne Spesen. Viel Geld? Standardantwort: Im Vergleich zum möglichen Schaden ein Klacks.

Diskrete Dienste

Oliver Scholz, promovierter Wirtschaftswissenschaftler, checkt zum Beispiel im Vorfeld von Fusionen oder Geschäften den potenziellen Partner, seine Liquidität, Solidität und Mitarbeiter, auch um zu vermeiden, dass sich ein geplantes Joint Venture mit einer sauber scheinenden russischen Firma nicht als Geldwaschanlage entpuppt. Oder: Ex-Bankmanager schnüffeln für Control Risks dem Weg von Lösegeld nach. Andere Kollegen sorgen dafür, dass Produkte nicht gefälscht werden oder Plagiatoren das Handwerk gelegt wird. Dreister Ideenklau kann leicht einen Schaden in Millionenhöhe verursachen.

Die Münchner Result Group-Leute liefern sogar, wenn es sein muss, gerichtsverwertbare Beweise und stehen als Zeugen zur Verfügung. Dazu werden auch verdeckte Ermittler in Firmen und Organisationen eingeschleust. Der Joballtag mutet in Teilen wie ein Kapitel aus einem Agenten-Thriller an - undercover Grauzonen austesten.

Was muss ein Berater in heikler Mission können? "Unabdingbar sind Seriosität, Vertraulichkeit und ein weltweites Kontaktnetzwerk", sagt Sauer. Und das ist längst nicht alles. "Unsere Berater müssen gute Analytiker sein und strategisch denken. Sie verfügen ausschließlich über langjährige Berufserfahrung in verschiedenen nationalen und internationalen Spezialeinheiten. Fachhochschulabschluss und Fremdsprachen sind Standard", präzisiert Sauer das Anforderungsprofil.

In seiner Firma gibt es für verschiedene Spezialgebiete Berater, etwa im Bereich Spionage, wo sich ehemalige Kräfte des BND tummeln. Im Bereich Ermittlungen arbeiten ehemalige verdeckte Ermittler der Landeskriminalämter, im Krisenmanagement - bei Entführungen oder Erpressungen - finden sich Leute mit einschlägiger Berufspraxis in den Spezialeinheiten GSG 9, SEK und KSK. Ein Paradebeispiel dafür ist Sauer selbst: Der studierte Diplom-Verwaltungswirt gehörte mehr als 16 Jahre zur Führungsgruppe einer deutschen Anti-Terroreinheit, die spezialisiert war auf Geiselnahmen, Erpressung, Flugzeugentführung und organisierte Kriminalität.

Nichts für Einsteiger

Ähnlich sind die Anforderungen bei Control Risks. Hervorstechendes Merkmal eines Mitarbeiters dort ist, wie Worcester sagt, "gesunder Menschenverstand". "Wichtig ist eine skeptische Grundeinstellung. Ein Jurist, der immer die Unschuldsvermutung im Kopf hat, wäre fehl am Platz."

Dennoch wäre er nicht chancenlos, denn Risikomanager kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen: In dem Netzwerk finden sich Journalisten, Juristen, Psychologen, Politologen, Wirtschaftsprüfer, Banker, IT-Spezialisten, Kriminaltechniker und jede Menge Ex-Agenten und Geheimdienstler. Nur eines ist ganz schlecht: "Wir scheuen uns davor, Berufsanfänger einzustellen. Gesucht sind Spezialisten auf ihrem Gebiet mit langjähriger Berufserfahrung", sagt Worcester.

Das 17-köpfige Berliner Team könnte durchaus Verstärkung gebrauchen - aber die Anforderungen sind eben hoch. Bei der Rekrutierung müssen meist Headhunter ran. Worcester sieht in Deutschland ein großes Wachstumspotenzial: "Deutsche Unternehmen, vor allem der Mittelstand, hinken englischen und amerikanischen Firmen hinterher, die immer mal wieder mit Berufsrisiken konfrontiert waren." Das Schutzbedürfnis und die internationalen Sicherheitsstandards wachsen.

Noch ist die Sicherheitsberater-Szene in Deutschland übersichtlich. Aber dabei wird es nicht bleiben. Walfried Sauer prophezeit für den krisensicheren Beruf, der von der Krise lebt: "Wir erwarten auf Grund der weltpolitischen Lage und der anhaltenden Bedrohung durch Terrorismus ein kontinuierliches Wachstum dieses Marktes."

© SZ vom 17.4.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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