Schule:"Das dreigliedrige System ist gescheitert"

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Nach dem erneut schlechten Abschneiden Deutschlands bei der internationalen Bildungsstudie Pisa steht das deutsche Schulsystem in der Kritik.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und auch der Pisa-Koordinator der OECD, Andreas Schleicher, bekräftigten am Montag ihre Forderung, die frühe Aufteilung auf Gymnasien, Real- und Hauptschulen abzuschaffen. Die Bundesregierung mahnte eine Fortsetzung der bereits eingeleiteten Reformen an.

Deutschland investiere zu viel Geld in Beton und zu wenig in die Köpfe, sagte der Berliner Bildungssenator Klaus Böger (SPD). Die FDP- Generalsekretärin Cornelia Pieper forderte unterdessen eine Kindergarten-Pflicht für Kinder von Ausländern.

"Das dreigliedrige System ist gescheitert", sagte OECD-Bildungsexperte Schleicher in einem am Montag vorab veröffentlichten Interview mit dem Wirtschaftsmagazin Capital. Die Aufteilung der Kinder nach dem vierten Schuljahr auf Gymnasien, Realschulen und Hauptschulen führe dazu, "dass schwache Schüler abgeschoben statt individuell gefördert werden."

Schleicher plädierte deshalb für eine längere gemeinsame Schulzeit. Mit Blick auf die in Deutschland existierenden Gesamtschulen sagte er, diese seien "in der jetzigen Form" kein Erfolg, weil die besseren Schüler auf das Gymnasium auswichen.

"Heilige Kuh"

Auch die GEW forderte erneut einen Umbau des Schulsystems. Kein Land teile die Schüler so früh wie Deutschland auf, sagte die GEW-Vorsitzende Eva-Maria Stange gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Dies sei eine Ursache für das schlechte Abschneiden Deutschlands im internationalen Vergleich. Es müsse ein längeres gemeinsames Lernen geben. Die GEW forderte zudem ein Förderprogramm für Schüler aus sozial schwächeren Familien und Einwandererfamilien.

Die frühe Aufteilung auf drei Schularten stößt auch bei den Grünen auf Unverständnis. Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Grietje Bettin, erklärte in Berlin, solange das dreigliedrige Schulsystem eine "heilige Kuh" bleibe, seien "durchgreifende Besserungen" nicht zu erwarten.

Der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, nannte es dagegen "völlig unsinning", wenn die Pisa-Ergebnisse als Beweis für die mangelnde Konkurrenzfähigkeit des Schulwesens herangezogen würden. Zwar habe die Mehrzahl der Länder, die vor Deutschland rangierten, integrierte Schulsysteme, aber auch alle Länder, die hinter der Bundesrepublik stünden.

Das Bundesbildungsministerium verwies darauf, dass nach dem schlechten Ergebnis Deutschlands bei der ersten Pisa-Studie bereits Reformen eingeleitet worden seien. Diese müssten konsequent weitergeführt werden, sagte eine Ministeriumssprecherin in Berlin.

Es müsse aber mit einem Zeitraum von sieben bis zehn Jahren gerechnet werden, um Deutschland wieder an die Spitze zu bringen. Die Ende 2001 veröffentlichte Pisa-Studie hatte eine heftige Debatte um das deutsche Bildungsystem ausgelöst. Als Konsequenz daraus wurde unter anderem die Einführung von Bildungsstandards beschlossen. Auch der Ausbau von Ganztagsschulen hat sich seitdem beschleunigt.

Am Wochenende war bekannt geworden, dass Deutschland offenbar auch bei der zweiten Pisa-Studie schlecht abgeschnitten hat. Die Untersuchung mit dem Schwerpunkt Mathematik soll offiziell am 7. Dezember veröffentlicht werden. Die Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder wollte die Berichte weder dementieren noch bestätigen.

Die amtierende KMK-Präsidentin, die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD), betonte jedoch bereits am Sonntagabend, größere Veränderungen seien in einem so komplexen System wie der Schule innerhalb eines eineinhalbjährigen Zeitraums nicht zu erwarten. Auch Schleicher räumte ein, dass Schulen sich "nur sehr langsam" veränderten.

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