Sabbatical:Fünf Jahre arbeiten, ein Jahr frei nehmen

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Wie der Ausstieg auf Zeit gelingt.

Rolf Winkel

(SZ vom 26.1.2002) Fast jeder zweite Arbeitnehmer würde gern für eine gewisse Zeit aus seinem Beruf aussteigen. Das zumindest ergab eine aktuelle Befragung der Zeitschrift Max.

Frei! (Foto: N/A)

Für den Ausstieg auf Zeit gibt es mehrere Wege. Einer ist durch die Schaffung eines so genannten Langzeitkontos möglich. Auf einem solchen Konto können Arbeitnehmer Arbeitszeit sparen und später geballt entnehmen - etwa für den Langzeiturlaub, für die Endphase einer Promotion oder um sich im Einschulungsjahr mehr um den Sprössling kümmern zu können. So ist es beispielsweise denkbar, dass man fünf Jahre "voll" arbeitet, aber nur fünf Sechstel des Arbeitsentgelts bezahlt bekommt. Im sechsten Jahr nimmt man sein "Sabbatjahr" oder "Sabbatical" und feiert die angesparte Arbeitszeit bei unverändertem Arbeitsentgelt ab.

Ansparen oder abarbeiten

Sozialversicherungsrechtlich abgesichert ist ein angespartes Sabbatjahr (oder auch ein kürzerer Ausstiegszeitraum) über das Flexi-Gesetz von 1998. Grundsätzlich gilt: Das sozialversicherte Beschäftigungsverhältnis kann in der Freistellungsphase erhalten bleiben. Voraussetzung dabei ist, dass im Sabbatjahr weiter Arbeitsentgelt gezahlt (Abschläge bis 30 Prozent sind erlaubt) und dass das Arbeitsentgelt durch Mehrarbeit oder Gehaltsverzicht vorher "angespart" oder hinterher "abgearbeitet" wird.

Wer mit seinem Arbeitgeber eine solche Vereinbarung trifft, sollte einige wichtige Punkte beachten.

Insolvenzsicherung: Wer Arbeitszeit anspart, gibt seiner Firma einen Kredit. Deshalb sollte in jedem Fall geklärt sein: Wer steht für die Arbeitszeitkonten ein, wenn das Unternehmen zahlungsunfähig wird? Das vierte Sozialgesetzbuch verpflichtet Arbeitgeber zwar, von einem bestimmten Umfang der "Plusstunden" an eine Absicherung für den Konkursfall zu treffen. Hält sich eine Firma nicht an diese Verpflichtung, gibt es jedoch keine Sanktionen. Eine Insolvenzabsicherung ist beispielsweise möglich über eine Versicherung der angesparten Guthaben oder durch deren Übertragung auf einen Treuhänder.

Disposition: Wer bestimmt, wann die freie Zeit zu welchem Zweck "entnommen" werden kann? Mit Regelungen, die dem Arbeitgeber erlauben, Langzeiturlaub anzuordnen, wenn die Auftragslage gerade schlecht ist, ist Arbeitnehmern nicht gedient. Vereinbart werden sollten Ankündigungsfristen für den Arbeitnehmer (etwa: ein sechsmonatiger Ausstieg muss zwölf Monate vorher angekündigt werden) und Regelungen, wie mit Konflikten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über Ausstiegszeitpunkt und Dauer umgegangen wird. Wichtig ist auch, dass betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen nicht auf Freizeitguthaben angerechnet werden.

Rückkehrrecht: Die Rückkehr auf den angestammten Arbeitsplatz sollte gesichert sein. Der Kölner Fachanwalt für Arbeitsrecht Axel Hoss schlägt folgende Formulierung für eine Vereinbarung vor. "Nach Beendigung der Freistellungszeit werden wir Sie auch weiterhin auf Ihrem alten Arbeitsplatz als ... einsetzen." Eine Garantie, dass dies dann auf Dauer so bleibt, besteht damit allerdings nicht.

Geldentnahme: Wer Arbeitszeit anspart, legt sich damit fest. Die Auszahlung erfolgt in der Regel ebenfalls in Zeit und nicht in Geld. Eine Finanzierung einer Immobilie über das Arbeitszeitkonto ist nicht möglich.

Kündigung, Tod, Erwerbsunfähigkeit: Endet das Arbeitsverhältnis aus einem der genannten Gründe, wird das Konto - abweichend von der Regel - in Geld ausgezahlt. Dann werden auch Sozialversicherungsbeiträge und Steuern auf das ersparte Guthaben fällig.

Lohnfortzahlung/Krankengeld: Wer nicht den vollen Lohn kassiert, weil er Arbeitszeit anspart, ist bei Krankheit schlechter gestellt.

Die Leistungen bei Krankheit bemessen sich nämlich nach dem tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelt. Bei zwei Drittel Einkommen gibt es also auch nur zwei Drittel Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und zwei Drittel Krankengeld. Wer in seinem "Sabbatical" krank wird, hat Pech. Die angesparte Zeit wird im Grundsatz in Krankheitszeiten weiter aufgebraucht. Eine Krankmeldung nützt dem Langzeit-Urlauber nichts, da in der Auszeit weder Anspruch auf Lohnfortzahlung noch auf Krankengeld besteht. Letzteres ist in § 49 Abs, 1 Nr. 6 des vierten Sozialgesetzbuch geregelt. Wenn es ganz hart kommt, wird die angesparte Arbeitszeit also voll im Krankenhaus verbraucht.

Die geschilderte Regelung gilt, wenn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nichts anderes vereinbart ist. Natürlich sind andere Regelungen möglich - einzelvertraglich, in Betriebsvereinbarungen und in Tarifverträgen. Der bis Mitte 2006 befristet geltende Tarifvertrag Langzeitkonten zwischen Verdi und dem privaten Bankgewerbe sieht etwa folgende Regelung vor: "Für den Zeitraum einer ärztlich attestierten Erkrankung wird die Freistellung längstens für die Dauer der gesetzlichen Entgeltfortzahlungsfrist unterbrochen und das Guthaben des Langzeitkontos insoweit nicht belastet. In dieser Zeit wird das Entgelt weiter gezahlt."

Arbeitslosigkeit: Arbeitsverhältnisse können scheitern, Betriebsabteilungen schließen und Betriebe Pleite machen. Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht dann in aller Regel, aber in welcher Höhe?

In der Ansparzeit gilt: Man hat Anspruch auf Vollzeit-Arbeitslosengeld, wenn das Arbeitsverhältnis endet, bevor der Langzeit-Urlaub angetreten werden konnte. Denn § 134 Sozialgesetzbuch III bestimmt, dass sich das Arbeitslosengeld in diesem Fall nach dem Einkommen bemisst, dass ohne eine entsprechende Flexi- Vereinbarung gezahlt worden wäre - und das ist das Vollzeit-Arbeitsentgelt. In der Entnahmezeit gilt: Wer im Sabbatjahr seinen Job verliert, steht schlechter da, weil er Teilzeit-Arbeitslosengeld erhält. Das Arbeitslosengeld wird auf Basis des tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelts berechnet.

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