Projekt Selbstständigkeit:Das eigene Ding

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Wie sich ein Internet-Start-up mit Größenwahn einen Namen machte.

Christine Demmer

Am Anfang war eine Vision, genauer gesagt: ein Dampfbad. Zwei frisch diplomierte Architekten suchten eine Leuchte, der die Hitze und Feuchtigkeit einer Sauna nichts ausmacht. Am Ende des tagelangen Katalogwälzens stand die Erkenntnis, dass sich solche Fahndungsaktionen in Zeiten des Internets komfortabler gestalten lassen müssten.

Zumal die Leuchte nur stellvertretend für Möbel, Duschwannen, Handgriffe und andere Dinge stand, nach denen Architekten und Raumgestalter früher nur mit einer zeitaufwändigen Methode suchen konnten: anrufen, Katalog ordern, blättern, seufzen, nächsten Katalog bestellen. Eine Produktübersicht unter Design- und Qualitätsaspekten zum Klicken, Vergrößern, Drehen und Wenden gab es nicht. Dazu mussten die beiden Architekten erst noch die Internetplattform stylepark.com erfinden: eine Datenbank der Innenausbau- und Einrichtungsbranche für Planer, Architekten, Designer, Hersteller und Konsumenten.

Zu Beginn des neuen Jahrtausends, auf dem Höhepunkt des Internet-Hype, kam die Geschäftsidee hervorragend an. Steffen Orben (34) war von Anfang an dabei: "Erst konnten wir einen, dann einige, dann immer mehr renommierte Hersteller davon überzeugen, ihre Produkte auf der Stylepark-Plattform zu präsentieren." Die Anbieter wollten zu neuen Kundengruppen vordringen und fanden den Preis, den die Existenzgründer für die Bereitstellung und grafische Aufbereitung der innovativen Vertriebsschiene verlangten, offenbar in Ordnung.

Nun musste nur noch die Werbetrommel gerührt werden, um das Fachpublikum auf Stylepark aufmerksam zu machen. Das war keine einfache Aufgabe. Das World Wide Web blies sich von Woche zu Woche größer auf, und um in den Weiten des Cyberspaces bemerkt zu werden, musste man sich schon etwas Originelles einfallen lassen. "Wir arbeiten schließlich in einer Branche, die vom Auffallen lebt", sagt Orben. Damit war klar: Ein öffentlicher Auftritt musste her, ein kreativer Oberhammer, der die Blicke der gesamten Fachwelt mit einem Schlag auf den Stylepark lenken sollte.

Für den großen Wurf hatten die Unternehmer das wichtigste Event für Designer und Inneneinrichter in Deutschland nördlich der Alpen vorgesehen: die Internationale Möbelmesse in Köln. Dieser Termin treibt in- und ausländische Fachbesucher alljährlich im Januar auf das Messegelände am Rhein und zwingt es, in kürzester Zeit unter Mitnahme dickbäuchiger Kataloge an Sofas, Leuchten, Tapeten und Baustoffen vorbei zu hasten.

Den Stylepark-Gründern war dieser Parcours seit jeher ein Graus, und so kamen sie auf die Idee, für sich selbst und ihre Kunden das Gebäude der ehemaligen Bundesbahndirektion mit 5000 Quadratmetern Fläche unweit der Messe auszuleihen. Allein 50.000 Euro Miete waren für die paar Tage fällig, die zusätzlichen Kosten durch behördliche Auflagen und für die Instandsetzung machten dann nochmal ein Vielfaches daraus. "Hübsche Idee", tönte es im Umfeld der jungen Firma, "aber viel zu teuer." Manche Idee generiert sofort neue Probleme.

Noch nie dagewesen

Was machten Steffen Orben und seine Kollegen? Sie riefen ihre Kunden an, rund 150 der besten Hersteller aus der Designwelt, und ein paar junge, eher unbekannte Designer, und fragten nach deren Interesse an einer Messepräsenz. "Klar", sagten viele, aber in dem weitläufigen und unattraktiven Messegelände könne man sich nicht mehr angemessen präsentieren, das sei mittlerweile ein Supermarkt der Möbelbranche geworden, da falle man nicht auf. Außerdem sei die Möbelmesse ein "closed shop" für die Etablierten. Und überhaupt, deuteten einige an, sprenge die Miete ihr Budget.

Da zog Stylepark die Größenwahnkarte. "Wir machen unser eigenes Ding, richtig groß, richtig schick. Der Preis ist in Ordnung, und Publicity ist garantiert, weil es so etwas vorher noch nie gab." Das stimmte sogar. Denn auf einen derart irrwitzigen Gedanken war vorher noch niemand gekommen: Eine Schau der Besten der Besten zu veranstalten, mit Inszenierungen internationaler Stars der Designszene, Konzerten, Vorträgen und Parties.

20 renommierte Hersteller sagten ihre Teilnahme für 2004 zu und bezahlten Stylepark ohne Murren einen Mietanteil, der die Fixkosten anständig deckte. Im Jahr darauf lockten die Jung-Unternehmer schon 40 Aussteller nach Köln, und im kommenden Jahr soll die Aktion "Stylepark in Residence" im selben Gebäude mit noch mehr Ausstellern fortgesetzt werden.

Mit den Zuschüssen ihrer Untermieter kommt Stylepark etwa mit Plus-Minus-Null aus den Kosten heraus, macht in Köln und in der internationalen Branchenwelt Furore, begeistert das Publikum für avantgardistische Formen - und kurze Wege - und gewinnt unter den angesprochenen Herstellern neue Kunden für ihre Internet-Plattform. Die frühere Bundesbahndirektion ist zu einem festen Anziehungspunkt der Messe geworden. Manchmal lohnt es sich also, alle Bescheidenheit fahren zu lassen und in großen Bahnen zu denken.

© SZ vom 20.8.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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