Porträt:Von wegen Tod

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Zwei Ärztinnen erzählen über ihre Arbeit.

Zwei große Mikroskope stehen auf einem Tisch. Daneben liegt eine Glasplatte mit kleinen, rötlichen Fetzen. Yvonne Bury setzt ihre Brille ab und wirft einen Blick durch das Mikroskop auf die Gewebeprobe. Die 29-Jährige ist Assistenzärztin in der Pathologie der Kölner Universitätsklinik. Sie untersucht, ob das Gewebe sich krankhaft verändert hat. Den Patienten, dem die Probe entnommen wurde, lernt sie nie kennen. Aber für die Diagnose seiner Krankheit spielt sie eine zentrale Rolle.

Die Assistenzärztinnen Katharina Schardt (l) und Yvonne Bury (r) der Pathologie-Abteilung an der Kölner Universitätsklinik untersuchen Gewebeteile an einem Mikroskop. (Foto: Foto: dpa)

Bury ist eine der nur 1500 deutschen Pathologen und hat sich ganz bewusst für diese Fachrichtung entschieden, auch wenn ihre Familie anfänglich etwas erschrocken war. "Meine Mutter hat sich inzwischen daran gewöhnt. Sie hatte allerdings auch kein klares Bild von meinem Beruf", erzählt Bury. Häufig werden die Pathologen, Experten für krankhafte Veränderungen im menschlichen Körper, mit den Gerichtsmedizinern verwechselt. Aber wenn Pathologen überhaupt Leichen untersuchen, dann nur von Menschen, die eines natürlichen Todes gestorben sind.

Die Sektion von Leichen, bei der die Todesursache geklärt wird, mache nur etwa fünf Prozent des gesamten Arbeitsfeldes aus, erzählt Burys Kollegin Katharina Schardt (26). Die eigentlichen Untersuchungsobjekte sind ganz andere: Der jährliche Zellabstrich durch den Gynäkologen, Brustgewebe, Tumorgewebe oder Proben von Spenderorganen. Auch wenn sie die Kranken nie sehen, sind sie sich der Bedeutung ihrer Arbeit für die betroffenen Menschen immer bewusst: "Man vergisst nie, dass ein Leben dahinter steht", sagt Bury.

Die jungen Ärztinnen sehen sich als "Zwischenmittler". Sie liefern den behandelnden Ärzten das Urteil, ob zum Beispiel ein Tumor gut- oder bösartig ist. Diese Diagnose könne kein Computer automatisch erstellen, dazu sei jahrelange Erfahrung nötig, sagen Bury und Schardt. Bis zum Ende ihrer sechsjährigen Weiterbildung zum Facharzt werden die beiden Frauen mehr als 25.000 Gewebeproben unter ihrem Mikroskop begutachtet haben.

Nicht auf Station im Krankenhaus zu arbeiten, bringt den jungen Pathologinnen auch einige Vorteile. Gerade für Bury, Mutter eines eineinhalbjährigen Mädchens, ist die Pathologie außerordentlich "familienfreundlich". "Ich vermisse die Nacht- und Wochenenddienste wirklich nicht." "Außerdem ist unser Fach sehr interessant", fügt Schardt hinzu.

Aber nur eine kleine Minderheit der Ärzte entscheidet sich nach dem Examen bei der Wahl der Facharztlaufbahn für die Pathologie. "Wir können jede Menge Nachwuchs gebrauchen", sagt Gisela Kempny vom Berufsverband deutscher Pathologen. Eine mögliche Erklärung für den Nachwuchsmangel sieht sie im Image des Berufes. "Der Leichenduft hängt vielleicht noch nach." Dabei sei es schon Jahrzehnte her, dass die Hauptaufgabe des Pathologen die Untersuchung von Leichen gewesen sei.

© dpa, von Sibylle Machefer - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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