Pisa-Studie:Außer Kontrolle

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Bei Pisa schneiden Hauptschüler regelmäßig katastrophal ab. Die Kultusminister haben nun eine besondere Lösung für dieses Problem gefunden - die prompt Proteste auslöst.

T. Schultz

Wenige Tage vor Erscheinen einer neuen Pisa-Studie gibt es heftige Kritik an Plänen der Kultusminister, die Tests für Hauptschüler in den kommenden Jahren auszusetzen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnte am Donnerstag davor, "das Hauptschuldesaster" zu vertuschen und die Ansprüche an die Schulen herunterzuschrauben. Die Länderminister betrieben eine "Vogel-Strauß"-Politik, sagte die Bildungsexpertin der Grünen, Prisa Hinz. Nötig sei eine ehrliche Bestandsaufnahme der Schülerleistungen. Die FDP sprach von einer "bildungspolitischen Geisterfahrt" der Kultusministerkonferenz (KMK).

Hautpschule in Köln: Zwischen 50 und 70 Prozent der Jugendlichen könnten an den Bildungsstandards in Mathematik und Englisch scheitern. (Foto: Foto: dpa)

Hintergrund der Angriffe sind Pläne der KMK, das Erreichen sogenannter Bildungsstandards für Hauptschüler nicht wie ursprünglich geplant in den Jahren 2009 und 2012 bundesweit zu überprüfen. Darüber beriet die KMK am Donnerstag in Bonn auf Ebene der Staatssekretäre; sie traf aber noch keine endgültige Entscheidung.

Neue Tests in Deutsch, Englisch und Französisch

Würden die Tests ausgesetzt, entfiele auch der Vergleich zwischen den Bundesländern, wie er derzeit noch durch die Pisa-Studie möglich ist. Am Dienstag werden die Kultusminister die Ergebnisse aus den Pisa-Tests des Jahres 2006 vorstellen. Vom kommenden Jahr an sollen die Pisa-Vergleiche aber nur noch auf internationaler Ebene stattfinden, der Vergleich zwischen den 16 Bundesländern wird dann nur noch über die neu eingeführten Bildungsstandards möglich sein.

Die Standards geben an, über welche Fähigkeiten die Schüler zum Ende der Grundschulzeit und vor dem Hauptschul- sowie dem mittleren Abschluss verfügen sollten. Das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen in Berlin ist von der KMK beauftragt worden, entsprechende Tests zu konzipieren. Dabei sollten im kommenden Jahr die Acht- und Neuntklässler zunächst in den Fächern Deutsch, Englisch und Französisch getestet werden.

Voruntersuchungen zu den Bildungsstandards und die bisherigen Pisa-Studien deuten darauf hin, dass ein sehr großer Teil der Hauptschüler in der achten Klasse die Mindestanforderungen verfehlen würde. Experten sprechen von Anteilen zwischen 50 und 70 Prozent der Jugendlichen, die an den Bildungsstandards in Mathematik und Englisch scheitern könnten.

Leistungsschwächere in der Hauptschul-Nische

Damit wäre fraglich, ob diese Schüler überhaupt einen Hauptschulabschluss bekommen dürften - womit es immer schwieriger werden würde, das Ziel der Bundesländer zu erreichen, bis 2015 die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss von derzeit acht Prozent auf vier Prozent zu reduzieren.

In den Kultusministerien ist daher offenbar der Wunsch aufgekommen, die Tests für Hauptschüler zu verschieben oder anders zu konzipieren. Die GEW forderte dagegen, den "Hauptschulbildungsgang" insgesamt abzuschaffen. Leistungsschwächere dürften nicht in die Hauptschul-Nische abgeschoben werden. Der Essener Bildungsforscher Klaus Klemm sagte, die Hauptschule sei "langfristig nicht mehr überlebensfähig". Er warnte aber vor einer Stigmatisierung ihrer Schüler.

© SZ vom 14.11.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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