Pendeln:Weg der Leiden

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Mehr Schmerzen, weniger Freunde: Wissenschaftler haben das Leben von Pendlern untersucht.

Immer mehr Menschen nehmen immer längere Anfahrtswege zum Arbeitsplatz in Kauf. Als Lohn für die Strapazen winken meist berufliche Vorteile - wie ein besser bezahlter Job - oder eine höhere Wohnqualität, etwa im eigenen Haus. Doch meist geht diese Rechnung nicht auf, wie die neueste Ausgabe von Gehirn&Geist, dem Magazin für Psychologie und Hirnforschung, berichtet.

Mobilität, die stresst: Pendler im Bus. (Foto: Foto: AP)

Je länger ein Berufstätiger zu seiner Arbeitsstelle fährt, desto niedriger ist seine allgemeine Lebens­zufriedenheit, stellten kürzlich die Ökonomen Bruno Frey und Alois Stutzer vom Institut für empirische Wirtschaftsforschung der Universität Zürich fest. Bessere Arbeits- oder Wohnbe­dingungen können also den Stress des Pendelns meist nicht genügend kompensieren.

Beispielsweise müsste das Gehalt um glatte vierzig Prozent zunehmen, um eine Pendeldauer von einer Stunde pro einfache Strecke auszugleichen, so Frey und Stutzer.

Von Kopfschmerzen bis zum Zahnverfall

In dieselbe Kerbe schlägt Norbert Schneider, Professor für Soziologie an der Universität Mainz. Laut seiner umfangreichen Studie zur Berufsmobilität bringt die tägliche Fahrerei massive seelische und körperliche Belastungen mit sich - für den Be­rufstätigen selbst wie für seine Familie.

So leiden Langstre­ckenpendler viel mehr unter psychosomatischen Beschwerden als Arbeitnehmer mit kurzen Arbeitswegen. Die Zipperlein rei­chen von Kopf- und Rückenschmerzen bis hin zu Magen-Darm-Beschwerden und Bluthochdruck. Auch Schlafstörungen, Tagesmüdigkeit und Konzentrationsprobleme kommen bei Fernpendlern gehäuft vor.

Dazu gesellen sich handfeste körperliche Erkrankungen. So leiden Pendler, die öffentliche Verkehrsmittel nutzen, besonders häufig unter Infekten, während bei Autofahrern mit langen Wegen die Arthrosegefahr zunimmt. Norwegische Wissenschaftler fanden zu­dem heraus, dass Berufspendler schlechtere Zähne haben: Die Betroffenen finden kaum die Zeit, gründliche Gebisssanierungen vornehmen zu lassen und geben sich eher mit Notreparaturen zu­frieden.

In der Fremde zuhause

Neben der Gesundheit bleiben auch andere wichtige Dinge auf der Strecke - Familie, Hobbys und Freunde beispielsweise. Mit den Kindern ausgiebig spielen oder als Paar gemeinsame Inte­ressen pflegen, dafür bleibt kaum noch Zeit. Hinzu kommt die quälende Erfahrung, dass sich getrennte Lebenswelten ent­wickeln, wodurch sich Pendler oft in der eigenen Familie als Fremde fühlen.

Am Anfang einer Pendlerkarriere steht meist die Überlegung: "Ich mach das jetzt mal für ein oder zwei Jahre und dann sehe ich weiter." Oft stellt sich diese Vorstellung jedoch als illusorisch heraus. Die Macht der Gewohnheit, chronische Zeitknappheit und Energiemangel verhindern dann die Suche nach besseren Lösungen.

Oft können sich Fernpendler aber auch gar keine Alternative zum Status quo vorstellen. Ihnen sei das wichtigste Fazit von Norbert Schneiders Pendlerstudie ans Herz gelegt: Auf lange Sicht betrachtet, ist ein Umzug oder Jobwechsel die eindeutig bessere Entscheidung!

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