Neue Medien:Schreiben für den Augenblick

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Weiterbildung (7): Für viele Hochschulabsolventen ist Online-Journalist ein Traumberuf - leider bleibt er es oft.

Christine Demmer

Schon immer wollte Marcella Kaufhold Journalistin werden - das und nichts anderes. Lange hatte sie geglaubt, mit ihrem breit angelegten Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Psychologie in der Medienwelt Fuß fassen zu können. Doch selbst der Magister der Universität Heidelberg und die absolvierten Praktika vermochten die Personalchefs von Sendern und Verlagen nicht zu beeindrucken. Ihre Bewerbungen um ein Volontariat blieben erfolglos.

Marcella Kaufhold: Ihr Traumberuf ist Journalistin. (Foto: Foto: oH)

Da stand sie nun im Februar 2005, viel im Kopf, wenig auf dem Konto und ihrem Traumberuf höchstens einen winzigen Schritt näher. Plan B musste her. "Ich hatte schon in den letzten Semestern mit dem Gedanken gespielt, nach all der Theorie noch etwas Praktisches oben draufzusetzen", sagt die 28-Jährige, "und ich war neugierig auf die technischen Seiten des Journalismus." Das Passende für sich entdeckte sie im Bundesland Sachsen-Anhalt. Seit 2003 im Angebot der Universität Halle-Wittenberg ist der zweijährige Master-Studiengang "Multimedia & Autorschaft" mit den beiden Fachrichtungen Online-Journalismus und Multimedia-Autor.

Verbindung von Print und Video

Der Multimedia-Autor kümmert sich um das Zusammenspiel von Video und Interaktivität, der Online-Journalist lernt das journalistische Handwerkszeug für das Medium Internet und konzipiert Content-Management-Systeme. "Wie sehen im Netz sowohl die Fortschreibung von Print als auch von Video", sagt Florian Hartling, Mitarbeiter des Studiengangs, "das eine ist der klassische, textbasierte Online-Journalismus, das andere ist die multimediale Produktion. Beides ist Resultat der Konvergenz der Medien im Netz und wird von uns auch so vermittelt." Jeweils zwölf Kandidaten werden jedes Jahr zum Studium zugelassen.

Tatsache ist, dass es für die Absolventen beider Fachrichtungen einen Arbeitsmarkt gibt, weil das Internet mittlerweile zum Kanon der klassischen Medien aufgeschlossen hat. Tatsache ist aber auch, dass längst nicht so viele später in ihrem Traumberuf landen, wie es die Anbieter der zahlreichen Aus- und Weiterbildungsgänge an Hochschulen, Akademien und privaten Instituten den angehenden Pulitzer-Preisträgern glauben machen wollen. Denn vor allem in Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen werden erfahrene Schreiber aus der Ära Gutenberg häufig immer noch den multimedial ausgebildeten Nachwuchsredakteuren vorgezogen.

Klare Struktur, vielfältiges Programm

Thomas Mrazek, Chefredakteur des Internet-Magazins Onlinejournalismus.de, sieht das Spektrum der gebotenen Weiterbildungen sehr zwiespältig: "Für PR-nahe Jobs ist das sicher das Richtige. Aber um im Qualitätsjournalismus anzukommen, fehlt bei vielen doch einiges." Zum Beispiel, dass Marcella Kaufhold und ihre Mitstudierenden keine Pflichtpraktika machen mussten. "Wie sollen die dann die Praxis in der Redaktion und mögliche Arbeitgeber kennenlernen? Aber erzählen Sie das mal jemandem, der solch ein buntes und abwechslungsreiches Fach studiert . . ."

Marcella Kaufhold wollte Journalistin werden, damit war für sie die Frage der Studienrichtung geklärt. Drei Monate nach ihrem Heidelberger Magister-Examen zündete sie ihre zweite Ausbildungsstufe in Halle. "Ich fand es gut, relativ schnell auf ein klar definiertes Berufsziel hin zu studieren", sagt sie und lobt die klare Struktur und die Vielfalt des Programms. "Alles war dabei, nichts konnte abgewählt werden." Auf dem Lehrplan stehen Medientheorie, Medienrecht, Mediengeschichte, der Umgang mit Text, Dramaturgie, Foto, Audio, Video, Grafik sowie Programmiersprachen für die Internetgestaltung. "Dazu Hausaufgaben und Projekte", sagt Kaufhold, "zum Teil war das ordentlich schwer." Nicht alle haben das Studium zu Ende gebracht. "Durchhänger gab es immer mal. Man musste sich eben selbst motivieren."

Journalistin im Nebenberuf

Und wo sind die Online-Master des Abschlussjahrgangs 2007 schließlich untergekommen? "Eine Mitstudentin arbeitet in einer Agentur, eine macht ein Praktikum bei der Fraunhofer-Gesellschaft, drei Kollegen sind als Online-Redakteure tätig, und einer hat sich mit Internet-Projekten selbständig gemacht", zählt Kaufhold auf. Ganz anders als vor drei Jahren hätte sie selbst nun gleich unter mehreren Volontariatsstellen wählen können.

Eine Stelle als Online-Redakteurin in einer PR-Agentur nahe Stuttgart war ihr dann aber doch lieber. Dort betreut sie die Webseite eines Computerunternehmens, bereitet Texte aus Katalogen für das Internet auf, passt Überschriften an und programmiert die Animationsfigur "Sam". Ihr Ziel hat sie trotzdem nicht aus den Augen verloren: Im Nebenberuf schreibt sie für Sonntagszeitungen und Online-Magazine. Denn der Traum ist geblieben: Eines Tages will Marcella Kaufhold Journalistin werden.

Wo lernt man das?

Den zweijährigen Master-Studiengang "Multimedia & Autorschaft" gibt es bundesweit nur an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 06099 Halle, Tel. 0345-5523588, www.mmautor.net. Die Bewerber sollen ein Studium im Bereich der Kultur- oder Sozialwissenschaften abgeschlossen haben, aber auch künstlerische, informationstechnische und journalistische Vorbildungen sind möglich. Darüber hinaus werden mindestens zwei journalistische Praktika verlangt. Ähnliche Programme bieten die International School of New Media (ISNM) in Lübeck (Digital Media), die Universität Duisburg-Essen (Educational Media), die Universität Kassel (European Master of Arts in Media, Communication and Cultural Studies), die Fachhochschule Giessen-Friedberg (Technische Redaktion und multimediale Dokumentation). Knapp ein Dutzend berufsbegleitende Weiterbildungen veranstalten Hochschulen, Medienakademien und private Bildungsanbieter. Das Spektrum reicht vom Fünf-Tages-Kurs bis zum Lehrgang über 18 Monate.

© SZ vom 19.4.2008/bön - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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