Motivation:Erzählen für den Erfolg

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Märchen für Manager: Wie man mit der Storytelling-Methode die Mitarbeiter motiviert und Wissen weitergibt.

Chris Löwer

Es war einmal ein mittelständisches Maschinenbauunternehmen, das in der großen, weiten Welt seine Produkte verkaufen wollte. Und so begab es sich, dass die Entwicklungsabteilung verstärkt wurde, der Vertrieb effizienter gestaltet und erfahrene Mitarbeiter für das Marketing eingestellt wurden - lauter Prinzen, die sich auf den Weg machen sollten, den geheimen Schlüssel zum Weltmarkt zu finden. Was wie ein Märchen beginnt, ist eine noch junge Management- und Motivationsmethode: Storytelling.

(Foto: Foto: Reuters)

Unternehmen wie ABB, AXA Colonia, IBM, Siemens und sogar die Weltbank üben sich im Märchenerzählen, um Mitarbeiter zu motivieren, auf Veränderungen vorzubereiten, Wissen weiterzugeben oder Probleme zu lösen. Die Berater des Netzwerks Narrata Consult haben sich auf die Vermittlung dieser Methode spezialisiert. Und sie haben die Erfahrung gemacht, dass vor allem technologieorientierte Unternehmen aus der Automobil-, Telekommunikations- und Stahlbranche auf Erzählungen und Märchen ihrer Mitarbeiter zurückgreifen. "Narrative Methoden verhelfen Unternehmen zu effizienterem Arbeiten, da Probleme und deren Lösungen aufgezeigt, Wiederholungsfehler vermieden werden und gegebenenfalls ein Kulturwandel herbeigeführt werden kann", sagt Christine Erlach von Narrata Consult.

Die gute alte Erfolgsgeschichte, die begeistert und bewegt, taugt auch als firmeninternes Marketinginstrument. Wer Erfolgsgeschichten verbreitet statt zu lamentieren, wer mitreißend erzählt statt dröge zu berichten, nützt dem Unternehmen. "Es geht darum, vom Flipchart wegzukommen - hin zu dramaturgisch geschickt aufgebauten Geschichten. Sie sollen den Vorstand, der bei den üblichen Präsentationen wegdämmert, aus dem Sessel reißen", sagt Narrata-Beraterin Karin Thier. "Manager müssen packend und ungekünstelt reden können."

Der auf den ersten Blick blumig erscheinende Trend kommt - wie könnte es anders sein - aus den USA. Art Kleiner und George Roth, Wissenschaftler am Massachusetts Institute of Technology, haben 1996 die Storytelling-Methode entwickelt. Sie propagieren narrative Bewerberinterviews, bei denen im Plauderton wertvolles Wissen und die ganze Wahrheit zum Vorschein kommen sollen.

Als eines der ersten Unternehmen hat sich der Kopiergerätehersteller Rank Xerox die Geschichten aus dem prallen Leben von Servicetechnikern zunutze gemacht: Die kniffligen und teilweise kuriosen Fälle werden inzwischen über das Intranet verbreitet, was nicht nur die Neugier der Kollegen befriedigt, sondern auch auf unterhaltsame Weise Praxiswissen vermittelt. Selbst Mitarbeiter, die sonst Reparaturhandbücher und Datenbanken meiden, lesen die Geschichten mit großem Interesse. Angeblich, so verlautet aus dem Unternehmen, lernten die Mitarbeiter auf diese Weise dreimal so viel wie sonst - mit der Folge, dass die Reparaturzeiten und der Teileverbrauch um zehn Prozent gesunken seien.

"Das Thema Wissensmanagement war lange eine Domäne von IT-lern und Betriebswirten, bevor sich die Psychologen darum gekümmert haben", sagt Christine Erlach. Ihnen gelänge es besser, verschüttetes Wissen, Werte und Normen im Unternehmen freizulegen, um sie so einer Diskussion zugänglich zu machen. Und: Geschichten seien bildreich, würden daher besser verstanden, länger behalten und schneller weitererzählt.

Heinz Mandl, Pädagogikprofessor an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, hält erzählte Erfahrungen für ein gutes Mittel, um etwa die Wahrheit über die Arbeitsbelastung, das Miteinander im Team und die Zufriedenheit der Belegschaft herauszufinden. "Direkte Fragen oder sachliche Berichte können nicht leisten, was das Emotionale von Geschichten bringt. Das stimuliert die Reflektion und sensibilisiert Mitarbeiter sowie das Management." Es müsse allerdings ein gewisser Leidensdruck vorhanden sein, damit offen gesprochen werde. So wie bei dem Linzer Unternehmen Voestalpine Stahl GmbH. Allen Mitarbeitern war klar, dass die Motivation in einem Projektteam zu wünschen übrig ließ. Beim Erzählen stießen die Berater von Narrata auf Erstaunliches: Immer wieder tauchte die Klage über Nächte auf Feldbetten auf, die die Ingenieure auf Montage verbringen mussten, um an Ort und Stelle zu sein, wenn Material angeliefert wurde. Beschwert hatte sich darüber indes niemand. Das Übel musste buchstäblich ausgeplaudert werden.

Gute Erfahrungen hat Christine Erlach auch mit Storytelling bei Veränderungsprozessen gemacht. "Geschichten, besonders Märchen, können im Unternehmen neue Wege aufzeigen und Widerstände lösen." Gerade die Helden im Märchen hinterließen bleibende Bilder, auf die in Krisensituationen zurückgegriffen werden könne, indem man frage: "Was hätte unser Held nun gemacht?"

Storytelling wirkt jedoch nicht immer und überall. "In kleineren Unternehmen mit weniger als 30 Mitarbeitern taugt die Methode nicht", meint Erlach. Wenig erfolgversprechend sei es auch, wenn jemand aus dem Unternehmen die Zungen lösen wolle, der nicht respektiert werde. Unabdingbare Voraussetzung sei ein neutraler Moderator oder Interviewer, der eine entspannte Situation herstellen könne, in der frank und frei, ohne strategische Erwägungen, erzählt werde.

"Wer einen schnellen Erfolg erwartet, wird enttäuscht sein", sagt Professor Mandl. "Die Methode ist sehr aufwändig und führt nicht zu sofortiger Verhaltensänderung." Dennoch ist seine Prognose für die Verbreitung dieser Art des Zungenlösens positiv: "Storytelling wird sich in unterschiedlichen Bereichen verbreiten, da es immer wichtiger wird, den reichen Erfahrungsschatz von Mitarbeitern zu nutzen. Datenbanken helfen da wenig."

© SZ vom 15.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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