Mehr arbeiten:Nicht jede Überstunde muss bezahlt werden

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48, 50, 60 Stunden in der Woche: Wie viel Mehrarbeit zulässig ist - und wann Überstunden für den Arbeitgeber teuer werden.

Wolfgang Büser

Sicher ist: Nicht jede Überstunde muss bezahlt werden. Das liegt zum einen daran, dass nur vom Arbeitgeber angeordnete, zumindest gebilligte oder "geduldete" Mehrarbeit einen Entgeltanspruch auslöst. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) wies damit einen Arbeitnehmer ab, der eben diese Arbeitgeber-Beteiligung an seiner Mehrarbeit nicht nachweisen konnte. Außerdem hatte er nicht "genau dargelegt, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet" habe. Pauschale Aufzeichnungen reichten nicht aus (AZ: 5 AZR 319/04).

Arbeiten ohne Ende? Die gesetzliche Höchstarbeitszeit liegt bei 48 Stunden wöchentlich. (Foto: Foto: ddp)

Andererseits: Das BAG billigte einem Metzger die Bezahlung von 62,5 Überstunden zu, die dieser in zwei Monaten über die gesetzliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden wöchentlich hinaus geleistet hatte. Mehrarbeit in diesem Umfang hätte dem Chef auffallen müssen - und von ihm unterbunden werden können, wenn er nicht daran interessiert gewesen sei (AZ: 5 AZR 52/05).

Und das Landesarbeitsgericht (LAG) München setzte noch einen drauf: Ist ein Arbeitgeber darüber informiert, dass ein Mitarbeiter mehrere Jahre lang in erheblichem Umfang Überstunden leistet, die nur unzureichend pauschal abgegolten wurden, so hat er dem arbeitseifrigen Mann, der ihm seine Überstunden auflistet, eine "leistungsgerechte Nachzahlung" anzuweisen. Mitentscheidend dafür war, dass der Chef die monatlich eingereichten "Stempelkarten" des Mitarbeiters erhalten hatte (AZ: 4 Sa 1258/04).

Ausnahmen in Notfällen

Das Arbeitszeitgesetz regelt, wie viele Überstunden zulässig sind. Ausgegangen wird von einer werktäglichen Arbeitszeit von acht Stunden, die auf zehn Stunden pro Tag - 60 Stunden pro Woche - ausgedehnt werden kann (auch der Samstag ist ein "Werktag"). Bedingung: Innerhalb von bis zu sechs Monaten wird ein (Freizeit-)Ausgleich geschaffen, wodurch die gesetzliche Obergrenze von täglich acht Stunden im Mittel nicht überschritten wird. Mit einem Tarifvertrag im Rücken kann auch mehr als zehn Stunden pro Tag Geld verdient werden.

Unbegrenzte Mehrarbeit kann hingegen nur dann akut werden, wenn ein Notfall eingetreten ist, etwa nach einer Sturmflut. Nach Lust und Laune darf ein Arbeitgeber ohnehin keine Mehrarbeit von seiner Belegschaft verlangen. Eine unerwartet gute Auftragslage kann ein Anlass sein, die Erkrankung mehrerer Kollegen ein anderer. Auch während der Urlaubszeit können Personalengpässe eintreten, die "mehr Arbeit" für die anderen Mitarbeiter mit sich bringen.

Freizeit vor Bezahlung

Normalerweise werden Überstunden durch Freizeit abgegolten oder wie übliche Arbeitszeit vergütet. Das Arbeitszeitgesetz nennt ausdrücklich den Freizeitausgleich vor der Bezahlung von Mehrarbeit. Und wie steht's mit Überstundenzuschlägen? Das Gesetz schweigt dazu. In Tarif- oder Einzelarbeitsverträgen sind aber erhöhte Zahlungen vorgesehen, meist 25 Prozent Zuschlag auf den Stundenlohn, an Sonn- und Feiertagen 50 Prozent. Entsprechendes kann für den Freizeitausgleich vorgesehen sein.

Allerdings: Nach dem Urteil des LAG Schleswig-Holstein darf ein Arbeitgeber mit seinen Beschäftigten vereinbaren, dass etwaige Überstunden mit dem normalen Gehalt abgegolten sind. Dasselbe gilt für eine gleich bleibende Pauschale. Es darf allerdings kein "auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung" bestehen (AZ: 5 Sa 147/02).

Auch im Krankheitsfall kann ein Arbeitnehmer von vorher geleisteten Überstunden profitieren. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu entschieden: Für den "Krankenlohn" ist die individuelle regelmäßige Arbeitszeit maßgebend - nicht die tarifliche oder betriebsübliche. Ob eine abweichende längere Arbeitszeit "regelmäßig" geleistet werde, sei in der Regel über einen Vergleichszeitraum von zwölf Monaten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit festzustellen. Entscheidend sei, ob der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum mit einer "gewissen Stetigkeit und Dauer" über die vereinbarte oder tariflich geltende Arbeitszeit hinaus gearbeitet habe (AZ: 5 AZR 457/00).

Bei jugendlichen Auszubildenden ist Mehrarbeit über eine wöchentliche Ausbildungszeit von 40 Stunden hinaus nicht gestattet. Bei volljährigen Azubis ist sie - wie bei Erwachsenen nicht verboten. Für den Nachwuchs sieht das Gesetz aber eine "besondere Vergütung" ausdrücklich vor - sei es durch Freizeitausgleich oder als zusätzliche Zahlung.

Wie viele Stunden dürfen sich Arbeitnehmer aufschreiben, wenn sie für ihren Arbeitgeber dienstlich auf Tour sind? Dazu das Bundesarbeitsgericht: Schreibt der Arbeitgeber dem Mitarbeiter nicht vor, ein "selbst zu steuerndes Fahrzeug" zu nehmen, und darf somit die Fahrzeit "frei gestaltet" werden, so kann der Arbeitnehmer nicht erwarten, dass die Reisezeit komplett wie Arbeitszeit vergütet wird.

Allerdings ist ihm mindestens die tägliche regelmäßige Arbeitszeit zu bezahlen - selbst dann, wenn am Geschäftsort weniger gearbeitet wird. Das Urteil erging zu einem Fall aus dem öffentlichen Dienst (AZ: 9 AZR 519/05).

© SZ vom 5.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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