Management-Mode:Theorien aus dem Supermarkt

Lesezeit: 1 min

Die Coaching-Branche in der Kritik.

Jan Friedmann

"Die Ersetzung von Führungsarbeit durch modische Theorien ist passé," sagt Günter Stahl, Autor einer Studie über die Coaching-Branche. "Die von Coaches angewandten Methoden haben oft nichts mit der Wirtschaft zu tun".

Käuferin in einem Supermarkt (Foto: N/A)

Ein Großteil der Methoden stamme aus Psychoanalyse und Psychotherapie, stellte der Professor der renommierten Pariser Business School INSEAD in seiner Untersuchung fest. Daneben werde auch viel mit umstrittenen Theorien wie dem Neurolinguistischen Programmieren (NLP) oder bisweilen mit pseudowissenschaftlichen Praktiken wie Tanztherapie oder Bioenergetik gearbeitet.

Bachblüten gegen Mobbing

Die meisten Management-Moden enthalten Oswald Neuberger, Professor für Personalwesen an der Uni Augsburg, zufolge zwar einen richtigen Kern. Gerade in den sogenannten Soft-Skill-Trainings, die der Entwicklung der Persönlichkeit dienen, werde aber viel Unsinn verbreitet: "Wer glaubt, eine Bachblüten-Therapie helfe gegen Mobbing, ist naiv."

Die Botschaften, die meist in Form amerikanischer Bestseller-Ratgeber nach Deutschland kommen, ähneln sich laut Neuberger schon seit Jahren: "Das ist wie im Supermarkt. Alle paar Monate wird ein Führungskonzept verkauft, das zwar ein neues Label trägt, sich aber nur aus Versatzstücken alter Theorien zusammensetzt. Der Seminar- und Trainingsmarkt ist nun einmal darauf angewiesen, dass er seine Produkte künstlich veralten lässt."

Misstrauische Personalchefs

"Niemand überprüft die Methoden der Coaches," kritisiert INSEAD-Professor Stahl. "Es gibt kein einheitliches Qualitätssiegel, das den Kunden hilft, seriöse Coaches von Scharlatanen zu unterscheiden."

Der Markt sei schwer zu überschauen, bestätigt Ralf Jungblut, stellvertretender Präsident des Bundes Deutscher Trainer und Verkaufsförderer (BDVT). Er schätzt, "dass auf 1.200 gut ausgebildete Coaches in Deutschland 10.000 weitere kommen, die keine hinreichende methodische und didaktische Ausbildung haben."

Personalchefs misstrauen zunehmend Generalrezepten und schnell geschnürten Sinn-Paketen. "Coachings sind nur dort sinnvoll, wo sie sich direkt im Arbeitsalltag einsetzen lassen, etwa wenn ein Mitarbeiter zum ersten Mal Verantwortung für Personal und Projekte übernimmt", sagt Robert Marlinghaus, Referatsleiter im Personalmanagement der Lübecker Medizintechnik-Firma Dräger und Mitautor der erwähnten Coaching-Studie.

"Einige psychologische Methoden haben ihren Mythos verloren, nicht nur beim Coaching, sondern beispielsweise auch im Assessment Center", sagt der Personalchef. Für die nächsten Jahre erwartet Marlinghaus, dass sich der Coaching-Markt konsolidiert: "Anbieter, die nicht mit wissenschaftlich fundierten Methoden arbeiten, werden ausscheiden."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: