Lehrer als Risikogruppe:Nah am Burnout

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60 Prozent der Lehrer stehen kurz vor dem psychischen und physischen Kollaps. Sie verausgaben sich exzessiv oder haben schon resigniert. Nun gibt es Hilfsangebote für den Schulalltag.

Marco Finetti

Lehrer in Deutschland sehen sich durch ihren Beruf zunehmenden gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt, vor denen sie besser geschützt werden müssen. Dies ist das Fazit einer großangelegten Lehrer-Studie, deren abschließender Teil am Dienstag vorgestellt wurde. Dabei forderten der Deutsche Beamtenbund und die ihm angeschlossenen Lehrerverbände die Schulpolitiker, aber auch die Pädagogen selbst zu mehr Vorsorge und Gesundheitsförderung auf.

Überfordert, resigniert: Viele Lehrer sind für ihren Beruf schlicht nicht geeignet. Studienanfänger sollen daher künftig einen Psychotest machen. (Foto: Foto: iStockphoto)

"Im Vergleich zu anderen Berufsgruppen weisen Lehrer mit Abstand die problematischste Situation und die größten psychischen Belastungen auf", sagte der Potsdamer Psychologieprofessor Uwe Schaarschmidt, der im Auftrag des Beamtenbundes und der Lehrerverbände seit 2000 mehr als 16.000 Lehrer befragt und ihren Berufsalltag mit dem anderer Professionen verglichen hatte.

Gut 60 Prozent der Lehrer gehören demnach zur "psychischen Risikogruppe" und zeigen die Tendenz zum sogenannten Burn-out-Syndrom, wie bereits der 2003 abgeschlossene erste Teil der Studie gezeigt hatte. Eine ähnlich große Risikogruppe gebe es mit 55 Prozent nur bei den Mitarbeitern von Sozialämtern, so Schaarschmidt. Bei Polizisten beträgt der Anteil 35, bei Existenzgründern 44 Prozent.

Die Hälfte der überlasteten Pädagogen neigt der Studie zufolge dazu, sich "exzessiv zu verausgaben", kann sich aber gleichzeitig nicht mehr ausreichend erholen. Die andere Hälfte ist psychisch noch gefährdeter; hier hätten viele Lehrer bereits resigniert und ihr Engagement deutlich reduziert.

Als wichtigste Gründe für die zunehmende Überforderung nannten die Pädagogen Lernunlust und Aggressivität bei Schülern, steigende Erwartungen von Eltern sowie ihre Stundenzahlen und die Klassengrößen, die beide in den meisten Bundesländern in den vergangenen Jahren angehoben wurden. Auch immer neue schulpolitische Reformen, die steigende Zahl von Leistungsvergleichen und mehr Bürokratie wirkten belastend.

Sind Sie emotional stabil?

Der jetzt vorgestellte zweite Teil der Schaarschmidt-Studie enthält praxisnahe Vorschläge, um der Überforderung entgegenzuwirken. So sollen Lehrer mit einem Arbeitsbewertungs-Check ihre Belastung und Belastbarkeit besser einschätzen. Für die Lehrerkollegien entwickelten die Psychologen Programme, um das soziale Klima zu verbessern. Schulabgänger und Lehramtsstudenten sollen mit einem Test feststellen können, ob sie neben ihrem fachlichen und pädagogischen Wissen auch über die notwendige emotionale Stabilität verfügen.

Der Vorsitzende des Beamtenbundes, Peter Heesen, rief die Kultusminister und die Lehrer dazu auf, diese Hilfsangebote im Schulalltag und in der Aus- und Fortbildung zu nutzen. Ludwig Eckinger, Chef des Verbandes Bildung und Erziehung, sagte, Politiker und Behörden müssten "ihrer Fürsorgepflicht gegenüber Lehrern endlich nachkommen".

© SZ vom 13.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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