Lächelnde Dienstleister:Kaputtgelacht

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Irgendwie haben wir es schon immer geahnt: Stewardessen, Call-Center-Sklaven und Pharmavertreter haben es schwer. Sie müssen während der Arbeitszeit ein Dauerlächeln aufsetzen. Aber zuviel Lächeln kann depressiv machen.

Hilmar Klute

Von Bert Brecht gibt es ein lakonisches und in seiner unangestrengten Aufzähllust auch recht lässiges Gedicht, in welchem er verschiedene "Vergnügungen" listet, die vom ersten Blick aus dem Fenster über die Zeitung und den Hund reichen und dann einen lockeren Bogen schlagen zu Duschen, Schwimmen, Alter, Musik, bequemen Schuhen und - freundlich sein. Am Ende ist man dann doch ein bisschen perplex, dass ausgerechnet das Freundlichsein, diese heute von vielen nur noch als lästige Dienstleistung begriffene Kulturtechnik, Spaß machen soll. Zumal ja kürzlich der Psychologe Dieter Zapf Alarm geschlagen und mitgeteilt hat, dass Menschen in Berufen mit Publikumsverkehr an ihrem professionell aufrechterhaltenen Dauerlächeln krank und debil werden können.

Stewardessen sind an ihr Lächeln gebunden, wie an einen Marterpfahl. Ihr Dauerlächeln soll den Kunden an das Flugunternehmen binden. (Foto: Foto: dpa)

Übrigens meldet sich der Frankfurter Arbeits- und Organisationspsychologe Zapf alle paar Jahre mit seinen Lächel-Warnhinweisen zu Wort, und was er sagt, klingt ja auch weitgehend schlüssig: Wer von Berufs wegen ständig lächeln muss, stellt seine eigentlichen Befindlichkeiten hintan und rutscht über die finsteren Stationen Selbstverleugnung, Zwanghaftigkeit und Unterordnung direkt in die Herzinsuffizienz respektive in die Depression. Den auf solche Weise Erkrankten rät der Experte, sich gelegentlich zurückzuziehen, die Mundwinkel konsequent zusammenschnurren zu lassen, und in der nunmehr bewusst ausgelebten schlechten Laune neue Kraft zu tanken.

Grinsen am Marterpfahl

Natürlich soll man sich über lächelkranke Menschen nicht lustig machen, denn insbesondere in den höheren Dienstleistungs-Segmenten lauert ja der destruktive Zwang zur Freundlichkeit: Stewardessen, Call-Center-Sklaven (sie müssen lächeln, damit ihre Stimme wie die eines Lächlers klingt) und Pharmavertreter sind an ihr Lächeln gebunden wie an einen Marterpfahl. Auch wenn Dieter Zapf herausgefunden hat, dass ein echtes, also von Herzen kommendes Lächeln höchstens drei Sekunden dauern kann, gilt das langzeitorientierte Lächeln als wichtigstes Bindemittel zwischen Unternehmen und Kunden. Der Unternehmensberater und Service-Kritiker Edgar K. Geffroy hat ein schwer marktkritisches Buch mit dem Titel "Das einzige, was stört, ist der Kunde" herausgebracht. Darin steht der Satz: "In Zukunft wird der Mensch wieder zum Erfolgsfaktor zukunftsorientierter Unternehmen."

Das ist vielleicht auch der Grund, warum die Supermarktkette Tengelmann nicht nur einen Teil ihrer Filialen dergestalt umgemodelt hat, dass nicht nur die Waren übersichtlicher in den Regalen präsentiert, sondern auch die Mitarbeiter mit einem neuen Outfit versehen werden. Kassiererinnen und Marktleiter tragen jetzt dezent farbenfrohe Dienstkleider, welche durch verspielte Accessoires wie Tücher und ins Hemd gesteckte Krawatten ergänzt werden. Alles wirkt äußerlich viel freundlicher, bloß die Kassierinnen sind genau so muffelig wie schon vor ein paar Wochen, als sie noch weiße Kittel mit rot eingesticktem Namenszug trugen. Andererseits muss die Salami, die über das Laserfenster jagt, ja nicht auch noch zusätzlich mit einem Lächeln begleitet werden.

Zuviel Enthusiasmus irritiert

Sicherlich möchte man einigermaßen freundlich, zumindest höflich behandelt werden, wenn man Serviceleistungen entgegennimmt. Aber es gibt auch eine Art des Entgegenkommens, das in seinem Enthusiasmus eher irritiert als anlockt. Shell hat zum Beispiel innerhalb der vergangenen Monate den Tankwart wieder eingeführt, und nun wird einem bei jedem Versuch, die Zapfsäule zu konsultieren, der Zapfhahn aus der Hand genommen, werden die Scheiben gewischt und die Motorhaube geöffnet, um das Kühlwasser aufzufüllen. Was ist hier passiert? Auf der Website " work-innovation", einem Wegweiser durch die komplizierten Geflechte der modernen Arbeitswelt, wird die Renaissance des Tankwarts so erklärt: "Die emotionale Bindung der Kunden an die Tankstelle vor Ort wird gestärkt." So als sei die Tankstelle an die Stelle des Lindenbaums getreten, unter welchem sich Einheimische und Wanderer vor Zeiten zusammenfanden.

Übrigens ist das professionelle Zusammenspiel von Lächeln und Dienstleistung schon in den achtziger Jahren von der amerikanische Soziologin Russell Hochschild erkannt und kritisiert worden. Hochschild hat sich das verzweifelte Lächeln der Stewardessen eine ganze Weile angeschaut und kam dann - mit Marx und Marcuse im Handgepäck - nicht umhin festzustellen, dass Fluggesellschaften das Lächeln kommerzialisierten, also aus einer schönen Sache wie dem Gefühlsausdruck eine Ware machten: "Wenn das Management die Regel setzt, wie man sich zu fühlen und wie man Gefühle auszudrücken hat, wenn Arbeiter weniger Anrecht auf Höflichkeit haben als Kunden... ", so fragt die Soziologin, "welchen Einfluss hat all dies auf das Gefühlsleben eines Menschen?" Sicherlich keinen, der das fördern könnte, was Bert Brecht mit Vergnügungen meinte.

© SZ vom 19.05.2008/sam - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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