Jura-Studium:Volljuristen hinterm Tresen

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Weil die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt zunimmt, klagen viele Jura-Absolventen gegen die Beurteilung ihres Examens.

Von Barbara Hübner

Für Sabine Wieland bedeuteten die Ergebnisse ihrer ersten juristischen Staatsexamensprüfung mit der Gesamtnote vier "ein böses Erwachen, wie die 36-Jährige beschreibt: "Mit diesem Zeugnis konnte ich mich doch nicht als Juristin bewerben, sondern musste versuchen, anderswo unterzukommen." In kürzester Zeit hatte Sabine Wieland (Name geändert) ihr Studium absolviert und gehofft, mit Prädikat abzuschließen. Ein Thema, auf das sie sich wenig vorbereitet hatte, "das aber", so hat sie später erfahren, "Spezialgebiet meines Prüfers war", kam in zwei Teilprüfungen dran - in denen sie dann glatt durchfällt. Um "doch noch irgendwie auf ein 'befriedigend' zu kommen", legte sie Widerspruch gegen die Note ein.

Einspruch unbegründet

Wieland steht mit ihrem Einspruch nicht alleine da. Das Justizprüfungsamt bei der Landesregierung in Wiesbaden, das die hessischen juristischen Staatsexamina abnimmt, erlebt derzeit einen wahren Klageboom gegen Abschlussnoten. Doppelt so viele Jura-Absolventen wie im Vorjahr legten 2003 Widerspruch gegen die Note ihrer zweiten juristischen Staatsprüfung ein. Fast zehn Prozent aller insgesamt im vergangenen Jahr abgelegten 921 Prüfungen wurden rechtlich angezweifelt.

Laut Rüdiger Derwort, Präsident des Justizprüfungsamtes, werden 95 Prozent der Einsprüche jedoch als unbegründet zurückgewiesen. "Nur wenn gravierende Formfehler vorliegen, besteht Aussicht auf Erfolg", sagt Derwort. Wenn etwa während der Prüfung ein Presslufthammer dröhne, oder der eine Examenskandidat eine Stunde, der andere nur eine halbe Stunde erhielte. Fünf Prozent der Widersprüche landeten als Klagen beim Verwaltungsgericht.

Im Paukfach Jura ist die Misserfolgsquote traditionell sehr hoch: 13,8 Prozent der hessischen Jura-Absolventen schafften im vergangenen Jahr laut dem Amt die erste, 14 Prozent die zweite Staatsexamensprüfung nicht. Zum Vergleich: Bei Magister- und Diplomstudiengängen liegt die Quote laut Anita Brehm-Berthoud, Referentin der Rechtsabteilung der Universität Frankfurt, bei nur knapp einem Prozent. Die zunehmenden Streitigkeiten erklärt sich Derwort damit, dass Jura-Absolventen "juristisch versierter" seien. Rechtlich können sie laut Prüfungsordnung ihre Noten durch ein so genanntes Sachverständigengutachten gerichtlich überprüfen lassen. Mit einer höheren Punktzahl, vermutet er, wollten sie aber vor allem ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Kaum Nischen

Tatsächlich verzeichnet die Bundesanstalt für Arbeit für Ende September diesen Jahres in Hessen 26,9 Prozent mehr arbeitslose Juristen als im Vorjahr, sowie einen kontinuierlichen Stellenrückgang. 618 Suchenden standen Ende September lediglich 15 offene Stellen gegenüber. Den bundesweiten Trend führt Sprecher Uwe Skottke vom Frankfurter Arbeitsamt auf die Rezession und den öffentlichen Sparzwang zurück.

Nischen seien derzeit wegen der vielen Firmenpleiten lediglich im Insolvenzrecht, in "Randsegmenten wie dem Umwelt- und dem Steuerrecht und wegen der vielen Scheidungen im Bereich der Mediation zu finden," bestätigt auch Klaus- Helmut Lind, vom Frankfurter Arbeitsamt, der Akademiker vermittelt. "Im Staatsdienst sind mittlerweile 17 Punkte vorgeschrieben, also zweimal 'voll befriedigend'." Diese erreichten nur 15 Prozent der Absolventen. Der überwiegende Teil schaffe den Abschluss lediglich mit 'befriedigend' oder 'ausreichend'.

So sieht auch der Frankfurter Studiendekan Günther Frankenberg den Grund für die vielen Konflikte darin, dass viele Studenten "ihre schlechten Leistungen nicht wahrhaben" wollten. Damit die Studenten sich besser einschätzen könnten, sei im vergangen Jahr eine Zwischenprüfung eingeführt worden. Martin Wagner vom AStA der Uni Frankfurt kritisiert jedoch vor allem die "schlechte Betreuung während der Examensphase". Im Fachbereich Jura sei mittlerweile ein Professor für 141 Studenten zuständig. "Etwa 30 Prozent der Absolventen brechen ihr Studium kurz vor dem Examen ab, weil sie einfach nicht wissen, was sie erwartet."

Hoch verschuldet

Immer mehr Jura-Absolventen zahlten mittlerweile pro Jahr mehr als 1000 Euro an private Repetitorien, in denen sie ein Jahr vor dem Examen etwa zwei Stunden am Tag den gesamten Stoff wiederholten. Viele seien deswegen nach dem Studium hoch verschuldet.

Auch Heike Steinbach-Rohn, stellvertretende Geschäftsführerin der Rechtsanwaltskammer Frankfurt, bestätigt, dass inzwischen "ein Drittel aller Absolventen eine Nebentätigkeit beantragen." Formulare habe die Kammer auf dem Tisch gehabt, in denen ausgelernte Volljuristen sich anboten, gegen Entgelt Homepages zu erstellen oder "nebenbei ein Cafe eröffnen wollten."

© SZ vom 19.1.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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