Jobsuche:Ende des Jugendwahns

Lesezeit: 2 min

Viele Unternehmen beklagen einen Fachkräftemangel. Geben sie nun auch älteren Bewerbern eine Chance? Arbeitsmarkt-Experten sind uneins.

Andreas Hoffmann

Der Monatsanfang war über viele Jahre hinweg für einen Arbeitsminister ein Martyrium. Die Bundesagentur für Arbeit veröffentlichte ihre Job-Bilanz, und weil es meist mehr Arbeitslose gab, musste der Minister stets ein Hoffnungslicht in den Horrorzahlen entdecken. Der heutige Amtsinhaber Franz Müntefering (SPD) hat ganz andere Probleme: Er muss vor zu viel Euphorie warnen. Seit einigen Monaten bessert sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt kräftig, sodass manche Experten die Probleme schon als gelöst ansehen. Es gibt weniger Arbeitslose, mehr klassische Jobs mit Sozialabgaben, und nun nützt der Boom auch Älteren - sie finden leichter eine Stelle.

1,6 Millionen offene Jobs: Werden die Arbeitgeber nun auf Ältere setzen? (Foto: Foto: iStockphoto)

Das legen jedenfalls einige Zahlen der Bundesagentur nahe. Zwischen Juni 2005 und Juni 2006 stieg die Zahl der Arbeitnehmer, die einen sozialversicherungspflichtigen Job haben und älter als 50 Jahre sind, um 200.000. Bei den jüngeren Altersgruppen gab es hingegen weniger klassische Arbeitsplätze. Der Zuwachs im vorigen Jahr ist übrigens kein Einzelfall, seit Anfang 2000 fanden mehr Ältere einen traditionellen Job. Von den über 50-Jährigen hatten im Jahr 2000 37,5 Prozent eine Stelle, 2005 waren es 45,4 Prozent . Damit liegt Deutschland inzwischen leicht über dem EU-Durchschnitt. Ist also die Lage für die Älteren auf dem Arbeitsmarkt gar nicht so schlecht, wie viele Menschen jenseits der 40 befürchten?

Tatsächlich sprechen einige Indizien für ein Ende des Jugendwahns in den Betrieben. So haben die jetzige Koalition wie auch die Vorgängerregierung einige teure Frühverrentungsprogramme weitgehend gestoppt, weswegen sich die Firmen von ihren Beschäftigten nicht mehr so leicht trennen können. Auch einzelne Reformen, wie die kürzere Bezugsdauer des Arbeitslosengelds für Ältere, könnten Jobchancen verbessern - jedenfalls erwarten dies Ökonomen vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Vor allem dürfte der Aufschwung den Älteren zugute kommen, weil er viel stärker ist, als die Fachleute erwartet haben. Inzwischen spüren die Firmen einen Fachkräftemangel und können laut einer Studie 1,6 Millionen Stellen nicht besetzen. In ihrer Not, glauben Experten, werden die Firmen vermehrt wieder Ältere einstellen, weil unter den Jungen die gut ausgebildeten fehlen.

Doch nicht alle sehen die Lage so positiv. Experten vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe halten die guten Beschäftigungsquoten der Älteren für zu hoch gegriffen. Sie verweisen auf demographische Veränderungen, zudem würden viele ältere Arbeitnehmer bei den Statistikern als beschäftigt gezählt, obwohl sie in Altersteilzeit seien. Dies könne kaum als klassische Jobs zählen, sagen sie. Ein ähnliches Problem sieht das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Deren Wissenschaftler befürchten, der Aufschwung schaffe nicht nachhaltig Arbeitsplätze. Anders als in früheren Zeiten würden die Betriebe vermehrt Selbständige und Leiharbeiter einsetzen, um sich nicht zu binden.

Ohnehin leidet der Arbeitsmarkt weiter unter Problemen. Trotz eines Fachkräftemangels sind weiterhin 4,2 Millionen Menschen arbeitslos. Viele junge Leute finden keinen Job, schlecht ausgebildete Arbeitnehmer sowie Ausländer ebenfalls nicht, und auch Langzeitarbeitslose merken von der guten Konjunktur bisher sehr wenig. Auf Müntefering wartet also durchaus noch Arbeit, und zwar nicht im Zügeln der Euphorie einzelner Experten.

© SZ vom 19.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: