IT-Berufe:Frauen an die Informatik-Front

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Politik, Unternehmen und Universitäten versuchen, weibliches Potenzial für die Softwarebranche zu mobilisieren.

Eva Büchi

(SZ vom 29.5.2001) "Es müssen ja nicht immer Inder sein", meinte die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Christine Bergmann, unlängst bei der "Women-on-the-Web"-Konferenz in Hamburg. Nein, es dürfen auch Frauen sein.

Besucherinnen einer Computermesse (Foto: N/A)

In der IT-Branche fehlen Arbeitskräfte. Da denkt man derzeit auch wieder an die jungen Frauen, die man vielleicht motivieren könnte, ein naturwissenschaftlich-technisches Fach zu studieren. Denn obwohl per Greencard 6000 Informatiker aus Indien nach Deutschland kamen, fehlen europaweit rund 1, 9 Millionen Fachkräfte. Auch langfristig wird der IT-Boom anhalten: Bis 2003 erwarten Experten einen Fachkräftebedarf von 7,5 Millionen; europäische Schulen bilden aber nur 5,6 Millionen Informatiker aus. Der Frauenanteil liegt je nach IT-Beruf zwischen vier und 26 Prozent.

Auch die Wirtschaft klagt über den Frauenmangel in der Informatik. "Die Industrie hat in den letzten Jahren eine wichtige Zielgruppe nicht adäquat angesprochen; die Frauen. Höchste Zeit, dass wir unsere Kräfte bündeln und das Versäumte nachholen", übt die Firma Alcatel SEL Selbstkritik. Gerade die IT-Branche sei sehr frauenfreundlich, denn Software-Expertinnen könnten besonders gut Teilzeit oder von zuhause aus arbeiten. Auch der Versicherungskonzern Allianz wünscht sich mehr Frauen, weil diese neben der fachlichen Arbeit auch Kommunikations- und Teamfähigkeiten mitbrächten, heißt es in der Münchner Zentrale.

Studiengang für Frauen

Vielleicht werden die Unternehmen bald in Bremen fündig. Dort hat die Fachhochschule den Internationale Frauenstudiengang Informatik (IFI) eröffnet. Ein Konjunkturpuffer soll der Frauenstudiengang jedoch nicht sein. "Wir haben uns aus grundsätzlichen Überlegungen entschieden, einen monoedukativen Studiengang einzuführen", erklärt IFI-Studienleiter Axel Viereck. Untersuchungen haben gezeigt, dass Frauen in reinen Frauenklassen erfolgreicher sind als in gemischten. Dort nehmen sie sich - oft aus Harmoniesucht - eher zurück und überlassen das Terrain den Männern.

Auf keinen Fall aber will man den Eindruck vermitteln, in Bremen werde Informatik-Light unterrichtet. "Dieses Studium ist kein Schonraum", macht Regine Komoss, wissenschaftliche Mitarbeiterin am IFI, klar. In den USA seien monoedukative Ausbildungsstätten wie Women-Colleges schließlich auch häufig, und oft handele es sich dabei um Eliteschulen.

Vorbereitung auf den Job

Auch in Deutschland finden sich immer mehr Anhängerinnen eines monoedukatives Studium. In Wilhelmshaven etwa werden seit 1997 junge Frauen zu Wirtschaftsingenieurinnen und in Stralsund seit Herbst 2000 zu Ingenieurinnen ausgebildet. Nicht alle Hochschulen jedoch sind von monoedukativen Studiengängen überzeugt. "Das finde ich wenig sinnvoll" meint etwa der Informatikprofessor der Technischen Hochschule Zürich, Jürg Nievergelt. Statt eines Frauenstudienganges bietet die ETH für Abiturientinnen ein einwöchiges Schnupperstudium Informatik an.

Als Pilotprojekt gilt das IFI Bremen in mehrfacher Hinsicht. Hier werden nicht nur im bundesweit ersten monoedukative Informatikstudium in acht Semestern Frauen zu diplomierten Informatikerinnen ausgebildet, das Studium schreibt auch ein obligatorisches Auslandssemester vor. Damit können die künftigen Hard- und Software-Spezialistinnen sich auf den globalisierten, gemischtgeschlechtlichen Arbeitsmarkt vorbereiten. Das Auslandssemester, das die Studentinnen vor allem in den USA, Frankreich oder Spanien verbringen, können sie gemeinsam mit den Dozenten planen.

Input aus dem Arbeitsalltag

Für entscheidend halten die Lehrenden am IFI die praxisnahe Ausbildung. "Hier werden schon mal Computer auseinander gebaut und dann wieder zusammengesetzt", sagt Axel Viereck. Im sechsten Semester absolvieren die Studentinnen ein Praktikum in einer IT-Branche. Im wissenschaftlichen Beirat, der den Studiengang begleitet, sitzt ein Vertreter der Bremer Wirtschaft, um Inputs aus dem Arbeitsalltag geben zu können. Ohne viel Werbung zu machen, startete im vergangenen Herbst das IFI mit 31 Studentinnen, 91 hatten sich angemeldet.

Für das Bremer Modell, das jeweils zur Hälfte vom Bund und von der Hochschule finanziert wird, interessierten sich Frauen mit sehr verschiedenen Biografien. Die Mehrzahl ist zwischen 19 und 25 Jahre alt, die älteste Studentin hat sich aber mit 45 Jahren eingeschrieben. Eine gute Note in Mathe ist für Informatik nicht Bedingung, jedoch vorteilhaft. "Wer Informatik studiert, muss gerne formal, systematisch und analytisch denken", sagt IFI- Dozentin Wiebke Oeltgen.

Die Hälfte der Bremer Studentinnen hat sich bewusst für den Frauenstudiengang entschieden. Astrid Niesze aus Oldenburg ist eine von ihnen. Sie hat bereits Biologie in einer gemischten Hochschule studiert und kann vergleichen. "Das Klima hier ist anders. Es fällt leichter, Fragen zu stellen. " Stünden Frauen und Männer an einem Computer, greife eher der Mann zur Maus als die Frau. Für Veronika Henker dagegen stand die monoedukative Ausbildung nicht im Vordergrund. Dem Mathe-Crack war es wichtig, in ihrer Heimatstadt Bremen studieren zu können. Und weil sie die Berufschancen nach einem Mathematikstudium geringer einschätzt als nach einer Informatikausbildung, entschied sie sich für das IFI. Contja Barsch schließlich hat bewusst das IFI gewählt, weil ihr die praktische Anwendung wichtig war, die der Bremer Lehrplan bietet. Doch auch sie schätzt es, "unter sich" zu sein: "In einer gemischten Gruppe müssen Frauen mehr Mut aufbringen, wenn sie sich in eine Diskussion einmischen wollen", sagt Contja Barsch. Hier könne man sich ausschließlich auf das Studium konzentrieren, die Kräfte bündeln.

Virtuelle Übung für Mütter

Mit virtuellen Veranstaltungen will das IFI auch Frauen mit Kindern das Studium ermöglichen. Die Vorlesungen werden zwar traditionell, im Hörsaal gehalten; Übungen jedoch lassen sich gut übers Internet anbieten. In einem Chat können Studentinnen Probleme diskutieren und sich von Dozentinnen beraten lassen.

Auch andere bundesweite Projekte haben sich zum Ziel gesetzt, Frauen in IT-Berufe zu holen. Die vom Bundesfamilienministerium und der Initiative D21 finanzierte Kampagne Idee-it etwa will Frauen motivieren und so den weiblichen Anteil in der Informations-und Kommunikationsbranche auf 40 Prozent steigern. Das vom Bundesbildungsministerium unterstützte Projekt "Frauen ans Netz" bietet unter anderem Gratis-Internetkurse für Anfängerinnen an. An den über 2000 Kursen im vergangenen Jahr nahmen 34.000 Frauen teil.

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