Interview:Warum scheitert jede zweite Firmengründung?

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Gründungsforscher Reinhold Grotz über die Überlebenschancen junger Betriebe in Deutschland.

(SZ vom 21.6.2003) Reinhold Grotz ist Professor an der Universität Bonn. Der Wirtschaftsgeograph und Gründungsforscher hat die Überlebenschancen junger Betriebe in Deutschland untersucht. Gunthild Kupitz fragte ihn nach den Ergebnissen seiner Studie.

SZ: Nur jede zweite Firma wird älter als fünf Jahre. Was läuft da schief?

Grotz: Es scheint eine ökonomische Regel zu sein, dass nur ein bestimmter Anteil von Firmen überlebensfähig ist. Das ist allerdings kein Phänomen der jüngeren Zeit, sondern bereits seit Anfang der achtziger Jahre zu beobachten.

SZ: Und die deutliche Zunahme an Firmenpleiten in den letzten Jahren ...

Grotz: ... hängt mit der Konjunktur zusammen. Das Interessante und Neue an unserer Studie ist, dass in den Jahren, in denen viel gegründet wurde, die Überlebenschancen sehr niedrig waren. Man kann also nicht sagen, je mehr Firmen gegründet werden, desto mehr werden auch bleiben. Das Gegenteil ist der Fall.

SZ: Woran liegt das?

Grotz: Je mehr Anbieter sich auf einem begrenzten Markt tummeln, desto härter ist die Konkurrenz - und um so höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Schwächeren herausgedrängt werden. Und schwächer sind vor allem die jungen Firmen, die sich ihre Anteile am Markt erst erobern müssen und finanzielle Durststrecken nicht lange durchhalten.

SZ: Also Darwinismus pur?

Grotz: Der Markt ist natürlich so etwas wie ein darwinistisches System. Und das halte ich durchaus für positiv, schließlich überleben so nur die stärksten Unternehmen. Dass es auch negative Seiten hat, ist klar.

SZ: Weil nicht nur Betriebe schließen, sondern auch Angestellte ihren Job verlieren?

Grotz: Ja. Wir haben in unserer Studie auch die Beschäftigungseffekte untersucht. Dabei haben wir festgestellt, dass das Wachstum der überlebenden Firmen nach sechs bis sieben Jahren die Arbeitsplatzverluste der Betriebe desselben Jahrgangs, die aufgeben mussten, nicht mehr kompensieren kann.

SZ: Heißt das, dass im Grunde genommen jede Form von finanzieller Förderung - von Überbrückungsgeld bis zu verbilligten Krediten - überflüssig ist?

Grotz: Nein. Denn andere Studien haben gezeigt, dass Unternehmen, deren Geschäftsideen bei der Vergabe verbilligter Kredite von der Deutschen Ausgleichsbank geprüft wurden, sehr viel höhere Überlebenschancen hatten. Unsere Untersuchung hat dagegen ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns um so höher ist, je niedriger die so genannten Markteintrittsbarrieren sind, also je geringer die Qualifikation der Gründer ist oder ihre Investitionen.

SZ: Was bedeutet das in Bezug auf die geplante Änderung der Handwerksordnung?

Grotz: Wenn der Zwang zum Meistertitel entfällt, wird es zu mehr Gründungen kommen. Falls sich die gesamtwirtschaftliche Lage aber nicht bessert, wird auch da ein Verdrängungswettbewerb stattfinden - mit dem Ergebnis, dass nicht nur staatliche Fördermittel verloren gehen, sondern auch persönliche. Jeder Unternehmer haftet ja bis zu einem gewissen Grad mit seinem Privatvermögen.

SZ: Und die Alternative?

Grotz: Unser Vorschlag ist, auf Förderungen nach dem Gießkannenprinzip zu verzichten und nur noch innovative Unternehmensgründungen zu unterstützen - und zwar beratend als auch finanziell. Denn die fünfundsiebzigste Boutique in der Fußgängerzone ist nicht das, was Deutschland braucht: Die macht nach zwei Jahren wieder zu.

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