Interview:Karriere war gestern

Lesezeit: 2 min

Bunte Erwerbsbiografien sind heute normal. Doch in Deutschland erwarten Personalverantwortliche von Bewerbern immer noch einen geradlinigen Lebenslauf.

Thomas Akmann erforscht im Auftrag der Magdeburger Unternehmensberatung MA&T typische Karriereverläufe von heute. Jutta Göricke fragte den Diplom-Psychologen, warum unsere Vorstellung vom Erfolg so wenig der Realität entspricht.

Veraltetes Bild: Die Vorstellungen von Karriere als Aufstieg stimmen mit der Realität oft nicht überein. (Foto: Foto: photodisc)

SZ: Wenn wir an eine typische Karriere denken, haben wir das Bild einer Leiter vor Augen, die Sprosse für Sprosse erklommen wird. Woher stammt dieses Bild eigentlich?

Akmann: Es ist relativ neu und findet seine klarste Ausprägung im Beamtentum, das sich Ende des 18. Jahrhundert ausgebildet hat: Demnach wird man Mitglied einer Organisation, die hierarchisch-pyramidal aufgebaut ist und der man optimalerweise sein Arbeitsleben lang angehört. Innerhalb dieser Organisation bemüht man sich nun Schritt für Schritt um den Aufstieg, wobei die Luft nach oben natürlich immer dünner wird.

SZ: Bemerkenswert ist, wie sehr wir den korrekten Verlauf einer Karriere als linear aufsteigende Bewegung verinnerlicht haben. Schon das Wort "Karriere" geht auf die Vorstellung zurück, einen Karren auf einem vorgespurten Weg zu fahren. Wer aus der Bahn gerät, gilt als Versager, auch vor sich selbst.

Akmann: Wobei man sagen muss, dass dieses Phänomen nicht überall gleichermaßen verbreitet ist. Die USA sind traditionell ein Land, in dem bunte Erwerbsbiografien an der Tagesordnung sind. Auch in Großbritannien, Skandinavien oder den Niederlanden wird eine exotische Vita eher akzeptiert. Kürzlich hat eine niederländische Versicherung ausdrücklich Mitarbeiter mit bunter Biografie gesucht, um ihre Organisation etwas aufzumischen. In Deutschland sieht man das noch anders. Hier sind die Firmen meist konservativer und betrachten Brüche in Lebensläufen eher skeptisch.

SZ: Entspricht denn das Idealbild eines kontinuierlichen Lebenslaufes heute noch der Realität?

Akmann: Nein. Heutzutage haben es ja selbst Akademiker schwer, einen adäquaten Job zu finden. Viele schlagen sich von Projekt zu Projekt, von Zeitvertrag zu Zeitvertrag durch. Sie leben - weil es die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erfordern - einen ganz anderen Karriere-Entwurf: Der Beruf wird zunehmend zu einer Art "Lebensunternehmertum". Leider ist diese Realität in den Unternehmenskulturen noch nicht angekommen. Vielmehr werden dort diskontinuierliche Karrieren immer noch als unrühmliche Ausnahmen gesehen.

SZ: Akzeptieren denn die Betroffenen ihre Karriere so, wie sie ist?

Akmann: Sie akzeptieren zwar den Ist-Zustand und gehen ausgesprochen konstruktiv damit um, betrachten die ständigen Wechsel aber nicht als Modell, mit dem sie dauerhaft leben möchten.

SZ: Schließlich möchte man ja irgendwann mal irgendwo ankommen.

Akmann: Dennoch wäre es wünschenswert, wenn die Skepsis gegenüber Menschen mit diskontinuierlichen Viten abgebaut würde, vor allem von Personalern. Denn jeder, der sich als Lebensunternehmer durchbeißt, hat notgedrungen besondere Fähigkeiten unter Beweis gestellt.

SZ: Welche zum Beispiel?

Akmann: Er hat Eigeninitiative gezeigt, denn er musste sich immer wieder um neue Jobs bemühen. Er ist in hohem Maße kommunikativ und kann sich gut in neue Aufgaben einarbeiten, wozu er eine gute Auffassungsgabe braucht und die Fähigkeit, sich gut zu organisieren. Und, allem voran: Er ist hoch motiviert und hat eine große Frustrationstoleranz.

SZ: Letzteres hört sich für manchen vermutlich ein bisschen zynisch an. Sich immer wieder aufs Neue zu motivieren, nagt auf Dauer doch arg an der Substanz.

Akmann: Das ist leider wahr.

© SZ vom 24.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: