Interview:"Bewerber bekommen keine zweite Chance"

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Unpraktische Unterlagen, falsche Fragen, fiese Tricks - woran Jobsucher scheitern und wie's mit der Bewerbung klappt.

"Bewerber dürfen keine Fehler machen: Sie bekommen keine zweite Chance", sagt der Personalberater Claus Peter Müller-Thurau. Nicola Holzapfel hat nachgefragt, was Jobsucher alles falsch machen können.

"Manchmal entscheiden ganz banale Dinge darüber, wer den Job bekommt", sagt Claus Peter Müller-Thurau. (Foto: (Foto: privat))

sueddeutsche.de: Was ist der erste Fehler, vor dem man sich hüten muss?

Claus Peter Müller-Thurau: Viele schätzen sich selbst falsch ein und bewerben sich auf die falsche Position. Dadurch verschaffen sie sich selbst unnötigen Frust. Anstatt wirklich in sich zu gehen und sich zu fragen: "Ist das der richtige Job, ist das das richtige Unternehmen für mich?" Arbeitgeber suchen ja nicht die Besten, sondern die, die passen. Und sie erwarten, dass der Bewerber das halbwegs für sich abklärt. Dazu gehört, ein Stärken-Schwächen-Profil zu machen und das mit der Stellenanzeige zu vergleichen.

sueddeutsche.de: Worauf muss man denn bei den Bewerbungsunterlagen achten?

Müller-Thurau: Die wichtigste Herausforderung ist es, ein gutes Anschreiben zu formulieren. Da zeigt sich, ob jemand die Fähigkeit hat, beim Formulieren mit dem Kopf des Adressaten zu denken. Bewerber müssen die alte Rhetorik-Grundregel beachten: "Egal, was du schreibst - oder nachher sagst im Vorstellungsgespräch - entscheidend ist, wie es ankommt."

sueddeutsche.de: Womit manövriere ich mich als Bewerber sofort ins Aus?

Müller-Thurau: Ein ganz großer Fehler ist es, Unebenheiten im Lebenslauf zu verschweigen. Wer da nicht zu seinen Schwächen steht oder sich rausredet, kommt nicht durch. Warum nicht dazu stehen, dass man zwei Semester vertrödelt hat? Wenn Sie Glück haben, sitzt Ihnen jemand gegenüber, der das auch gemacht hat. Man ist dadurch stärker, wenn man offensiv mit den eigenen Schwächen umgeht.

sueddeutsche.de: Wann habe ich denn eine Lücke im Lebenslauf?

Müller-Thurau: Es geht nicht um zwei oder drei Monate. Kritisch wird's wenn ein Jahr fehlt: Manche machen das ja auch ganz raffiniert. Sie schreiben, dass sie bis zum Jahr 2002 dieses und ab 2003 jenes gemacht haben. Wenn dann die Zeugnisse zeigen, dass der Zeitraum in Wirklichkeit von Januar 2002 bis Dezember 2003 geht, also fast zwei Jahre umfasst, ist doch klar: Da hat jemand gemogelt.

sueddeutsche.de: Muss man originell sein, um aus der Masse der Bewerber herauszustechen?

Müller-Thurau: Der Versuch witzig zu sein und Aufmerksamkeit zu erhaschen, geht meistens daneben. Und wer die Bewerbung aufmotzt, seine Unterlagen in Schweinsleder gebunden mit rosa Schleifen schickt, gerät in Verdacht, über die Form den schlechten Inhalt kompensieren zu wollen. Das geht meistens nach hinten los.

sueddeutsche.de: Gerade bei den Unterlagen findet man in den Bewerbungsbüchern ja ganz unterschiedliche Tipps.

Müller-Thurau: Man kann sich daran orientieren, ob die Autoren selbst Personalbeschaffer sind und sich wirklich lange mit der Aufgabe beschäftigt haben, die richtige Frau, den richtigen Mann auf den richtigen Platz zu bekommen. Die können sagen, woran eine Bewerbung scheitert.

Ich geben Ihnen ein Beispiel: Manche halten diese berühmte Seite 3 für schick oder stecken alles in Klarsichthüllen. Weil sie nicht wissen, was es für eine Mühe ist, wenn man hundert Bewerbungen bekommt und den Vorlageneinzug im Kopierer nicht benutzen kann, weil jedes Blatt in einer Hülle steckt.

sueddeutsche.de: Genauso mit den Deckblättern. Hier sind die Ratschläge auch ganz unterschiedlich...

Müller-Thurau: Wenn Sie am Schreibtisch sitzen und Sie haben drei Unterlagen, die Sie miteinander abgleichen wollen, dann haben Sie ein Problem mit dem Deckblatt, das müssen Sie umklappen - es fällt Ihnen aber immer wieder zurück. Das Handling ist einfach benutzerunfreundlich. Und da geht es wieder um einen Soft Skill, nämlich die Kunden- und Serviceorientierung. Gut gemeint hat Karl Krauss einmal gesagt, ist ein anderes Wort für schlecht. Und viele Bewerber meinen es gut, aber für den Adressaten ist es schlecht.

sueddeutsche.de: Gibt es auch entschuldbare Fehler?

Müller-Thurau: Ein Tippfehler im Anschreiben ist sicher nicht so dramatisch, aber es gibt Personaler, die sagen: "Das ist ein Verstoß gegen das Vier-Augen-Prinzip." Es kann also schon dieser dumme kleine Fehler dazu führen, dass man auf Platz elf landet, wenn zehn Kandidaten eingeladen werden.

Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, aber es addiert sich. Wenn ich mich zum Beispiel im Vorstellungsgespräch verhaspele. Da kommt es natürlich darauf an, wofür ich mich bewerbe. Wenn ich ins Marketing will, wo kommunikative Kompetenz ganz wichtig ist, und ich keine unfallfreien Sätze bauen kann, fliege ich 'raus. Beim Vorstellungsinterview gibt es nur einen ersten Sieger. Die, die halbwegs fehlerfrei agieren, haben dann eben die besseren Karten.

sueddeutsche.de: Wie komme ich denn im Vorstellungsgespräch gut rüber?

Müller-Thurau: Das Wichtigste ist, mental gut drauf zu sein. Das geht damit los, als Bewerber den Spieß umzudrehen. Die meisten kommen rein und denken: "So jetzt werde ich analysiert" - statt sich ihre Gesprächspartner anzugucken, auf die Körpersprache zu achten und selbst Beobachter zu sein. Das bringt einen psychologisch in eine etwas vorteilhaftere Position.

Dann natürlich die Vorbereitung. Eine wichtige Schlüsselqualifikation besteht darin, das gilt erst recht für den Beruf, sich gut vorzubereiten. Und das kann jeder machen. Schauen, wo die Tücken sind, wo die Gefahren lauern und sich dann darauf vernünftig vorbereiten.

Dazu gehört auch, gute Fragen in petto haben - aber im Kopf. Es gibt Bewerber, die holen einen Zettel mit vorformulierten Fragen heraus und arbeiten den mit dem Gesprächspartner ab. Das ist völlig unflexibel. Wichtig ist es, am Anfang des Interviews, wenn das Unternehmen vorgestellt wird, gut zuzuhören und zu überlegen, ob sich aus dem, was der Gesprächspartner über das Unternehmen erzählt, für später Fragen ergeben. Das ist kommunikative Kompetenz.

sueddeutsche.de: Was zählt noch?

Müller-Thurau: Ein wichtiges Soft Skill ist, dass sich die Bewerber vernünftig strukturieren können. Das kriegt man am besten raus mit der Frage "Schießen Sie mal los. Erzählen Sie mal ein bisschen was über ihr Leben." Und da sieht man, ob jemand vernünftig strukturiert, ob er die Stationen Schule, Ausbildung, Berufserfahrung schön einzeln abarbeitet und vor allem rechtzeitig aufhört. Hier gilt die alte Luther-Regel: "Tritt fest auf, mach's Maul auf, hör bald wieder auf". Um dadurch möglichst schnell zum Dialog zu kommen

Ganz wichtig ist es natürlich auch, sich die Namen zu merken. Wenn jemand seine Gesprächspartner konsequent mit falschen Namen anspricht, zeugt das von mangelnder Sozialkompetenz.

sueddeutsche.de: Wie schaut's denn mit dem Dresscode aus?

Müller-Thurau: Hier hat sich etwas geändert. Auf angemessene Bekleidung wird wieder mehr Wert gelegt. Sie können sich nicht im roten Jackett für eine Position in einem Traditionsunternehmen bewerben. Das gilt auch fürs Berufsleben: Wer als Controller im Sommer mit kurzen Hosen herumläuft, sendet ungewollt die Botschaft aus: "Ich will hier keine Karriere machen." Und den Damen wird manchmal Absicht unterstellt, wenn der Rock zu kurz ist.

sueddeutsche.de: Zum Thema Gehalt. Was ist da falsch, was richtig?

Müller-Thurau: Richtig ist es, bei der Gehaltsfrage beherzt eine Hausnummer nennen. Nicht sagen: "Ich stelle mir vor zwischen 60- und 70.000 Euro". Wer einen Rahmen nennt, verrät Unsicherheit. Da sagt jeder gleich: "Na gut, dann kriegen Sie 60.000". Was antworten Sie dann? "Äh, nee, so habe ich's nicht gemeint."?

Ganz falsch ist es, die Frage zu stellen: "Wie viel zahlen Sie denn?". Das ist absolut daneben.

sueddeutsche.de: Was ist noch daneben?

Müller-Thurau: Ein typischer Fehler ist, wenn es mehrere Gesprächspartner gibt, dass viele Bewerber nur denjenigen angucken, der ganz oben in der Hierarchie steht und die anderen dann ignoriert.

Oder, was auch immer wieder passiert, ist, dass Bewerber am Ende des Gespräches, zum Beispiel mit dem Geschäftsführer, einem Abteilungsleiter und einem Personalberater, fragen: "Wie stehen denn meine Chancen?" Das ist die Note sechs minus in Sachen Empathie. Was sollen die Gefragten denn sagen? Sie müssen sich ja vorher erst abstimmen.

sueddeutsche.de: Nehmen wir an, ich erkenne selbst, dass ich einen Fehler gemacht habe, was dann?

Müller-Thurau: Wer einen Fehler erkannt hat, kann ihn korrigieren. Das bringt im Zweifelsfall Punkte. Unternehmen suchen Leute, die geradlinig sind und dann eben auch zu ihren Schwächen stehen.

sueddeutsche.de: Arbeiten mache Arbeitgeber mit fiesen Tricks?

Müller-Thurau: Ja, das gibt es. Bei meinem ersten Vorstellungsgespräch bei einem schwedischen Unternehmen wurde mir nach einem psychologischen Test gesagt, dass ich unterirdische Ergebnisse hätte, reif für die Coach sei, und ob ich irgendwelche Gründe nennen könnte, warum man mich einstellen sollte. Das war ein Stress-Interview. Mit so etwas wird getestet, wie stress-resistent der Bewerber ist.

Oder es kann passieren, dass ein Bewerber, der pünktlich zum verabredeten 15 Uhr-Termin erscheint, mit den Worten begrüßt wird: "Eigentlich waren wir um 14 Uhr verabredet" - nur um zu testen, wie belastbar er ist.

sueddeutsche.de: Und dann?

Müller-Thurau: Da muss man natürlich einigermaßen souverän sein und sagen: "Wissen Sie, meine Terminplanung stimmt." Es gibt Bewerber, die dann völlig flusig werden und sich entschuldigen. Das ist natürlich schlecht.

Aber man muss nicht dauernd mit miesen Machenschaften rechnen. Wenn so etwas praktiziert wird, sollte man sich als Bewerber überlegen, ob das das richtige Unternehmen ist. Denn dieser Stil wird möglicherweise später in der Berufspraxis fortgesetzt.

sueddeutsche.de: Wenn es mit der Bewerbung nicht geklappt hat: Wie gehe ich am besten mit Absagen um?

Müller-Thurau: Manchmal sind es wirklich ganz banale Dinge, die darüber entscheiden, wer den Job bekommt. Manche bringen sich um ihren Traumjob, weil sie keinen Parkplatz gefunden haben und deshalb zu spät kommen. Andere kriegen die Stelle nicht, weil der Interview-Partner schlecht gefrühstückt hat und übellaunig ist. Oder der gleich gute andere Bewerber wird bevorzugt, weil er im selben Golfclub spielt oder von der selben Uni kommt wie der Personalleiter. Es sind eben nicht Computer, die die Entscheidungen treffen, sondern Menschen.

Daher ist es wichtig, mit Absagen konstruktiv umzugehen und nicht gleich zu denken: "Ich bin ein Versager". Aber natürlich muss man schauen: "Welche Fehler habe ich gemacht?".

sueddeutsche.de: Es klingt auch so, als brauche man Glück....

Müller-Thurau: Ja. Man muss einen Draht finden zu seinen Gesprächspartnern - die müssen passen, das gehört auch dazu. Man muss selbst gut drauf sein - und auch ein bisschen Glück haben.

Claus Peter Müller-Thurau, Die 101 häufigsten Bewerbungsfehler, Haufe Verlag 2004, 16,80 Euro

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