Integration:Betriebssprache: Deutsch

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"Wer hier in der Firma künftig nicht deutsch, sondern russisch oder eine andere Sprache spricht, erhält eine Abmahnung": Warum eine Wertheimer Firma ihren Mitarbeitern mit Kündigung droht.

D. Deckstein

Die beiden Geschäftsführer Irene Antlinger und Elmar Swiegot wurden am Freitag ihres Arbeitslebens nicht mehr richtig froh. Den Tag verbrachten sie im Wesentlichen damit, Medienanfragen zu beantworten, die sie sich wegen eines Aushangs am Schwarzen Brett der Firma eingehandelt hatten.

Man spricht Deutsch - auch Wertheim. (Foto: 75)

Der hing seit dem 26. August dort und teilte den 60 Mitarbeitern des Wertheimer Labortechnik-Herstellers Witeg harsch und unmissverständlich mit: "Wer hier in der Firma künftig nicht deutsch, sondern russisch oder eine andere Sprache spricht, erhält eine Abmahnung. Sollte trotz Abmahnung weiterhin in einer anderen Sprache gesprochen werden, folgt die sofortige Kündigung."

Über deutsche Köpfe hinweg

Nun ja, gesteht Irene Antlinger, die Formulierung sei vielleicht etwas unglücklich gewählt worden. Sie habe den Zettel erst einmal abgehängt und werde mit einem Rechtsanwalt ein neues Schreiben aufsetzen. Aber das Problem lasse sich ohne etwas Nachdruck nicht aus der Welt schaffen, zumal es nun schon seit Jahren für Ärger und Beschwerden aus den Abteilungen sorge.

Von den 60 Witeg-Beschäftigten stammen 24 aus Ländern wie Polen und Ungarn oder sind Russlanddeutsche. Das Problem besteht der Geschäftsführerin zufolge darin, dass sich vor allem die russischsprachigen Mitarbeiter in der Fertigung über die Köpfe der deutschen Kollegen hinweg in ihrer Heimatsprache verständigten, obwohl sie zum Teil schon zehn und mehr Jahre in Wertheim lebten und des Deutschen durchaus mächtig seien.

Das sei nicht nur unfair gegenüber den Kollegen, sondern gefährde auch die Qualität der hochsensiblen Präzisionsinstrumente für Wissenschaft und Medizin. "Die Wahrung des Qualitätsstandards bedarf einer präzisen und reibungslosen Kommunikation", meint Antlinger, und dafür sei es zwingend, dass sich alle Fertigungsarbeiter auf Deutsch verständigten. Außerhalb der Produktion könne jeder in der Firma reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist.

Auf der nächsten Seite: Wie Arbeitsrechtler die umstrittene Maßnahme bewerten.

Gerechtfertigtes Ansinnen

Jahrelanges gutes Zureden habe nichts gefruchtet, die Firma habe Deutschkurse zur Sprachperfektionierung angeboten, aber dafür hätten sich gerade einmal zwei Mitarbeiter interessiert. Da riss der Geschäftsführung der Geduldsfaden, und das führte zu dem etwas barsch formulierten Brief am Schwarzen Brett. Die Geschäftsführung aber "distanziert sich ausdrücklich von jeder Art von rassistischer oder fremdenfeindlicher Gesinnung", betonen Antlinger und Swiegot. Immerhin liefert die Firma vom nördlichsten Zipfel Baden-Württembergs aus ihre Laborgeräte in 80 Länder der Welt und hat bei ihrem Internetauftritt auch englische und französische Seiten.

In Zeiten, da auch der Staat Ausländern den umstrittenen Einbürgerungstest in Deutsch vorlegt, ist ein solches Ansinnen von Arbeitgebern durchaus gerechtfertigt. Das meint jedenfalls der Arbeitsrechtler Jens Günther von der Stuttgarter Anwaltskanzlei Gleiss Lutz. Auch im Lichte des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) dürfe ein Firmenchef aus Gründen der Arbeitssicherheit verlangen, dass sich Teams an eine bestimmte Betriebssprache halten. "Das gilt vor allem für Tätigkeiten, die mit sprachlicher Kommunikation verbunden sind", meint Günther. Und bei Zuwiderhandlung gegen solche internen Regelungen dürfe der Arbeitgeber auch mit Sanktionen drohen.

© SZ vom 6.9.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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